Transkript
FORTBILDUNG
Thrombophlebitis nicht unterschätzen!
Bei oberflächlichen Venenentzündungen ist Vorsicht geboten
Die Gefahr einer Thrombophlebitis, einer oberflächlichen
Entzündung der Venen, wird immer noch unterschätzt. Mal
ist sie nur eine lokal begrenzte Entzündung und verschwin-
det so, wie sie aufgetreten ist, mal wird sie von einer tiefen
Beinvenenthrombose begleitet und ist damit potenziell
lebensbedrohlich. Solange wir nicht das Gegenteil bewei-
sen können, sollten wir immer von einer bedrohlichen
Erkrankung ausgehen.
René Holzheimer
Im Allgemeinen fällt bei der Thrombophlebitis ein derber, schmerzhafter, geröteter und erwärmter Strang auf, meist liegt eine varikös veränderte Vene zugrunde (Abbildung 1). Die Vena saphena magna ist häufiger betroffen als die Vena saphena parva und diese häufiger als isolierte Venenseitenäste. Die Thrombusausdehnung wird bei der klinischen Untersuchung oft unterschätzt (Abbildung 2). Erst seit Einführung der Farbduplexsonografie ist es möglich, bei einer Thrombophlebitis die Ausdehnung der Entzündung, einen frei flottierenden Thrombus sowie einen Reflux oder eine Stase zu erkennen. Die Ursachen der Thrombophlebitis ähneln denen der tiefen Beinvenenthrombose (TVT). Stase, Reflux, Krampfadern, Bettruhe, Gefässverletzungen, Schwangerschaft und Geburt, Hormonbehandlung, frühere Thrombosen und vor allem orthopädische Operationen an Knie und Hüfte begünstigen das Auftreten der Thrombophlebitis (10, 11, 22). Venenentzündungen treten zudem bei bestimmten Erkrankungen wie M. Behcet, M. Buerger und Mondor-Erkrankungen auf. Zudem können Infusionen und Infektionen Venenentzündungen verursachen (27).
MERKSÄTZE
Lokalisationen und Vorkommen
Die oberflächliche Venenentzündung wird in vorher nicht veränderten Venen (Thrombophlebitis) und in varikös veränderten Venen (Varikophlebitis) beobachtet. Eine Sonderform der Varikophlebitis ist die aszendierende Varikophlebitis (Abbildung 3 und 4) der Vena saphena magna/parva. Dabei kann die Entzündung respektive der Thrombus noch nicht die Mündungsklappe erreicht haben (Stadium I), die Mündungsklappe erreicht haben (Stadium II), die tiefen Venen erreicht haben (Stadium III) beziehungsweise über insuffiziente Perforansvenen bis in das tiefe Venensystem reichen (Stadium IV) (33). Rezidive der Thrombophlebitis treten häufiger bei Gerinnungsdefekten (Protein S, Faktor VIII u. a.) auf (6, 13, 14, 28). Es gibt jahreszeitliche Schwankungen beim Vorkommen der Thrombophlebitis – im Sommer hat sie Hochkonjunktur. Bei 8,6 bis 24 Prozent der Patienten besteht eine von aussen nicht erkennbare TVT, davon können bis zu 28 Prozent der Betroffenen an einer Lungenembolie erkranken (22, 30). Patienten mit einer Erstmanifestation einer Thrombophlebitis und einer Thromboembolie erkranken leichter erneut (28). Ausgangspunkt ist oft die Vena saphena magna (32), die Thrombophlebitis erscheint seltener in nicht varikös veränderten Venen (15). Patienten mit Krampfadern sollten vor laparoskopischen beziehungsweise orthopädischen Operationen an Knie und Hüfte vor dem Eingriff untersucht werden. Laparoskopische Operationen mit erhöhtem Druck im Bauchraum und spezieller Lagerung können Ursache aufsteigender Thrombophlebitiden sein (16). Schliesslich sind die Differenzialdiagnosen zu beachten (26, 27): O Tropenerkrankung (Filariasis) O Drogenmissbrauch O Erysipel O Erythema nodosum O Zellulitis O Lymphangitis O Sarkoidose O kutane Polyarthritis nodosa O Pseudothrombophlebitis bei HIV.
O Meist liegt der Thrombophlebitis eine varikös veränderte Vene zugrunde.
O Bei bis zu 24 Prozent der Thrombophlebitispatienten besteht eine von aussen nicht erkennbare tiefe Beinvenenthrombose.
