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FORTBILDUNG
Rheumatoide Arthritis: «Treat to target!»
Neue Behandlungsleitlinie des American College of Rheumatology
Das American College of Rheumatology (ACR) hat eine neue Leitlinie zur Behandlung von Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) herausgegeben. Die Empfehlungen sollen Arzt und Patienten bei der Erarbeitung einer zielgenauen medikamentösen Therapiestrategie unterstützen.
Arthritis & Rheumatology
Die Leitlinienempfehlungen des ACR gelten für erwachsene typische RA-Patienten ab 18 Jahren. Ausnahmefälle werden nicht berücksichtigt. Entsprechend dem Gruppenkonsens vergaben die Experten starke Empfehlungen (23%) für Behandlungsoptionen, deren Nutzen die Risiken bei den meisten Patienten deutlich überwiegt, und bedingte Empfehlungen (77%) für Therapien, deren Nutzen weniger gut belegt ist und bei denen das Verhältnis von Nutzen und Risiken von Patient zu Patient stark variiert. Die Leitlinienempfehlungen orientieren sich an der Krankheitsaktivität. Für die Behandlung der frühen RA (Symptome < 3 Monate) und der etablierten RA (Symptome ≥ 3 Monate) wurden separate Algorithmen erstellt (Abbildung 1 und 2). Die Experten empfehlen bei jedem Arztbesuch eine Evaluierung der Krankheitsaktivität anhand der Patient Activity Scale (PAS), des Disease Activity Score 28 (DAS28) oder
MERKSÄTZE
O Alle RA-Patienten sollten eine zielgenaue Behandlung erhalten.
O Als Ziel sollte die Remission oder eine niedrige Krankheitsaktivität angestrebt werden.
O MTX gilt als DMARD der ersten Wahl.
O In Remission können manche, aber nicht alle RA-Medikamente abgesetzt werden.
O Bei niedriger Krankheitsaktivität wird die Behandlung fortgeführt.
anderer vom ACR empfohlener Instrumente. Der funktionelle Status des Patienten sollte mindestens einmal jährlich und bei aktiver Erkrankung auch öfter anhand geeigneter Fragebögen wie dem Health Assessment Questionnaire erfasst werden.
Medikamente zur Behandlung der RA
Methotrexat (MTX; z.B. Methotrexat® Pfizer, Metoject®, Methrexx®) gilt als krankheitsmodifizierendes Medikament (disease modifying antirheumatic drug, DMARD) der ersten Wahl. Als weitere konventionelle DMARD-Optionen empfehlen die Experten Hydroxychloroquin (HCQ; Plaquenil® und Generika), Leflunomid (LEF; Arava® und Generika) oder Sulfasalazin (SSZ; Salazopyrin®). Azathioprin (Imurek® und Generika), Ciclosporin (Sandimmun® und Generika), Minocyclin (Minocin®, Minac®, Aknoral®) und Gold wurden bei der Erarbeitung der Empfehlungen zwar berücksichtigt, jedoch nicht in die Leitlinie einbezogen. Als DMARDMonotherapie empfehlen die Experten für die meisten Patienten MTX. Gängige Zweifachregime sind MTX + SSZ, MTX + HCQ, SSZ + HCQ oder Kombinationen mit LEF. Das Dreifachregime besteht aus MTX + SSZ + HCQ. Von den TNFi-(Tumornekrosefaktor-Inhibitor-)Biologika sind Adalimumab (Humira®), Certolizumab (Cimzia®), Etanercept (Enbrel®), Golimumab (Simponi®) oder Infliximab (Remicade®) zur Behandlung der RA geeignet. Als Nicht-TNFi-Biologika empfehlen die Experten Abatacept (Orencia®), Rituximab (MabThrera®, Ristova®) oder Tocilizumab (Actemra®). Anakinra (nicht im AK der Schweiz) wurde aus den Empfehlungen ausgeschlossen. Des Weiteren steht das orale synthetische «small molecule» Tofacitinib (Xeljanz®) zur Behandlung der etablierten RA zur Verfügung. Für die Anwendung von Biosimilars können derzeit aufgrund der unzureichenden Datenlage noch keine Empfehlungen gegeben werden.
