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BERICHT
Eisenmangel in der Schwangerschaft
Wann oral, wann intravenös substituieren?
Eine Eisenmangelanämie in der Schwangerschaft bedeutet ein höheres Risiko für mütterliche und kindliche Komplikationen. Es sei daher wichtig, einen Eisenmangel möglichst frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, sagte PD Dr. med. Irene Hösli, Klinik für Geburtshilfe und Schwangerschaftsmedizin, Universitätsspital Basel, an der 9. Iron Academy am 28. April 2016 in Zürich.
Halid Bas
Aus Schweizer Daten ist bekannt, dass ungefähr jede fünfte Frau im gebärfähigen Alter einen Eisenmangel aufweist, und bei 5 bis 6 Prozent der Schwangeren im zweiten und dritten Trimenon wurde eine Eisenmangelanämie nachgewiesen. Die Eisenversorgung mit der Nahrung stützt sich vor allem auf Getreide, Gemüse und Früchte, ferner Fleisch und Milchprodukte. Dies reicht in der Schwangerschaft jedoch oft nicht aus. «Bei Frauen im fertilen Alter sollte man unbedingt einmal im Jahr abklären, ob eine Anämie vorliegt», betonte Hösli.
MERKSÄTZE
O Bei Kinderwunsch soll eine präkonzeptionelle Hämoglobin- bzw. Ferritinbestimmung erfolgen.
O Ein Screening mittels Blutbild und Ferritin in der Schwangerschaft sowie eine postpartale Eisensupplementierung sind sinnvoll.
O Schwangere mit Eisenmangelanämie unter der Geburt haben eine erhöhte maternale/neonatale Morbidität und benötigen rasch wirksame Massnahmen.
Zu geringe Eisenzufuhr,
gesteigerter Eisenverlust?
Ist ein Eisenmangel bekannt, stellt sich die Frage nach der Ursache (1). Liegt eine Malabsorption vor oder kommt es zu einem ausgeprägteren Eisenverlust wegen Blutungen (Hypermenorrhö bei Uterus myomatosus, Polypen, Cu-IUD)? «Vor allem die vegane Ernährung macht uns Sorge, da sie mit einem Eisenund Vitamin-B12-Mangel einhergeht», bemerkte die Gynäkologin. Zu Risikogruppen für einen Eisenmangel gehören ferner Sportlerinnen, Adoleszente, adipöse Frauen (BMI > 30) und Frauen mit einer subklinischen Hypothyreose, welche die Eisenresorption beeinträchtigt (2). Während der Schwangerschaft nimmt der Eisenbedarf im zweiten und dritten Trimenon auf das Neunfache zu. Wichtig ist eine Erfassung des Eisenstatus schon präkonzeptionell, sicher aber im ersten Schwangerschaftsdrittel. Neben dem Ferritin sollte immer auch das C-reaktive Protein (CRP) bestimmt werden, um eine Verfälschung des Werts durch Infektionen auszuschliessen. Wichtig ist auch die Anamnese mit Fragen nach familiären und persönlichen Hinweisen auf Anämie und nach der Herkunft. Frauen aus Afrika, Südeuropa sowie Süd- und Südostasien haben ein höheres Anämierisiko.
Eisenmangelanämie bedeutet
Gefahr für Mutter und Kind
Eine Eisenmangelanämie verursacht bei der Schwangeren eine höhere kardiovaskuläre Belastung, typische Anämiesymptome und eine Risikosteigerung für Infektionen. Ausserdem ist sie assoziiert mit vorzeitiger Plazentalösung, mit einem erhöhten Risiko für eine postpartale transfusionsbedürftige Anämie, für eine verminderte Milchproduktion im Wochenbett sowie für eine postpartale Depression (3). Auf der kindlichen Seite ist die mütterliche Eisenmangelanämie mit einem erhöhten Risiko für Frühgeburt, intrauterine Wachstumsrestriktion und intrauterinen Fruchttod assoziiert. Ausserdem haben solche Kinder nach 3 bis 6 Monaten verminderte Eisenspeicher und es werden vermehrt Entwicklungsprobleme in der Kindheit beobachtet (3).
