Transkript
ARGUS PHARMAKOTHERAPIE
Chondroprotektiva bei Kniearthrose
Nur Chondroitin- und Glukosaminsulfat von Nutzen
Zum Schutz vor arthrosebedingtem Knorpelverlust werden zahlreiche Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel angeboten. In einem systematischen Review zu zwölf Behandlungsoptionen wiesen jedoch nur Chondroitin- und Glukosaminsulfat eine chondroprotektive Wirksamkeit bei Kniearthrose auf.
American Journal of Sports Medicine
Arthrose gehört zu den Hauptursachen für Gelenkschmerzen und Behinderungen. Im Rahmen des Krankheitsverlaufs kommt es zu strukturellen Veränderungen wie dem Verlust an Gelenkknorpelmasse und subchondralem Knochen. An der Pathophysiologie der Arthrose sind viele Faktoren beteiligt. Dazu gehören mechanische Beanspruchung, oxidative Schädigungen und Entzündungsmediatoren sowie das katabole und anabole Gleichgewicht des Gelenks, der Synovia, der Matrix und der Chondrozyten. Zum Schutz vor arthrosebedingtem Knorpelverlust werden zahlreiche Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel angeboten. In einem systematischen Review evaluierten Brian Gallagher von der Thomas Jefferson University in Philadelphia (USA) und seine Arbeitsgruppe die Wirksamkeit der folgenden zwölf Behandlungsoptionen im Hinblick auf den Erhalt der Knorpelmasse und die Verzögerung einer Gonarthroseprogression: O orales Glukosamin (z.B. Active Glucos-
amine Kaps®, Voltaflex®) O Chondroitinsulfat (z.B. Condrosulf®,
Structum®, Voltaflex®, Olflex®) O nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) O mehrfach ungesättigte Fettsäuren O S-Adenosylmethionin O unverseifbare Anteile von Avocado oder
Sojabohnen O Methylsulfonylmethan
Merksätze
O Chondroitin- und Glukosaminsulfat schützen vor Knorpelverlust im Knie und verzögern die Arthroseprogression.
O Intraartikuläre Injektionen mit hochmolekularen Hyaluronsäuren schützen den Knorpel möglicherweise ebenfalls.
O NSAR, Vitamin D und Vitamin E weisen keine chondroprotektiven Eigenschaften auf.
O Zur Beurteilung der Wirksamkeit anderer Substanzen liegt keine ausreichende Datenbasis vor.
O Vitamin C O Vitamin D O Vitamin E O intraartikuläre Hyaluronsäureinjektionen O plättchenreiches Plasma.
Mithilfe einer Literaturrecherche identifizierten die Forscher insgesamt 3514 Studien. Davon erfüllten jedoch nur 13 die Einschlusskriterien einer randomisierten, plazebokontrollierten Untersuchung über eine Dauer von mindestens 12 Monaten.
Chondroitinsulfat
In 3 von 4 Studien zeigte sich unter oralem Chondroitinsulfat (800 mg täglich) über einen durchschnittlichen Zeitraum von 21 Monaten eine signifikante Verminderung des Knorpelverlusts im Vergleich zu Plazebo. Die Verschmälerung der durchschnittlichen und der minimalen Gelenkspaltbreite war im Vergleich zu Plazebo signifikant geringer. In einer der 3 Studien betrug die Odds Ratio (OR) für die Arthroseprogression 0,45 (95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,22–0,90) im Vergleich zu Plazebo.
Glukosamin
Die strukturmodifizierenden Effekte von oralem Glukosamin wurden in 3 Studien über einen durchschnittlichen Zeitraum von 32 Monaten untersucht. In 1 Studie erhielten die Patienten 3-mal täglich 500 mg Glukosaminhydrochlorid, in den beiden anderen 1-mal täglich 1500 mg Glukosaminsulfat. In den beiden Studien mit Glukosaminsulfat war die Verschmälerung der Gelenkspaltbreite im Vergleich zu Plazebo signifikant geringer. Die durchschnittlichen Differenzen betrugen 0,38 mm (p = 0,04) und 0,23 mm (p = 0,001). Die OR für die Arthroseprogression lag bei 0,41 (95%-KI: 0,21–0,81) beziehungsweise 0,32 (95%-KI: 0,11–0,94). Unter Glukosaminhydrochlorid wurde dagegen kein signifikanter Effekt im Hinblick auf die Gelenkspaltbreite und die Arthroseprogression beobachtet. Dieses Ergebnis
entspricht der bekannten Evidenz. Auch ältere Studien legten bereits die Vermutung nahe, dass Glukosaminhydrochlorid weniger wirksam ist als Glukosaminsulfat.
Hyaluronsäure Intraartikuläre Hyaluronsäureinjektionen waren nur in 1 von 3 Studien in einem durchschnittlichen Zeitraum von 16 Monaten mit einer signifikanten Verminderung der Verlustrate von tibiofemuralem Knorpel verbunden. Dies könnte nach Ansicht der Wissenschaftler möglicherweise auf die unterschiedlichen Molekulargewichte der verwendeten Hyaluronsäuren zurückgeführt werden. Unter der Hyaluronsäure mit dem höchsten Molekulargewicht (6000 Kilodalton [kDa]) waren die knorpelerhaltenden Effekte am signifikantesten. Unter der Hyaluronsäure mit dem niedrigsten Molekulargewicht (1,9 kDa) zeigten sich dagegen keinerlei Unterschiede im Vergleich zu Plazebo. Die Autoren schlossen daraus, dass mit hochmolekularen Hyaluronsäuren bei langfristiger Anwendung ein gewisser struktureller Nutzen erzielt werden könnte.
Vitamin D, Vitamin E In je 1 Studie wurde unter Vitamin D und unter Vitamin E keine signifikante Wirksamkeit im Hinblick auf das mediale oder laterale Volumen von tibiofemuralem Knorpel des Kniegelenks im Vergleich zu Plazebo beobachtet. Auch bezüglich der Schmerzlinderung waren beide Vitamine mit Plazebo vergleichbar.
NSAR und weitere Substanzen Die NSAR Celecoxib (Celebrex® und Generika), Diacerein (nicht im AK der Schweiz) und Diclofenac (Voltaren® und Generika) wiesen in 4 Studien ebenfalls keinen signifikanten strukturmodifizierenden Effekt auf. Auch im Hinblick auf die Schmerzlinderung zeigten sich keine Unterschiede im Vergleich zu Plazebo. Die Studien zur chondroprotektiven Wirksamkeit von mehrfach ungesättigten Fettsäuren, S-Adenosylmethionin, unverseifbaren Anteilen von Avocado oder Sojabohnen, Methylsulfonylmethan, Vitamin C und plättchenreichem Plasma entsprachen nicht den Einschlusskriterien für den Review. O
Petra Stölting
Gallagher B et al.: Chondroprotection and the prevention of osteoarthritis progression of the knee. Am J Sports Med 2015; 43(3): 734–744.
Interessenkonflikte: Die Studie wurde nicht extern finanziert.
ARS MEDICI 7 I 2015
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