Transkript
STUDIE REFERIERT
Stroke – Folsäure zur Prävention
schliessend randomisiert Enalapril (10 mg/ Tag) als Monotherapie oder Enalapril (10 mg/Tag) in Kombination mit Folsäure (0,8 mg/Tag).
In einer chinesischen Studie reduzierte die Kombination Enalapril/Folsäure im Vergleich zur Enalaprilmonotherapie bei erwachsenen Hypertonikern signifikant das Risiko für einen ersten Schlaganfall. Personen mit ernährungs- oder genetisch bedingtem Folsäuremangel profitierten am meisten.
JAMA
Der Schlaganfall ist die häufigste Todesursache in China und die zweithäufigste in der ganzen Welt. Die Primärprävention ist von besonderer Bedeutung, da es sich bei 77 Prozent aller Schlaganfälle um ein erstes Ereignis handelt. Bluthochdruck gilt als Hauptrisikofaktor für einen Schlaganfall. Da Folsäure die Konzentration an Homozystein – einem weiteren kardiovaskulären Risikofaktor – senkt, könnte ein Folsäuremangel das Schlaganfallrisiko ebenfalls beeinflussen (1). Die Wirksamkeit einer präventiven Applikation von Folsäure wird aufgrund unterschiedlicher Studienergebnisse kontrovers diskutiert. Die meisten Untersuchungen dazu wurden in Ländern mit guter Folsäureversorgung durchgeführt, sodass der Nutzen einer Substitution hier möglicherweise nicht
MERKSÄTZE
O In der Studie CSPPT zeigte sich ein Zusammenhang zwischen dem Folsäurespiegel im Serum und dem Schlaganfallrisiko.
O Bei den Teilnehmern mit den niedrigsten Folsäurespiegeln wurde das Schlaganfallrisiko mit Enalapril/Folsäure am ausgeprägtesten gesenkt.
O Folsäuremangel kann durch eine unzureichende Aufnahme des Vitamins mit der Nahrung verursacht werden.
O Bei manchen Personen liegt ein genetisch bedingter Mangel an Folsäure vor.
erkennbar ist. In China könnten die Ergebnisse jedoch aufgrund eines weitverbreiteten ernährungsbedingten Folsäuremangels anders ausfallen. Bei manchen Personen liegt auch ein genetisch bedingter Folsäuremangel vor. Methylentetrahydrofolatreduktase (MTHFR) ist das wichtigste regulatorische Enzym im Folsäurestoffwechsel. Ein Polymorphismus (CC, CT, TT) des MTHFR-C667T-Gens bewirkt eine herabgesetzte Enzymaktivität, die wiederum zu verminderten Folsäurespiegeln im Serum führt. Personen mit dem Genotyp TT sind besonders stark von der verminderten Enzymaktivität betroffen. In der randomisierten, doppelblinden klinischen Studie China Stroke Primary Prevention Trial (CSPPT) überprüften Yong Huo vom Department of Cardiology, Peking University First Hospital (China), und seine Arbeitsgruppe die Hypothese, dass eine Kombination des Blutdrucksenkers Enalapril (Reniten® und Generika) mit Folsäure (z.B. Andreafol®, Drossafol®, Fertifol®) zur Prävention eines ersten Schlaganfalls bei erwachsenen Hypertonikern in China wirksamer ist als eine Monotherapie mit Enalapril. Im Zeitraum von Mai 2008 bis August 2013 wurden 20 702 erwachsene Bluthochdruckpatienten mit einem durchschnittlichen Alter von 60 Jahren (Standardabweichung [SD]: 7,5 Jahre) ohne vorherigen Schlaganfall oder Herzinfarkt in die Studie eingeschlossen. Die Patienten wurden zunächst in die MTHFR-C677T-Genotypen CC, CT und TT stratifiziert und erhielten an-
Ergebnisse
Der MTHFR-C677T-Genotyp CC wurde bei 27,3 Prozent, die Variante CT bei 49,2 Prozent und der Genotyp TT bei 23,5 Prozent der Teilnehmer nachgewiesen. Die Werte des durchschnittlichen systolischen und diastolischen Blutdrucks waren zu Beginn und während der Studie in beiden Gruppen und bei allen MTHFR-C677T-Genotypen mit etwa 140/83 mmHg vergleichbar. Während einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 4,5 Jahren erlitten 3,4 Prozent der Teilnehmer unter der Enalapril-Monotherapie einen ersten Schlaganfall, in der mit Enalapril/Folsäure behandelten Gruppe jedoch nur 2,7 Prozent. Somit wurde eine signifikante Reduzierung der Schlaganfallrate um 21 Prozent erreicht (Hazard Ratio [HR]: 0,79; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,68–0,93). Eine Klassifizierung der Schlaganfälle ergab, dass die präventive Wirkung vor allem auf eine signifikante Reduzierung der ischämischen Schlaganfälle zurückzuführen war. In der mit Enalapril/ Folsäure behandelten Gruppe erlitten 2,2 Prozent der Patienten, unter Enalapril allein 2,8 Prozent der Teilnehmer einen ischämischen Schlaganfall (HR: 0,76; 95%-KI: 0,64–0,91). Das Risiko für einen ischämischen Schlaganfall wurde mit der zusätzlichen Folatsubstitution somit um 24 Prozent reduziert. Auch im Hinblick auf kombinierte kardiovaskuläre Ereignisse (kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall) wurde ein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen beobachtet. Unter Enalapril/Folsäure erlitten 3,1 Prozent der Teilnehmer ein kardiovaskuläres Ereignis, unter der Enalapril-Monotherapie waren es 3,9 Prozent (HR: 0,80; 95%-KI: 0,69–0,92). Die Risiken für einen hämorrhagischen Schlaganfall (HR: 0,93; 95%-KI: 0,65– 1,34), für einen Herzinfarkt (HR: 1,04; 95%-KI: 0,60–1,82) und für die Gesamtmortalität (HR: 0,94; 95%-KI: 0,81–1,10) unterschieden sich dagegen nicht signifikant zwischen den Behandlungsgruppen. Bei Studienbeginn ermittelten die Forscher den Folsäurespiegel und das
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Schlaganfallrisiko der Patienten mit den unterschiedlichen MTHFR-C667T-Genotypen. Bei Teilnehmern mit dem Genotyp CC bestand eine inverse Verbindung zwischen dem Folsäurespiegel und dem Schlaganfallrisiko. Bei Patienten mit dem Genotyp CT ermittelten die Forscher einen ähnlichen, aber weniger ausgeprägten Zusammenhang. Im Gegensatz dazu lag bei allen Teilnehmern mit dem Genotyp TT ungeachtet ihrer Folsäurespiegel ein erhöhtes Schlaganfallrisiko vor. Bei Patienten mit dem MTHFR-C667T-Genotyp CC reduzierte die Kombination Enalapril/ Folsäure bei unterdurchschnittlichen Folsäurespiegeln signifikant das Schlaganfallrisiko. Ein ähnlicher Trend wurde – weniger ausgeprägt – bei Patienten mit dem Genotyp CT beobachtet. Beim Genotyp TT wurde der präventive Effekt der Folsäure dagegen vor allem bei den Patienten mit den höchsten Folsäurewerten beobachtet (1).
