Transkript
POLITFORUM
Xundheit in Bärn
INTERPELLATION vom 12.12.2014
Umstrittene HPV-Werbekampagne des BAG
Yvette Estermann
Nationalrätin SVP Kanton Luzern
Vorstellung der Interpellation siehe ARS MEDICI 4/2015
Fragen: 1. Auf welcher gesetzlichen Grund-
lage baut das Bundesamt auf, um eine derartige Propaganda für einen medizinischen Eingriff bei Minderjährigen zu machen?
2. Ist es ethisch vertretbar, dass die Eltern, die gesetzlichen Vertreter der Kinder, nicht in die Beratung involviert werden?
3. Erachtet er es als richtig, dass Mädchen unter 15 Jahren mit dieser Propaganda unter Druck geraten können, sich impfen zu lassen?
4. Wer trägt die Verantwortung, falls es nach der Impfung zu einer schweren Schädigung des Gesundheitszustandes beim Kind (Impfschaden) kommt? Ist es das zuständige Bundesamt, der
behandelnde Arzt, die betreffende Pharmafirma, welche den Impfstoff lieferte, oder sind es die Eltern, obwohl sie von der Impfung eventuell gar nichts wussten? 5. Wie viele Fälle von Impfschäden hat es schweizweit in den letzten Jahren gegeben, und wie hoch war die Summe der Entschädigungen, welche Geschädigte insgesamt erhielten?
Antwort des Bundesrates vom 18.2.2015 (leicht gekürzt)
1./2. Der Bund trägt Verantwortung im Bereich der Prävention und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) erarbeitet unter anderem in Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF) Impfempfehlungen, die im Schweizerischen Impfplan zusammengefasst werden und definierte Ziele für die öffentliche Gesundheit verfolgen. Die Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) zur Vorbeugung von Gebärmutterhalskrebs wird in der Schweiz seit 2007 für alle jungen Mädchen zwischen 11 und 14 Jahren empfohlen, denn für eine optimale Wirksamkeit muss die Impfung vor der Aufnahme sexueller Beziehungen verabreicht werden. Sie wird auch jungen Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren empfohlen, die noch nicht geimpft wurden. Ausserdem wird Frauen zwischen 20 und 26 Jahren empfohlen, die Impfung je nach individueller Situation zu erwägen. Das vom BAG bereitgestellte Informationsmaterial liegt somit je nach Zielgruppe in verschiedenen Formen vor: Kurzflyer in mehreren Sprachen, Broschüre für Jugendliche, Faktenblatt für Erwachsene, Powerpoint-Präsentationen für Gesundheitsfachleute oder Erwachsene, häufig gestellte Fragen und Antworten (FAQ), Artikel im Bulletin des BAG, ausführliche Dokumen-
tation zu den Empfehlungen und zu deren wissenschaftlichen Grundlagen (aus der Reihe Richtlinien und Empfehlungen) usw. Es gibt keine nationale Kampagne für diese Impfung. Da die genannte Broschüre sich spezifisch an Jugendliche richtet, ist sie in einem für sie attraktiven Stil gestaltet. Damit sollen sich die Jugendlichen selbst informieren und sich in die Diskussion zur Frage «Impfung oder nicht» mit Eltern und Gesundheitsfachleuten einbringen können. Das BAG gibt diese Information nicht direkt an die jungen Mädchen ab.
3. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass diese Broschüre darauf ausgerichtet ist, das Interesse junger Mädchen für diese Impfung zu erregen und sie dazu zu ermutigen, mit ihren Vertrauenspersonen darüber zu sprechen oder sich weiter zu informieren. Minderjährige werden ganz allgemein nicht ohne aufgeklärte Einwilligung eines gesetzlichen Vertreters, in der Regel jener der Eltern, geimpft, es sei denn, eine minderjährige Person ist bereits urteilsfähig, was beispielsweise ab 16 Jahren der Fall sein kann.
