Transkript
FORTBILDUNG
Schaum, Stahl oder Laserlicht
Vorgehen bei einer adipösen Patientin mit symptomatischer Varikositas
Die endovenöse Laserablation stellt nicht nur eine bezüglich der Prognose gleichwertige Alternative zur klassischen Varizenchirurgie dar, sondern ist ihr in vielen klinischen Situation gar überlegen. Der langfristige Erfolg entspricht desjenigen der Chirurgie bei weniger Komplikationen. Das bestätigt eine aktuelle Studie, die im «New England Journal of Medicine» veröffentlicht wurde. Die endovenöse thermale Ablation ist in vielen Ländern von den jeweiligen Fachgesellschaften als die Varizentherapie erster Wahl empfohlen. Anhand eines Falles zeigen wir einige Vorteile der endovenösen Behandlungsmethoden gegenüber der Varizenoperation und der Sklerotherapie bei symptomatischer Varikose auf.
Jennifer Fahrni, Hong H. Keo
Eine zum Zeitpunkt der Behandlung 45-jährige Patientin mit ausgeprägter Adipositas (BMI 39,3 kg/m2) wurde mit symptomatischer Varikose im Stadium C3EPASPR links nach CEAP-Klassifikation zugewiesen. Oft kam es zu ziehenden Schmerzen entlang der Innenseite des Ober- und Unterschenkels. Zusätzlich traten Unterschenkelödeme auf, vor allem am Abend und nach längerem Stehen. Die Beschwerden bestanden schon seit einigen Jahren und hatten im Laufe der Jahre eher zugenommen. Kompressionsstrümpfe wurden unregelmässig getragen und werden von der Patientin nicht gut toleriert. In der digitalen Fotoplethysmografie liess sich eine deutlich herabgesetzte venöse Abpumpfunktion mit massiver Verkür-
MERKSÄTZE
Endovenöse thermale Ablation mit Laser oder Radiofrequenz:
O ambulantes Verfahren mit gleich guten Langzeitresultaten wie bei der klassischen Varizenchirurgie
O geringere Komplikationsraten im Vergleich zur Chirurgie
O gut geeignet bei Risikopatienten mit Adipositas, Lip- oder Lymphödemen
O Nicht alle Stammvarizen eignen sich für die endovenöse Ablation; hier bleibt die Varizenchirurgie eine wichtige Behandlungsoption.
zung sowohl der venösen Halbwertszeit th als auch der venösen Auffüllzeit t0 beidseits als Ausdruck des venösen Refluxes bei Klappeninsuffizienz nachweisen (Abbildung 1). Duplexsonografisch zeigte sich links eine Insuffizienz der Vena saphena magna von der Crosse bis zum proximalen Unterschenkel, einer kompletten Stammvarikose Hach III entsprechend. Rechtsseitig fand sich eine Stammvarikose der V. saphena magna von der Crosse bis distal Hach IV mit ab Mitte Oberschenkel extrafaszialem oberflächlichem Verlauf mit postphlebitischen Veränderun- Abbildung 1: Die digitale gen und Septenbildungen mit Fotoplethysmografie zeigt insuffizienter V. arcuata poste- eine deutlich herabgesetzte rior. Aufgrund einer idiopa- venöse Auffüllzeit. thischen Lungenembolie zwei Jahre zuvor stand die Patientin unter oraler Antikoagulation mit Rivaroxaban. Klinisch fanden sich neben dem Phlebödem auch Zeichen eines Lipödems und eines geringgradigen Lymphödems (Abbildung 2). Bei symptomatischer Varikose mit Nachweis eines pathologischen Refluxes war die Indikation zur Therapie gegeben. Um eine Wundheilungsstörung beziehungsweise -infektion zu vermeiden, wie sie bei massiver Adipositas insbesondere in der Leiste beobachtet werden kann, und um allfällige Schädigungen des lymphatischen Systems möglichst gering zu halten, wurde der Patientin die endovenöse Lasertherapie (EVLT) links vorgeschlagen. Rechts wurde aufgrund von postphlebitischen Veränderungen der V. saphena magna eine Sklerotherapie empfohlen. Eine Schaumsklerosierung der linken Stammvarikose als primäre Therapie ist zwar gut möglich, jedoch verglichen zur Lasertherapie oder Varizenoperation mit einer hohen Rezidivrate verbunden. Insbesondere bei grosskalibrigen Varizen wie dies bei unserer Patientin der Fall ist, ist die endovenöse Therapie oder die Varizenoperation zu bevorzugen. Die EVLT ist für einen Grossteil der Stammvarikosen grundsätzlich anwendbar. Schwierig gestaltet sich die Ablation bei stark geschlängeltem Verlauf der Venen, da dies ein Vorschieben der Lasersonde verunmöglicht, und bei sehr
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FORTBILDUNG
Endovenöse Lasertherapie (EVLT) und Radiofrequenzablation (RFA) bei Varizen
Die zu behandelnde insuffizente Vene wird – in der Regel von distal – nach Lokalanasthäsie ultraschallgesteuert punktiert. Danach wird perkutan die Laser- oder Radiofrequenzsonde vorgeschoben und unter sonografischer Kontrolle am proximalsten zu verödenden Punkt plaziert. Nach Einbringen einer Tumeszenzanästhesie wird der Laser aktiviert und die Hitze durch langsames Zurückziehen der Sonde entlang der varikösen Vene appliziert. Der Verschluss des Gefässes lässt sich unmittelbar nach dem Eingriff sonografisch verifizieren. Am Schluss der Behandlung wird eine Kompression angebracht, welche während einiger Tage beibehalten wird. Die endovenösen Verfahren erreichen vergleichbare Verschlussraten im Vergleich zur klassischen Varizenchirurgie bei geringerer Komplikationsrate. Diese bestehen v.a. in Hämatomen, Schmerzen, passagerer Sensibilitätsstörung, Phlebitiden und sehr selten tiefen Beinvenenthrombosen oder Lungenembolien.
therapie unter oraler Antikoagulation ist gleich gut wie bei
Patienten ohne Antikoagulation.