Diskussion
Die Auswertung der Studiendaten ergab, dass die Kombination Enalapril/ Folsäure das Risiko für einen ersten Schlaganfall im Vergleich zur Monotherapie mit Enalapril bei erwachsenen Hypertonikern in China signifikant reduziert. Ein Abgleich für kardiovaskulär bedeutsame Co-Variablen wie Homozystein veränderte die Ergebnisse nicht wesentlich (1). Aus der Studie geht hervor, dass der individuelle Folsäurespiegel einen wichtigen Faktor im Hinblick auf die Wirksamkeit einer Folsäuresubstitution zur Schlaganfallprävention darstellt. In der chinesischen Bevölkerung werden be-
trächtliche ernährungsbedingte Unterschiede der Folsäurespiegel beobachtet – und in der Studie zeigte sich deutlich, dass Personen mit niedrigeren Spiegeln von der Substitution besonders profitierten. Die Autoren halten es deshalb auch für plausibel, dass in Ländern mit guter Folsäureversorgung oft kein Nutzen einer Substitution beobachtet wurde. Als Pluspunkt ihrer Studie erachten die Autoren, dass nur wenige Teilnehmer gleichzeitig Lipidsenker und/oder Antikoagulanzien einnahmen. Daher wurden die Studienergebnisse nur geringfügig durch die Wirkungen dieser Medikamente oder durch Wechselwirkungen beeinflusst (1).
Kommentar
Meir Stampfer vom Brigham and Womens’ Hospital in Boston (USA) und Walter Willet von der Harvard Medical School in Boston weisen im Editorial darauf hin, dass die Studie CSPPT nach 41/2 Jahren aufgrund der signifikanten Reduzierung der Inzidenz des ersten Schlaganfalls – des primären Endpunkts – vorzeitig beendet wurde (2). Trotz dieser positiven Ergebnisse könnte ihrer Meinung nach der wahre Nutzen einer Folsäuresubstitution aus verschiedenen Gründen sogar noch unterschätzt sein. Dazu gehört auch eine unzureichende Compliance. Nur etwa 69 Prozent der Studienpatienten nahmen mindestens 70 Prozent der verordneten Tabletten ein. Des Weiteren gab es Hinweise darauf, dass der vollständige präventive Nutzen ohne den Studienabbruch erst einige Zeit später erkennbar gewesen wäre.
Da die Wirksamkeit der Folsäuresub-
stitution eng mit den individuellen Fol-
säurespiegeln zusammenhängt, können
die Ergebnisse der chinesischen Studie
nicht ohne Weiteres auf andere Länder
übertragen werden. In den USA und in
Kanada ist die Bevölkerung aufgrund
der Folsäureanreicherung von Ge-
treideprodukten ausreichend versorgt.
Hier könnten lediglich Personen mit
dem MTHFR-C677T-Genotyp TT von
einer Substitution profitieren.
Nach Ansicht der Kommentatoren sind
die Studienergebnisse mit weitreichen-
den Implikationen für die Schlaganfall-
prävention weltweit verbunden. An der
Studie CSPPT nahmen nur Hypertoni-
ker teil. Wahrscheinlich gelten die Er-
gebnisse jedoch auch für Personen mit
normalem Blutdruck, obwohl der Ef-
fekt hier sicherlich weniger ausgeprägt
wäre. Zudem stützen die Ergebnisse
ihrer Meinung nach eine Folsäureanrei-
cherung von Grundnahrungsmitteln in
Ländern, in denen es vielen Menschen
nicht möglich ist, ausreichende Men-
gen des Vitamins über grüne Gemüse,
Früchte, Nüsse, Bohnen oder Erbsen
aufzunehmen (2).
O
Petra Stölting
Quellen: 1. Huo J et al.: Efficacy of folic acid therapy in primary
prevention of stroke among adults with hypertension in China: the CSPPT randomized clinical trial. JAMA 2015; 313(13): 1325–1335. 2. Stampfer M, Willet W: Folate supplements for stroke prevention: targeted trial trumps the rest. JAMA 2015; 313(13): 1321–1322.
Interessenkonflikte: 1. Die Studie wurde von Shenzhen AUSA Pharmed Co. Ltd.
und von wissenschaftlichen Institutionen in China finanziert. 2. Keine deklariert.
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