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STUDIE REFERIERT
Rheumatoide Arthritis: TNF-alpha-Hemmer erhöhen Sterblichkeitsrisiko nicht
In einer Metaanalyse waren TNF-alpha-Inhibitoren bei Patienten mit rheumatoider Arthritis über einen durchschnittlichen Zeitraum von 46 Wochen nicht mit einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko verbunden. Dies wurde unabhängig von der jeweiligen Einzelsubstanz und der Dosierung beobachtet.
American Journal of Medicine
Tumornekrosefaktor-(TNF-)alpha-Inhibitoren sind die am häufigsten angewendeten First-Line-Biologika zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis (RA). Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass TNF-alpha-Hemmer mit einem erhöhten Risiko für Malignitäten, Infektionen und andere schwere unerwünschte Ereignisse verbunden sind. In den wenigen Studien zum Endpunkt der Mortalität wurden widersprüchliche Ergebnisse beobachtet. In einer älteren Metaanalyse zeigte sich bei Patienten mit RA keine erhöhte Mortalität im Zusammenhang mit TNF-alpha-Hemmern. Allerdings beschränkte sich diese Analyse auf drei TNF-alpha-Inhibitoren und umfasste zudem nur Daten zur kurzfristigen Sicherheit. Lucile Poiroux von der Sorbonne in Paris (Frankreich) und ihre Arbeitsgruppe untersuchten nun in einer neuen Metaanalyse das mittelfristige Risiko von Patienten mit RA für die Gesamtsterblichkeit im Zusammenhang mit den fünf derzeit verfügbaren TNFalpha-Inhibitoren:
MERKSÄTZE
O TNF-alpha-Inhibitoren sind die am häufigsten angewendeten Biologika bei rheumatoider Arthritis.
O TNF-alpha-Inhibitoren sind über einen durchschnittlichen Zeitraum von 46 Wochen nicht mit einem signifikant höheren Sterblichkeitsrisiko verbunden als Plazebo oder DMARD.
O Die Art der Substanz und die Dosierung haben keinen Einfluss auf dieses Ergebnis.
O Adalimumab (Humira®) O Certolizumab (Cimzia®) O Etanercept (Enbrel®) O Golimumab (Simponi®) O Infliximab (Remicade®). Die Forscher schlossen 23 randomisierte, kontrollierte Studien aus dem Zeitraum von Januar 2000 bis November 2014 mit insgesamt 10 048 Rheumapatienten in ihre Metaanalyse ein. Der durchschnittliche Beobachtungszeitraum betrug 46 Wochen (24– 104 Wochen). Als primären Endpunkt definierten die Wissenschaftler die Gesamtsterblichkeit in der «Intention-totreat»-Population. Im Rahmen der ausgewerteten Studien erhielten 6525 Patienten TNF-alphaInhibitoren, und 3523 Teilnehmer wurden mit Plazebo oder krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (disease modifying antirheumatic drugs, DMARD) wie Methotrexat (z.B. Methotrexat Teva®, Methotrexat Pfizer) oder Sulfasalazin (Salazopyrin®) behandelt. Die meisten Studien wiesen mit einem durchschnittlichen Jadad-Score von 3,87 ± 1,01 eine hohe Evidenzqualität auf. Im Studienverlauf verstarben 34 der 6525 mit TNF-alpha-Hemmern behandelten Patienten und 10 der 3523 Personen, die Plazebo oder ein DMARD erhalten hatten (p = 0,113). Das Risiko für die Gesamtsterblichkeit unterschied sich somit nicht signifikant zwischen beiden Gruppen, wie die Forscher schreiben. Die Odds-Ratio (OR) betrug 1,32 (95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,76–2,29). Die Ergebnisse waren in allen Studien konsistent. In Untergruppenanalysen zu den Einzelsubstanzen, zu unterschiedlichen Dosierungen oder zur Anwendung der TNF-alpha-Inhibitoren als Monotherapie oder in Kombination mit anderen
Substanzen wurden ähnliche Ergebnisse beobachtet. Beim Vergleich von Studien hoher Qualität (Jadad-Score > 3) mit denen geringerer Qualität (Jadad-Score ≤ 3) zeigten sich ebenfalls keine wesentlichen Unterschiede.
Diskussion
In einer älteren Metaanalyse aus dem
Jahr 2014 wurde unter Certolizumab ein
höheres Risiko für schwere unerwünschte
Ereignisse und unter Adalimumab, Cer-
tolizumab oder Infliximab eine signifi-
kante Zunahme des Risikos für schwere
Infektionen beobachtet. Diese Ergeb-
nisse könnten darauf hinweisen, dass
unter TNF-alpha-Inhibitoren auch das
Risiko für die Sterblichkeit zunimmt. In
der neuen Metaanalyse der Autoren –
die denselben Zeitraum und alle fünf
derzeit verfügbaren TNF-alpha-Inhibi-
toren abdeckte – wurde diese Befürch-
tung jedoch nicht bestätigt. Hier zeigte
sich kein erhöhtes Mortalitätsrisiko.
In verschiedenen Registern wurde bei
Rheumapatienten unter TNF-alpha-
Hemmern eine Reduzierung des Sterb-
lichkeitsrisikos beobachtet. Nach An-
sicht der Autoren könnte dies durch
Unterschiede zwischen den selektierten
Studienpatienten und den nicht selek-
tierten Registerpatienten sowie durch
die längere Behandlungsdauer im klini-
schen Alltag erklärt werden. Register
könnten deshalb zur Untersuchung der
Auswirkungen von TNF-alpha-Inhibi-
toren auf die Gesamtsterblichkeit mög-
licherweise besser geeignet sein, vermu-
ten Poiroux und ihre Kollegen.
Als Stärke ihrer Metaanalyse werten
die Autoren die hohe Teilnehmerzahl
sowie die hohe Datenqualität und die
Konsistenz der ausgewerteten Studien.
Als Limitation ihrer Untersuchung
sehen sie die Verallgemeinerung der
Ergebnisse und fehlende Daten zu den
Langzeiteffekten der TNF-alpha-Inhi-
bitoren. Zudem reichten die Daten
nicht aus, um eine Subgruppenanalyse
bezüglich der Behandlungsdauer durch-
führen zu können.
O
Petra Stölting
Poiroux L et al.: All-cause mortality associated with TNFalpha inhibitors in rheumatoid arthritis: a meta-analysis of randomized controlled trials. Am J Med 2015; 128 (12): 1367–1373.
Interessenkonflikte: Alle Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
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ARS MEDICI 5 I 2016