Der Eingriff wurde von der Patientin problemlos toleriert.
Postinterventionell verschreiben wir bei Patienten, welche
nicht antikoaguliert sind, in der Regel eine prophylaktische
Antikoagulation (e.g. Rivaroxaban 10 mg 1× täglich) für
3 Tage. Die Kompressionstherapie mit oberschenkellangen
Kompressionsstrümpfen der Klasse II wurde nach dem Ein-
griff für eine Woche tagsüber angelegt. Eine randomisierte
Studie, welche die Wirksamkeit der Kompression nach endo-
venösen Eingriffen untersuchte, konnte nach 7 Tagen eine
signifikante Reduktion der Schmerzen, des Hämatoms und
des Analgetikakonsums in der Kompressionsgruppe vergli-
chen zur Gruppe ohne Kompression aufzeigen. Analgetika
waren bei unserer Patientin nur für einen Tag notwendig.
In der postinterventionellen Kontrolle einen Monat nach
EVLT war die behandelte Varize wunschgemäss bis an die
Crosse obliteriert und die Patientin am behandelten linken
Bein nahezu beschwerdefrei. Komplikationen, wie Sensibili-
tätsstörungen oder Infektion an der Punktionsstelle, traten
keine auf. Das Lipolymphödem hatte sich nach dem Eingriff
nicht verschlechtert. Im Verlauf, nach Besserung der venösen
Hämodynamik, ist sogar mit einer Verbesserung des sekun-
där gestörten Lymphabflusses zu rechnen.
Bei Lip- und Lymphödem ist grundsätzlich eine Kompressions-
therapie indiziert. Eine solche gestaltete sich hier allerdings
schwierig wegen der Compliance, wie dies häufig bei adipö-
sen Patienten vorkommt. Aufgrund der verbesserten venösen
Hämodynamik erhoffen wir uns allerdings eine Besserung
des sekundären Lymphödems. Nichtsdestotrotz ist initial
eine regelmässige Kontrolle beim Hausarzt sinnvoll.
O
Abbildung 2: Phleb-, Lip- sowie geringgradiges Lymphödem.
Abbildung 3: Die Laserablation erfordert nur eine kleine Punktion an gut komprimierbarer Stelle.
oberflächlich gelegenen Venen, da hier die Tumeszenz nicht ideal um die Venen platziert werden kann und die Gefahr einer thermischen Schädigung der Haut besteht. Letztere Schwierigkeit ist bei stark übergewichtigen Patienten naturgemäss nicht häufig anzutreffen. Die endovenöse Ablation eignet sich ideal zur Behandlung der Stammvarikose. Astvarizen, welche durch diese gespeist werden, bilden sich allerdings nach EVLT oft so weit zurück, dass sie nicht separat behandelt werden müssen. Bleiben therapiebedüftige Restbefunde, können diese in einem zweiten Schritt mittels Sklerotherapie oder Miniphlebektomien ambulant behandelt werden. Auch kann die EVLT mit der Miniphlebektomie in einem Eingriff kombiniert werden. Bei unserer Patientin wurde die Laserablation unter therapeutischer oraler Antikoagulation durchgeführt, was bei der nur kleinen Punktion an gut komprimierbarer Stelle in der Regel komplikationslos möglich ist (Abbildung 3). Die Verschlussrate der Stammvarikose nach endovenöser Laser-
Dr. med. et MSc. Hong H. Keo Leitender Arzt Angiologie/Phlebologie Kantonsspital Aarau Facharzt FMH für Angiologie und Allgemeine Innere Medizin Master of Science in Clinical Research University of Minnesota, USA E-Mail: hakhong.keo@ksa.ch Internet: www.gefaessmedizin.ch
Dr. med. Jennifer Fahrni Oberärztin Angiologie, Kantonsspital Aarau Facharzt FMH für Angiologie und Allgemeine Innere Medizin E-Mail: Jennifer.fahrni@ksa.ch Internet: www.gefaessmedizin.ch
Interessenskonflikte: keine
Alle Fotos/Abbildungen: Keo
Weiterführende Literatur: 1. Brittenden J et al.: A randomized trial comparing treatments for varicose veins. N Engl
J Med 2014; 371: 1218–1227. 2. Rasmussen L et al.: Randomized clinical trial comparing endovenous laser ablation
and stripping of the great saphenous vein with clinical and duplex outcome after 5 years. J Vasc Surg 2013; 58: 421–426. 3. Nice Guidelines 2013. Available at http://guidance.nice.org.uk/CG168/NICEGuidance/ pdf/English. 4. Wagner S. Lymphedema and lipedema – an overview of conservative treatment. Vasa 2011; 40: 271–279.
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