Empfehlungen für alle RA-Patienten
Die Experten empfehlen für alle RA-Patienten ungeachtet der Krankheitsaktivität eine zielgenaue Behandlungsstrategie (treat-to-target). Als Behandlungsziel sollte möglichst die Remission oder eine niedrige Krankheitsaktivität angestrebt werden. Je nach Komorbiditäten oder anderen relevanten Faktoren können Arzt und Patient jedoch auch weniger ehrgeizige Ziele vereinbaren. Für DMARD-naive Patienten mit früher oder etablierter RA und niedriger Krankheitsaktivität empfehlen die Experten eine DMARD-Monotherapie, vorzugsweise mit MTX.
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FORTBILDUNG
Empfehlungen für Patienten
mit etablierter RA
DMARD-naiv Frühe RA
Auch für DMARD-naive Patienten mit etablierter RA raten die Experten bei mittlerer oder hoher
Krankheitsaktivität eher zu einer DMARD-Mono-
Niedrige Krankheitsaktivität
Mässige bis hohe Krankheitsaktivität
therapie (vorzugsweise MTX) als zu einer DMARDKombination oder einem Beginn mit Tofacitinib (± MTX).
Bei Versagen der DMARD-Monotherapie (± Gluko-
DMARD Monotherapie
DMARD Monotherapie
kortikoid) empfehlen sie eine DMARD-Kombination. Alternativ kann der DMARD-Monotherapie
(MTX) ein TNFi oder ein Nicht-TNFi-Biologikum
Treat-to-target
Mässige bis hohe Krankheitsaktivität
oder Tofacitinib zugefügt werden (Abbildung 2). Leidet ein Patient, der kein DMARD erhält, trotz
einer TNFi-Monotherapie unter einer mittleren bis
Kombination traditioneller DMARD oder
TNFi ± MTX oder
Nicht-TNFi-Biologikum ± MTX
hohen Krankheitsaktivität, sollten dem TNFi ein DMARD (vorzugsweise MTX) oder zwei DMARD hinzugefügt werden. Bei Versagen eines TNFi ist ein Nicht-TNFi-Biologikum (± MTX) das Medikament der ersten Wahl
vor einem weiteren TNFi (± MTX) oder vor Tofa-
Mässige bis hohe Krankheitsaktivität
citinib (± MTX). Bei einem Fehlschlag mit einem Nicht-TNFi-Biologikum sollte eher zu einer ande-
ren Substanz dieser Medikamentenklasse (± MTX)
Siehe etablierte RA
als zu Tofacitinib (± MTX) gewechselt werden. Bleibt die Krankheitsaktivität trotz mindestens
eines TNFi (± MTX) und eines Nicht-TNFi-Biolo-
Grüner Kasten: starke Empfehlung
Krankheitsaktivität
gikums mässig bis hoch, wird ebenfalls zunächst ein anderes Nicht-TNFi-Biologikum (± MTX) und
Gelber Kasten: bedingte Empfehlung Algorithmuspfad für die meisten Patienten
Krankheitsstatus oder vorheriger Behandlungsstatus
erst bei unzureichendem Ansprechen Tofacitinib (± MTX) angewendet. Zur Begründung dieser Reihenfolge führen die Experten an, dass zur
Abbildung 1: Empfehlungen des ACR (American College of Rheumatology) zur Behandlung der frühen rheumatoiden Arthritis (RA; DMARD: disease-modifying antirheumatic drug, TNFi: Tumornekrosefaktor-Inhibitor, MTX: Methotrexat; nach Singh et al. 2015)
Medikamentenklasse der Nicht-TNFi-Biologika im Vergleich zu Tofacitinib eine bessere Datenbasis zur langfristigen Sicherheit vorliegt.
Bleibt die Krankheitsaktivität trotz DMARD, TNFi
Empfehlungen für Patienten mit früher RA
oder einem Nicht-TNFi-Biologikum mässig oder hoch, kann
Bei DMARD-naiven Patienten mit früher RA und mässiger bis das Schema kurzfristig (< 3 Monate) um ein niedrig dosiertes
hoher Krankheitsaktivität sollte ebenfalls mit einer DMARD- Glukokortikoid ergänzt werden. Bei aufflackernder Krank-
Monotherapie begonnen werden (Abbildung 1). Eine DMARD- heitsaktivität wird dem Schema ein Glukokortikoid in der
Zweifachtherapie ist nicht wesentlich wirksamer. Zudem ist die niedrigstmöglichen Dosis über den kürzestmöglichen Zeit-
Monotherapie besser verträglich als eine DMARD-Kombination. raum hinzugefügt.
