Transkript
FORTBILDUNG
Komorbiditäten bei rheumatoider Arthritis, Psoriasis und Psoriasisarthritis
Evidenzbasierte Empfehlungen zum Patientenmanagement
Patienten mit rheumatoider Arthritis, Psoriasisarthritis
oder Psoriasis weisen zusätzlich ein erhöhtes Risiko für
diverse Begleiterkrankungen auf, die bisher nicht aus-
reichend Beachtung finden. Eine kanadische Experten-
gruppe hat kürzlich evidenzbasierte Empfehlungen für das
Management dieser Patienten veröffentlicht.
Journal of Rheumatology
Wer Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA), Psoriasisarthritis (PsA) oder Psoriasis betreut, sollte im Blick behalten, dass in dieser Patientengruppe Komorbiditäten wie kardiovaskuläre Erkrankungen, Osteoporose, Infektionen, Krebs und Depressionen vermehrt auftreten. Diese Begleiterkrankungen tragen zu einer erhöhten Frühmortalität bei und sie beeinflussen die Krankheitsaktivität sowie das Ansprechen auf Therapien. Nicht zuletzt verursachen Komorbiditäten Kosten. Hinzu kommt, dass Medikamente, die zur Behandlung der entzündlichen Grunderkrankung eingesetzt werden (krankheitsmodifizierende Antirheumatika [DMARDs], Tumornekrosefaktorinhibitoren [TNF-I], Kortikosteroide und nichtsteroidale Antirheumatika [NSAR]), die Wahrscheinlichkeit für Komorbiditäten entweder erhöhen oder aber senken können. Die «Canadian Dermatology-Rheumatology Comorbidity Initiative» erarbeitete vor kurzem nach einer intensiven Literaturrecherche praktische, evidenzbasierte Empfehlungen für das Management von Begleiterkrankungen bei erwachsenen Patienten mit RA, PsA oder Psoriasis. Dabei konzen-
MERKSÄTZE
O Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA), Psoriasis oder Psoriasisarthritis (PsA) ist ein integrierter Ansatz erforderlich, um Komorbiditäten zu erkennen, zu behandeln und möglichst zu verhindern.
O Ziel bei diesen Patienten ist einerseits die Kontrolle der Grunderkrankung und andererseits ein angemessenes Management der Komorbiditäten.
trierten sich die kanadischen Kollegen auf die im Folgenden dargestellten acht Hauptthemen.
Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen Menschen mit RA, PsA und Psoriasis haben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen. Dazu tragen die Grunderkrankungen selbst, aber auch traditionelle Risikofaktoren bei. Das Herzinfarktrisiko ist bei RA ähnlich hoch wie bei Diabetes mellitus. Dies sollten Ärzte und Patienten bedenken. Patienten mit RA, PsA und Psoriasis sollten auf traditionelle modifizierbare Risikofaktoren gescreent werden. Diese Risikofaktoren sollten angemessen behandelt werden, um das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen in dieser Patientengruppe zu reduzieren.
Rheumatherapie beeinflusst kardiovaskuläre Risiken Kortikosteroide sollten bei RA minimiert werden, insbesondere bei Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren. Bei Patienten mit RA oder PsA sollten Nutzen und Risiken einer Therapie mit NSAR sorgfältig gegeneinander abgewogen werden – vor allem bei Patienten, die zusätzliche kardiovaskuläre Risikofaktoren aufweisen. Methotrexat und/oder TNF-I können das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bei RA senken. Der Einsatz dieser Substanzen kann dazu beitragen, die Kortikosteroid- und NSARDosen insbesondere bei Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren zu reduzieren. Ärzte und Patienten sollten ebenfalls wissen, dass eine Therapie mit Methotrexat und/oder TNF-I das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen bei Psoriasis/PsA senken kann.
Rauchen Ein aktueller Raucherstatus ist mit einer erhöhten Prävalenz und/oder Inzidenz und möglicherweise mit einem negativen Effekt auf die Schwere der Erkrankung bei RA, PsA und Psoriasis assoziiert. Bei allen Patienten mit RA, PsA oder Psoriasis sollte der Raucherstatus erhoben und gegebenenfalls eine Raucherentwöhnung empfohlen werden.
