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STUDIE REFERIERT
Topische NSAR lindern Schmerzen effizient
Ein aktualisierter Cochrane-Review
Mit topischen, nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) kann bei Sport- oder Überlastungsverletzungen eine gute Schmerzlinderung erzielt werden. Die analgetische Effektivität der topischen Präparate ist vermutlich mit der oraler NSAR vergleichbar. Die Gelzubereitungen von Diclofenac, Ibuprofen oder Ketoprofen und einige Diclofenac-Pflaster sind mit der besten klinischen Wirksamkeit verbunden.
Cochrane Database of Systematic Reviews
Sportverletzungen wie eine Verstauchung oder eine Muskelzerrung gehen zwar innerhalb von zwei bis drei Wochen von selbst vorüber, können jedoch mit starken Schmerzen verbunden sein. Viele Betroffene bevorzugen in diesen Fällen topische Analgetika, weil sie die Schmerzen ohne systemische Nebenwirkungen lindern. Topische, nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) werden in Form von Gelen, Cremes, Sprays oder Pflastern an der schmerzenden Stelle aufgetragen. Die Wirkstoffe gelangen über die Haut in die betroffenen Gelenke oder Gewebe und hemmen dort die Schmerzentwicklung. Sheena Derry von der Universität Oxford (Grossbritannien) und ihre Arbeitsgruppe haben im Rahmen der Aktualisierung eines Cochrane-Reviews die Wirksamkeit und Sicherheit topischer NSAR bei der Behandlung akuter muskuloskelettaler Schmerzen aufgrund von Sport- und Überlastungsverletzungen bei Erwachsenen ab 16 Jahren untersucht. Dazu werteten sie randomisierte, kontrollierte, doppelblinde Stu-
MERKSÄTZE
O Topische NSAR lindern muskuloskelettale Schmerzen infolge von Sport- oder Überlastungsverletzungen ähnlich gut wie orale NSAR.
O Am wirksamsten sind Gelzubereitungen mit Diclofenac, Ibuprofen oder Ketoprofen und einige Diclofenac-Pflaster.
O Bei der Anwendung topischer NSAR besteht nur ein sehr geringes Risiko für systemische Nebenwirkungen.
dien mit mindestens zehn Teilnehmern in jedem Untersuchungsarm aus. Das besondere Interesse der Wissenschaftler galt dem Vergleich der Wirksamkeit verschiedener topischer Darreichungsformen eines NSAR. Zunächst ergänzten Sheena Derry und ihr Team die Datenbasis der letzten Fassung des Cochrane-Reviews aus dem Jahr 2010 um 14 neue Studien, die im Zeitraum bis Februar 2015 publiziert worden waren. Anschliessend analysierten sie insgesamt 61 Studien mit 8386 Teilnehmern. In den meisten Untersuchungen wurde ein topisches NSAR mit derselben Zubereitung ohne Wirkstoff (Plazebo) verglichen.
Effektive lokale Schmerzlinderung
Die analgetische Wirksamkeit von topischem NSAR und Plazebo wurde nach einer Behandlungsdauer von etwa sieben Tagen verglichen. Unter topischem Diclofenac, Ibuprofen, Ketoprofen, Piroxicam oder Indometacin hatten signifikant mehr Patienten eine Schmerzreduzierung um mindestens 50 Prozent erreicht als unter Plazebo. Nur bei Benzydamin wurde keine bessere Schmerzlinderung im Vergleich zu Plazebo beobachtet. Für drei Wirkstoffdarreichungskombinationen errechneten die Autoren eine NNT (number needed to treat) von weniger als 4. Unter den Darreichungsformen von Diclofenac war die Gelzubereitung Emulgel® in zwei Studien mit dem Endpunkt «Schmerzreduzierung um mindestens 50 Prozent» mit der niedrigsten NNT von 1,8 (95% Konfidenzintervall [KI]: 1,5–2,1) verbunden. Die Diclofenac-Pflaster (mit Ausnahme von Flector®) wiesen eine ebenfalls
niedrige NNT von 3,2 (2,6–4,2) auf. Bei der Applikation von KetoprofenGel wurde in fünf Studien aus den Achtzigerjahren eine NNT von 2,5 (2,0–3,4) ermittelt. Für Ibuprofen-Gel berechneten Wissenschaftler in zwei Studien mit dem Endpunkt «deutliche Verbesserung oder vollständige Remission» eine NNT von 3,9 (2,7–6,7). Alle anderen Wirkstoffdarreichungskombinationen waren mit NNT-Werten über 4 verbunden und somit weniger wirksam. Da sowohl die wirkstoffhaltigen Zubereitungen als auch die Plazeboversionen in die Haut einmassiert wurden, gehen die Autoren davon aus, dass der schmerzstillende Effekt der topischen NSAR nicht nur durch die Hautmassage zustande kam.
Wenige lokale Nebenwirkungen
In wenigen Fällen wurden leichte vorübergehende lokale Nebenwirkungen beobachtet. Bei etwa einer von 20 Personen kam es im Applikationsbereich zu Hautirritationen. Unterschiede zwischen NSAR und Plazebo wurden nicht festgestellt. Systemische Nebenwirkungen wie Magenbeschwerden und Übelkeit oder Abbrüche aufgrund unerwünschter Wirkungen wurden nur selten beobachtet. Auch hier gab es keinen Unterschied zwischen NSAR und Plazebo.
Formulierung beeinflusst Analgesie
Der aktualisierte Review bestätigte zum einen die Ergebnisse der älteren Fassung: Topische NSAR können akute muskuloskelettale Schmerzen wirksam und vermutlich ähnlich gut wie orale NSAR lindern. Des Weiteren gelangten die Wissenschaftler zu dem neuen Ergebnis, dass bestimmte Wirkstoffformulierungen – vor allem die Gelzubereitungen von Diclofenac, Ibuprofen und Ketoprofen – mit den besten Ergebnissen verbunden sind. Abschliessend weisen die Autoren darauf hin, dass die Datenlage nicht ausreichte, um einen Vergleich der topischen NSAR untereinander oder eines topischen NSAR mit der entsprechenden oralen Darreichungsform vorzunehmen. O
Petra Stölting
Derry S et al.: Topical NSAIDs for acute musculoskeletal pain in adults. Cochrane Database Syst Rev 2015; 6: CD007402.
Interessenlage: Die Studienautoren deklarieren keine Interessenkonflikte.
ARS MEDICI 19 I 2015
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