Bleibt die Krankheitsaktivität trotz der DMARD-Mono- Bei Patienten in Remission können DMARD oder TNFi
therapie (± Glukokortikoid) mässig oder hoch, raten die Ex- oder Nicht-TNFi-Biologika oder Tofacitinib ausgeschlichen
perten zu einer DMARD-Kombination oder einem TNFi werden. Da während einer Remission jedoch ein Risiko für
oder einem Nicht-TNFi-Biologikum (alle Optionen ± MTX). ein Aufflackern der Krankheitsaktivität besteht, sollten
Biologika sollten zur Verbesserung der Wirksamkeit mög- nicht alle RA-Medikamente abgesetzt werden. Bei geringer
lichst immer mit MTX kombiniert werden.
Krankheitsaktivität empfehlen die Leitlinienexperten eine
Lässt sich die Krankheitsaktivität mit DMARD oder Bio- Fortsetzung der Therapie mit DMARD, TNFi, Nicht-TNFi-
logika nicht vermindern, kann dem Schema ein niedrig Biologika oder Tofacitinib. dosiertes Glukokortikoid (≤ 10 mg/Tag) hinzugefügt werden.
Niedrig dosierte Glukokortikoide können auch zur «Über- Empfehlungen für RA-Patienten mit Komorbiditäten
brückung» bis zum Einsetzen der Wirksamkeit von DMARD Für Patienten mit einer Herzinsuffizienz in den Stadien III
gegeben werden. Dabei ist zu beachten, dass für niedrig oder IV empfehlen die Experten eher eine DMARD-Kom-
dosierte Glukokortikoide keine Langzeiterfahrungen zur bination, ein Nicht-TNFi-Biologikum oder Tofacitinib als
Sicherheit vorliegen. Bei kurzfristiger Anwendung (< 3 Mo- einen TNFi. Verschlechtert sich die Herzinsuffizienz unter
nate) überwiegt der Nutzen jedoch die Risiken. Bei Auf- einem TNFi, raten die Experten vorzugsweise zu einem
flackern der Krankheitsaktivität wird dem Schema ein Wechsel zu einer DMARD-Kombination oder einem Nicht-
Glukokortikoid in der niedrigstmöglichen Dosis über den TNFi-Biologikum oder zu Tofacitinib. Ein anderes TNFi gilt
kürzestmöglichen Zeitraum hinzugefügt.
als Option der zweiten Wahl.
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Treat-to-target
DMARD-naiv Etablierte RA
Niedrige Krankheitsaktivität
Mässige bis hohe Krankheitsaktivität
DMARD Monotherapie
DMARD Monotherapie
Mässige bis hohe Krankheitsaktivität
Kombination traditioneller DMARD oder
TNFi ± MTX oder
Nicht-TNFi-Biologikum ± MTX oder
Tofacitinib ± MTX
Mässige bis hohe Krankheitsaktivität
1 TNFiFehlschlag
1 Nicht-TNFiBiologikumFehlschlag
Niedrige Krankheitsreaktiviät,
aber keine Remission: Fortsetzung der RA-Behandlung
Remission: RA-Medikamente
können ausgeschlichen
werden
Nicht alle RA-Medikamente sollten abgesetzt
werden
Nicht-TNFi-Biologikum ± MTX oder
TNFi ± MTX
Anderes Nicht-TNFi-Biologikum ± MTX
Mässige bis hohe Krankheitsaktivität
Mässige bis hohe Krankheitsaktivität
Dualer Fehlschlag: TNFi, NichtTNFi-Biologikum
Mehrfacher Fehlschlag:
TNFi
Mehrfacher Fehlschlag: Nicht-TNFiBiologikum
Anderes Nicht-TNFi-Biologikum ± MTX
oder Tofacitinib ± MTX
Mässige bis hohe Krankheitsaktivität
Nicht-TNFi-Biologikum ± MTX oder
Tofacitinib ± MTX
TNFi ± MTX (TNFi-naiv) oder
Tofacitinib ± MTX
Grüner Kasten: starke Empfehlung
Gelber Kasten: bedingte Empfehlung Algorithmuspfad für die meisten Patienten
Krankheitsaktivität
Krankheitsstatus oder vorheriger Behandlungsstatus
Abbildung 2: Empfehlungen des ACR (American College of Rheumatology) zur Behandlung der etablierten rheumatoiden Arthritis (RA; DMARD: disease modifying antirheumatic drug, TNFi: Tumornekrosefaktor-Inhibitor, MTX: Methotrexat; nach Singh et al. 2015)
Patienten mit Hepatitis B, die eine antivirale Therapie erhalten oder erhalten haben, sollten wie Patienten ohne Hepatitis B behandelt werden. Die gleiche Empfehlung gilt für Patienten mit Hepatitis C. Bei Hepatitis C ist ein DMARD die erste Wahl, ein TNFi die zweite Wahl. Als DMARD sollten für diese Patienten eher SSZ oder HCQ als MTX oder LEF in Betracht gezogen werden.