Eisenstatus in der Schwangerschaft
früh abklären
Zu den Risikofaktoren für eine postpartale Anämie mit Hb < 10 g/l zählen Placenta praevia, genetische Prädisposition (Afrikanerin), Anämie in der Schwangerschaft, Mehrlinge, Blutungen in der Schwangerschaft sowie Blutverlust > 100 ml (4). «Leider nehmen gewisse Risikofaktoren auch bei uns zu», berichtete Hösli. So werden Fälle von Placenta accreta häufiger (5), was mit einer relativ hohen Sektiorate zu tun hat. Die Risikofaktoren für eine Eisenmangelanämie sind vielfältig (Tabelle 1). Die beste Prävention von Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen ist es sicherzustellen, dass eine Frau nicht mit einem Eisenmangel in die Schwangerschaft geht. Eine gesunde Ernährung bedeutet dabei den Anfang, zusätzlich muss aber bei Hinweisen auf eine Mangelsituation auch eine Eisensubstitution erfolgen.
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ARS MEDICI 17 I 2016
BERICHT
Tabelle 1:
Risikofaktoren für Eisenmangelanämie
O Mehrlingsschwangerschaften O kurzes Intervall zwischen den Schwangerschaften O spezifische Ernährung O bariatrische Operationen O Risikoschwangerschaften (Placenta praevia, rez. Blutungen, hoher Blutverlust unter
der Geburt, Zeugen Jehovas) O schlechter sozioökonomischer Status O fehlende Compliance
© Ferritinspiegel beachten, frühzeitige Eisengabe
Die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe hat Empfehlungen zur Therapie bei Eisenmangel herausgegeben (6). Diese fordern, bei jeder Frühschwangerschaft eine Bestimmung von Hämoglobin, Ferritin und CRP vorzunehmen (und nicht erst in der 28. SSW wie in vielen anderen europäischen Ländern). Das weitere Vorgehen richtet sich dann nach dem Hämoglobinwert (Tabelle 2). Bei den Risikogruppen, bei denen eine Blutung zu erwarten ist, muss auf den Ferritinwert geachtet werden.
Bei leichten Anämien kann zunächst mit einer oralen Substitution begonnen werden. Begrenzend sind vor allem die gastrointestinalen Nebenwirkungen, die in der Schwangerschaft noch verstärkt sind. Bei schweren Anämien sollte man nicht erst warten, ob das Hämoglobin nach vier Wochen angestiegen ist, sondern direkt intravenös Eisen geben, empfahl Hösli. Auch bei inadäquater Hämoglobinentwicklung unter oraler Substitution ist der Wechsel zur intravenösen Zufuhr indiziert. Verschiedene Studien haben für die
intravenöse Eisensupplementation (sowohl mit Eisencarboxymaltose wie Eisensucrose) in der Schwangerschaft die Sicherheit nachgewiesen.