4. Bei schwerer gesundheitlicher Schädigung infolge einer Impfung gelten die üblichen Haftungsregeln: Es muss geprüft werden, ob ein
Fehler des Herstellers oder des Arztes, der die Impfung verschrieben oder vorgenommen hat, vorliegt. Wenn weder der Hersteller noch der Arzt für den Schaden haftbar gemacht werden kann und wenn die Folgen der unerwünschten Impfwirkungen auch nicht von den Sozialversicherungen getragen werden, gibt es eine besondere gesetzliche Haftung: Die Kantone haften gemäss Artikel 23 Absatz 3 des Epidemiengesetzes und leisten gegebenenfalls eine Entschädigung für Schäden infolge empfohlener Impfung, soweit diese nicht anderweitig gedeckt werden (so genannte subsidiäre Haftung).
5. Vermutete unerwünschte Wirkungen einer Impfung unterliegen der Meldepflicht bei Swissmedic. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass der Kausalzusammenhang zwischen Schaden und Impfung nicht bestätigt sein muss, um eine unerwünschte Wirkung zu melden: Die Vermutung allein reicht aus. Tritt nach einer Impfung ein gesundheitliches Problem auf, bedeutet das nicht zwingend, dass die Impfung die Ursache davon ist. Um einen allfälligen Kausalzusammenhang nachzuweisen, sind breit angelegte Studien erforderlich. Das wurde auf internationaler Ebene gemacht, zum Beispiel in Dänemark und Schweden, wo etwa 300 000 geimpfte junge Frauen mit 700 000 ungeimpften jungen Frauen verglichen wurden. Keine dieser Studien ergab ein erhöhtes Risiko für Auto-
immunerkrankungen, insbesondere Multiple Sklerose, nach einer HPVImpfung. Der Globale Beratende Ausschuss für Impfstoffsicherheit (Global Advisory Committee on Vaccine Safety, GACVS) der WHO gelangte zu denselben Schlussfolgerungen. Angesichts der schweren gesundheitlichen Probleme, die mit der Impfung vermieden werden können, spricht das Nutzen-Risiko-Verhältnis klar für die Impfung. Zu den Meldungen vermuteter unerwünschter Wirkungen der HPVImpfung veröffentlichte Swissmedic am 30. Oktober 2014 eine Zusammenfassung im Internet: Von 167 Meldungen seit 2007 wurden 62 Prozent als nicht schwerwiegend und 27 Prozent als medizinisch wichtig eingestuft. Bei 11 Prozent kam es zu schwereren Folgen, zum Beispiel Spitaleinweisung. Keine der Meldungen betraf einen Todesfall. Die Meldungen schliessen einen Fall von Multipler Sklerose ein. In unserem Land wurde diese Impfung in sieben Jahren schätzungsweise 200 000 Personen verabreicht. Der Bundesrat hat keine Kenntnis von Entschädigungen an eine Person, die an unerwünschten schweren Folgen einer HPV-Impfung leidet.
Stand der Beratungen: Im Rat noch nicht behandelt
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ARS MEDICI 5 I 2015
POLITFORUM
INTERPELLATION vom 10.12.2014
Ist ein staatliches Diktat beim Fleischkonsum gerechtfertigt?
Peter Föhn Ständerat SVP Kanton Schwyz
Vorstellung der Interpellation siehe ARS MEDICI 4/2015
Fragen: 1. Welche wissenschaftliche Rele-
vanz legt er dem Bericht der EEK zugrunde? 2. Wie beurteilt er die Tatsache, dass für Erwachsene im Alter von 35 bis 70 Jahren die EEK alleine auf der Basis von statistischen Zusammenhängen schlussfolgert, dass die Emp-
fehlungen zum Verzehr von unverarbeitetem rotem Fleisch eine Beschränkung beinhalten und derjenige von verarbeitetem rotem Fleisch noch einschränkender empfohlen werden sollte? 3. Wer hat der EEK konkret den Auftrag für die Erstellung des Berichtes zu den gesundheitlichen Aspekten des Fleischkonsums erteilt? 4. Welche Vollkosten (brutto, netto) hat die Erstellung des Berichtes durch die EEK verursacht? 5. Gedenkt er, die Empfehlungen der EEK zur Einschränkung des Konsums an rotem Fleisch aufzunehmen? Falls ja, wie will er diese umsetzen?