Diagnostik
Anamnese und klinische Befunderhebung gehen Hand in Hand. Laboruntersuchungen wie Blutbild, Gerinnungsstatus und gegebenenfalls D-Dimer-Test sind Standard. Farbduplexsonografie (Reflux, Stase) und Kompressionssonografie sind führend in der Diagnostik und wichtig für die Entscheidung, welche Therapie erfolgen soll. Die Phlebografie
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Fotos: René Holzheimer
sollte nur bei speziellen Fragestellungen erfolgen (5, 18, 24, 25). Die Thrombophlebitis oberhalb des Knies und/oder nach operativen Eingriffen muss besonders engmaschig überwacht werden (TVT, aszendierende Thrombophlebitis) (29).
Abbildung 1: Thrombophlebitis der Vena saphena magna am Knie
Therapie
Die Behandlung der oberflächlichen Venenentzündung wird meist symptomatisch, also mit antientzündlichen Substanzen und Schmerztherapie, durchgeführt. Früher musste man das Bett hüten, heute ist bei Kompression Bewegung angesagt, allerdings keine sportliche Belastung (4, 7).
Abbildung 2: Langstreckiger Thrombus der Vena saphena magna
Abbildung 3 und 4: Aszendierende Thrombophlebitis der Vena saphena magna mit Befall der Krosse
Dabei kommen flottierende Thromben bei 11 Prozent der operierten Patienten vor, ein Thrombus in der Mündung der Vena saphena magna bei 33 Prozent und in der Mündung der Vena saphena parva bei 43 Prozent (20). Eine Lungenembolie nach Venenoperationen ist dennoch selten (17). Zu beachten ist, dass die TVT sowohl auf der Seite der Thrombophlebitis als auch im nicht betroffenen Bein auftreten kann (2). Die Lokalisation der Thrombophlebitis (Oberschenkel, Krossenmündung) spielt eine entscheidende Rolle für die Art der Therapie. Stadium I und IV der aszendierenden Varikophlebitis können zunächst konservativ behandelt werden, bei Stadium II und III sollte auch an eine dringliche Operation beziehungsweise Notfalloperation gedacht werden (33). Die Thrombophlebitis im Mündungsbereich der Vena saphena beziehungsweise im Oberschenkel sollte immer auch mit NMH behandelt werden (19). Thromboembolische Komplikationen, auch bei operativen Eingriffen, können so verhindert werden (1, 8, 31, 32). Ein Varixknoten lässt sich gut in Lokalanästhesie mit einer Inzision und Exprimieren des Thrombus behandeln (Abbildung 5). Da die Thrombophlebitis bei Krampfadern erneut auftreten kann, sollte die Entfernung der Ursache (Krampfadern) je nach Befund empfohlen werden (23) (Abbildung 6). Die Frage, wie lange man bei bestehender Thrombose beziehungsweise frei flottierendem Thrombus behandeln soll, ist nicht völlig entschieden. Auch eine Therapieverlängerung kann Risiken umfassen. Je nach Befund (Seitenast) und Zustand des Patienten kann eine Therapie mit NMH allein versucht werden. Die Antibiotikagabe wird nur bei eitriger Thrombophlebitis beziehungsweise Lymphangitis empfohlen (7, 11, 12). Die besonderen Erkrankungsformen der Thrombophlebitis wie zum Beispiel die Mondor-Thrombophlebitis, eine Entzündung der oberflächlichen Venen der Brust nach Trauma, Anstrengung, Operation und selten Tumor, erfahren je nach Befund meist eine symptomatische Behandlung (9). Die Thrombophlebitis der oberen Extremitäten, meist durch Braunülen oder Drogenabusus verursacht, wird bei Infektion mit Antibiotika und gegebenenfalls Wundsanierung beherrscht. Durch tägliche Pflege der Einstichstelle (Braunüle) lassen sich Entzündungen vermeiden (21).
Abbildung 5: Thrombosierter Varixknoten
Abbildung 6: Präparat der Vena saphena magna
Die Kompressionsstrümpfe wirken schmerzlindernd und prophylaktisch gegen die TVT (8). Die Behandlung mit lokalen Externa wird kritisch gesehen (3). Die entscheidenden Therapiemodalitäten sind die Operation mit Entfernung der Ursache (Krampfader) beziehungsweise die Behandlung mit nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) und niedermolekularen Heparinen (NMH).
Fazit Die Thrombophlebitis ist wie ein Chamäleon – sie zeigt sich uns in unterschiedlichen Farben. Wenn sie von einer TVT begleitet wird, kann sie lebensbedrohlich werden. Die Untersuchung erfolgt mit Farbduplexsonografie – bei Bedarf engmaschig! Behandelt wird je nach Lokalisation und Ausdehnung konservativ mit Kompression, antientzündlichen und antithrombotischen Substanzen sowie chirurgisch. O
Prof. Dr. med. René Holzheimer Facharzt für Chirurgie – Sportmedizin Praxisklinik Sauerlach, D-82054 Sauerlach
Interessenkonflikte: keine deklariert.
Literatur unter www.arsmedici.ch
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 19/2014. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.
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