Gewicht Der Schweregrad einer Psoriasis kann mit einem erhöhten BMI und Adipositas assoziiert sein, ebenso ein erhöhter BMI bei RA und Psoriasis mit einer gesteigerten Krankheitsaktivität. Ärzte sollten daran denken, dass ein höherer BMI bei RA, PsA und Psoriasis mit einem verminderten Ansprechen auf
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die Therapie assoziiert ist. Der Einsatz von TNF-I kann bei RA, PsA und Psoriasis mit einer leichten Gewichtszunahme verbunden sein, deren klinische Relevanz nicht bekannt ist. Obwohl die Effekte diätetischer Massnahmen auf die Krankheitsaktivität von RA, PsA und Psoriasis nach wie vor unklar sind, sollte bei allen Patienten mit RA, PsA und Psoriasis der BMI bestimmt werden und man sollte die Patienten motivieren, einen gesunden BMI anzustreben.
Infektionen Ärzte und Patienten sollten sich über das erhöhte Infektionsrisiko bei Einleitung systemischer Therapien (Biologika, DMARD, Kortikosteroide) im Klaren sein, insbesondere bei RA. Zu Beginn einer systemischen Therapie sollte darum das Infektionsrisiko bewertet werden (einschliesslich relevanter Komorbiditäten).
Tumoren und Tumorrezidive Vor Einleitung einer systemischen Therapie ist ein zusätzliches Krebsscreening, das über die Empfehlungen der nationalen Leitlinien gemäss Alter und Geschlecht hinausgeht, nicht erforderlich. Patienten mit einem erhöhten Hautkrebsrisiko benötigen unter Umständen eine besonders sorgfältige Überwachung. Es liegen keine suffizienten Daten zu Krebsrezidiven vor. Daher sollten Patienten mit einer früheren Krebserkrankung über das potenzielle Risiko für neu auftretende oder rezidivierende Neoplasien aufgeklärt werden, wenn sie aufgrund einer RA, PsA oder Psoriasis mit TNF-I oder einem DMARD behandelt werden.
Osteoporose Individuelle krankheitsspezifische Risikofaktoren und Marker für einen ausgeprägteren Schweregrad der Erkrankung bei RA, PsA oder Psoriasis scheinen nicht mit einem vermehrten Knochenverlust assoziiert zu sein. Um das Osteoporose- und Frakturrisiko einzuschätzen, sollten die üblichen standardisierten Methoden eingesetzt werden. Systemische Kortikosteroide wirken sich negativ auf die Knochendichte aus. Es sollten die üblichen Leitlinien zur Prävention und Therapie der Kortikosteroid-induzierten Osteoporose befolgt werden.
Depression
Man sollte bei Patienten mit RA, PsA oder Psoriasis vermehrt auf Symptome einer Depression achten. Die Patienten sollten auf entsprechende Symptome gescreent und angemessen behandelt werden. Ärzte, die Patienten mit RA, PsA oder Psoriasis betreuen, sollten wissen, dass depressive Symptome die Parameter der Krankheitsaktivität beeinflussen können und dass umgekehrt Krankheitssymptome einen Einfluss auf Depressionsscores nehmen können. Ist die Grunderkrankung unter Kontrolle, kann dies bei Patienten mit RA, PsA oder Psoriasis zu einer Reduktion der depressiven Symptomatik führen.
In Zukunft eher patientenzentrierte Therapie?
Diese praktischen, evidenzbasierten Empfehlungen basieren
einerseits auf einer umfangreichen Sichtung der Fachliteratur
und andererseits auf Expertenmeinung. Sie wurden mit der
Absicht entwickelt, das Management der häufigsten Begleit-
erkrankungen zu verbessern, die bei RA, PsA und Psoriasis
beobachtet werden. Bei der Betreuung der betroffenen Pa-
tienten sollte ein multidisziplinärer und integrierter Ansatz
gewählt werden.
Die Autoren gehen davon aus, dass sich das Management
von RA, PSA und Psoriasis in Zukunft eher patientenzen-
triert gestalten wird (während man sich bisher eher separat
auf die Gelenk- bzw. Hautmanifestationen konzentriert) und
dass für den patientenzentrierten Ansatz gemeinsame An-
strengungen eines Netzwerks aus Rheumatologen, Dermato-
logen und anderen Berufsgruppen notwendig sind.
O
Andrea Wülker
Quelle: Roubille C et al.: Evidence-based recommendations for the management of comorbidities in rheumatoid arthritis, psoriasis, and psoriatic arthritis: expert opinion of the Canadian Dermatology-Rheumatology Comorbidity Initiative. J Rheumatol; online first July 15th, 2015.
Interessenlage: Die Firma AbbVie sponserte ein Meeting zum Management von Komorbiditäten. Ein Teil der Leitlinienautoren hat zudem Beraterhonorare von AbbVie erhalten.
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