Für behandelte und unbehandelte Hautkrebspatienten (Melanome und Nichtmelanome) empfehlen die Experten vorzugsweise DMARD. Medikamente der zweiten Wahl sind Biologika oder Tofacitinib. Bei bereits behandelten Patienten mit lymphoproliferativen Erkrankungen ist Rituximab das «First line»-Medikament. Sonst sollten diese Patienten eher eine DMARD-Kombination oder Abatacept oder
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Tabelle:
Impfempfehlungen für Patienten mit rheumatoide Arthritis (RA) vor und während einer Behandlung mit DMARD oder mit Biologika
Totimpfstoffe
Pneumokokken1
Influenza
Hepatitis B
Rekombinante Abgeschwächte Impfstoffe Lebendimpfstoffe
Humane
Herpes zoster
Papillomaviren
DMARD-Monotherapie DMARD-Kombination TNFi-Biologika Nicht-TNFi-Biologika
Vor Behandlungsbeginn
DMARD-Monotherapie DMARD-Kombination TNFi-Biologika Nicht-TNFi-Biologika2
Während der Behandlung
nicht empfohlen nicht empfohlen
1 Die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) empfehlen für Personen mit chronischen Erkrankungen wie der RA eine
einmalige Revakzinierung nach 5 Jahren.
2 Nach der Rituximabtherapie ist ein vermindertes Ansprechen auf Totimpfstoffe möglich.
TNFi: Tumornekrosefaktor-Inhibitor; DMARD: disease modifying antirheumatic drugs
(nach Singh et al. 2015)
Tocilizumab erhalten als einen TNFi. Patienten mit soliden Organtumoren können wie Patienten ohne diese Erkrankung behandelt werden. Bei vorherigen schweren Infektionen sind DMARD-Kombinationen oder Abatacept einem TNFi vorzuziehen.
Impfempfehlungen für RA-Patienten Für RA-Patienten ab 50 Jahren empfehlen die Experten eine Impfung gegen Herpes zoster, bevor mit Biologika oder mit Tofacitinib begonnen wird. Bei Patienten, die bereits Biologika erhalten, raten die Experten von einer Impfung mit abgeschwächten Herpes-zoster-Viren ab und empfehlen stattdessen eine Impfung mit inaktivierten Vakzinen oder
Totimpfstoffen (Tabelle). Eine Hepatitis-B-Impfung wird
für Personen mit erhöhtem Infektionsrisiko, etwa bei intra-
venösem Drogenmissbrauch, vielen Sexualpartnern inner-
halb der letzten 6 Monate oder einer Beschäftigung im
Gesundheitswesen empfohlen.
O
Petra Stölting
Quelle: Singh JA et al.: 2015 American College of Rheumatolgy guideline for the treatment of rheumatoid arthritis. Arthritis & Rheumatol 2015, published online Nov 6, doi: 10.1002/art.39480.
Interessenkonflikte: Bei den Projektleitern lag ab einem Zeitpunkt von 12 Monaten vor Beginn und während der Leitlinienerstellung kein Interessenkonflikt vor. Bei mehr als 51 Prozent der Arbeitsgruppenmitglieder lag während des Projekts kein relevanter Interessenkonflikt vor.
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