Eisensubstitution
postpartal eher intravenös
Auch für die Therapie einer postpartalen Anämie gibt es Empfehlungen (Tabelle 3). Bei leichter Anämie kann auch hier eine orale Substitution versucht werden. Ist jedoch anamnestisch bekannt, dass diese nicht gut vertragen wurde, oder liegt eine schwerere Anämie vor, ist es vernünftig, gleich mit einer intravenösen Substitution (1000 mg) zu beginnen. Bluttransfusionen sind hingegen nur in ganz akuten Situationen zu erwägen. Eine Schwangerschaft und Geburt ist auch ein inflammatorischer Prozess, daher bringt die Ferritinbestimmung in der ersten Woche postpartal nichts, zuverlässige Werte stellen sich erst ein bis zwei Wochen nach der Geburt ein. Aus einer Vergleichsstudie ist bekannt, dass die Infusion von Eisencarboxymaltose bei Anämie in einem viel höhe-
BERICHT
Tabelle 2:
Therapie bei Anämie in der Schwangerschaft
Hb 90–105 g/l oder Ferritin < 30 (1. Trimenon) 160–200 mg/Tag per os Fe++-Salze (nüchtern) oder 100–200 mg/Tag Fe+++-Polymaltose (nicht nüchtern, weniger Nebenwirkungen) schwere Anämie: Hb < 90 g/l fehlender Anstieg nach 2 Wochen um 10 g/l Unverträglichkeit der peroralen Gabe, Compliance religiöse Gruppen, die Bluttransfusionen ablehnen rasche Anämietherapie notwendig (3. Trimenon, Plazentationsstörungen) 500-1000 mg i.v. Eisencarboxymaltose (erst ab 2. Trimenon) Ziel: Hb > 105 g/l
fetale/maternale akute Symptomatik
Bluttransfusion
Quelle: SGGG, Expertenbrief Nr. 22, 2009
Tabelle 3:
Therapie bei postpartaler Anämie
Hb 95–120 g/l
80–200 mg/Tag per os Fe++-Salze (nüchtern) oder Fe+++-Polymaltose
schlechte Verträglichkeit oraler Eisenpräparate
500–1000 mg i.v.
Hb 80–95 g/l
500–1000 mg i.v.
Hb < 80 g/l 500–1000 mg i.v. Eisencarboxymaltose 3× 200 mg i.v. Eisen+++-Saccharat-Komplex Ziel: Hb > 100 g/l Anstieg von 30 g/l in 2 Wochen
Hb < 60 g/l, akute Symptomatik Bluttransfusionen bedenken Achtung: Ferritin falsch positiv postpartal! Quelle: SGGG, Expertenbrief Nr. 22, 2009 ren Prozentsatz zu einer Hämoglobin- normalisierung führt als eine orale Substitution (7). Eine weitere Vergleichs- studie konnten zudem nachweisen, dass mit der intravenösen Eisenversorgung viel rascher ein Hämoglobinwert über 12 g/dl erreicht wird (8). Dies kann für die stillende Mutter, die mit unruhigen Nächten ohnehin müde ist, eine will- kommene Unterstützung sein. O Halid Bas Interessenlage: Das Symposium wurde gesponsert von B. Braun Medical AG, SRS Medical GmbH, Sysmex Suisse AG und Vifor Pharma. Referenzen: 1. SGGG Expertenbrief Nr. 33, 2010, verfügbar unter www.sggg.ch. 2. Cepeda-Lopez AC et al.: In overweight and obese women, dietary iron absorption is reduced and the enhancement of iron absorption by ascorbic acid is one-half that in normal-weight women. Am J Clin Nutr 2015; 102(6): 1389–1397. 3. Rukuni R et al.: Screening for iron deficiency and iron deficiency anaemia in pregnancy: a structured review and gap analysis against UK national screening criteria. BMC Pregnancy Childbirth 2015; 15: 269. 4. Bergmann RL et al.: Prevalence and risk factors for early postpartum anemia. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 2010; 150(2): 126–131. 5. Upson K et al.: Placenta accreta and maternal morbidity in the Republic of Ireland, 2005-2010. J Matern Fetal Neonatal Med 2014; 27(1): 24–29. 6. SGGG Expertenbrief Nr. 22, 2009, verfügbar unter www.sggg.ch. 7. Seid MH et al.: Ferric carboxymaltose injection in the treatment of postpartum iron deficiency anemia: a randomized controlled clinical trial. Am J Obstet Gynecol 2008; 199(4): 435.e1-7. 8. Van Wyck DB et al.: Intravenous ferric carboxymaltose compared with oral iron in the treatment of postpartum anemia: a randomized controlled trial. Obstet Gynecol 2007; 110(2 Pt 1): 267–278. 750 ARS MEDICI 17 I 2016