INTERPELLATION vom 11.12.2014
Fachkräftemangel im Gesundheitsbereich. Mythos oder Fakt?
Ignazio Cassis
Nationalrat FDP Kanton Tessin
läufig von einem Mangel an Pflegepersonal und an Ärzten gesprochen wird.
Die Zunahme von Arbeitsplätzen im Gesundheitsbereich scheint unvermindert voranzuschreiten. Gemäss OECD-Bericht 2013 weist die Schweiz für 2011 die international höchste Pro-Kopf-Zahl an Pflegenden (etwa doppelt so hoch wie in Frankreich und Österreich). Die Schweiz verfüge zudem auch über vergleichsweise viel Nachwuchs in der Pflege (mit 78,1 «nursing graduates» pro 100 000 Einwohner verfügt sie über deutlich mehr Absolventinnen und Absolventen als zum Beispiel Österreich (55,6/100 000), Frankreich (35,5) und Deutschland (27,8). Es stellt sich daher die Frage, ob die schweizerische Produktivität im Gesundheitswesen im internationalen Vergleich adäquat ist. Diese Frage ist umso brisanter, als land-
Der Bundesrat wird eingeladen, folgende Fragen zum Bestand der Fachkräfte zu beantworten: 1. Wie hoch war der Zuwachs
an Arbeitsplätzen im Gesundheitsbereich in den letzten 5 Jahren? Wie viel betrug er in den fünf Jahren zuvor (20042009), aufgeteilt nach Leistungserbringer und Geschlecht? 2. Wie viel beträgt der Anteil der ausländischen Stelleninhaber in den beiden Zeiträumen (2004–2009 bzw. seit 2009)? 3. Wie hoch war die Zunahme der ausländischen Stelleninhaber in denselben Zeiträumen in absoluten Zahlen und prozentual? 4. Wie lassen sich die Personalengpässe in der Pflege erklären, wenn die Schweiz gleichzeitig im internationalen Vergleich die höchste Pro-Kopf-Rate an Pflegepersonal sowie die vierthöchsten Nachwuchszahlen aufweist?
Antwort des Bundesrates vom 11.2.2015 (leicht gekürzt)
Das Ziel der Schweizer Ernährungsstrategie ist unter anderem, den Konsumentinnen und Konsumenten verständliche Informationen zur Verfügung zu stellen, damit sie eine bewusste und gesunde Wahl treffen können. Die Basis für solche Informationen über eine gesunde und abwechslungsreiche Ernährung sind aktuelle Analysen und Bewertungen von wissenschaftlichen Studien. 1. Die EEK hat die aktuellen wis-
senschaftlichen Studien zu den gesundheitlichen Vor- und Nachteilen des Fleischkonsums gesammelt und ausgewertet. Die Studien aus verschiedenen Ländern decken Untersuchungen bei über 5 Millionen Personen ab, deren Gesundheitszustand teilweise über mehr als 20 Jahre verfolgt wurde. 2. Die im Bericht der EEK zitierten Studien wurden in renommierten Fachzeitschriften veröffentlicht. In den Studien wurden allgemein gebräuchliche statistische Methoden angewendet. In der Ernährungsepidemiologie werden die Auswirkungen des Ernährungsverhaltens einer Bevölkerungsgruppe auf den Gesundheitszustand beobachtet und ausgewertet. So wird zum Beispiel das Auftreten einer Krankheit (z.B. Herzinfarkt) bei der Gruppe mit dem höchsten Fleischkonsum verglichen mit dem Auftreten derselben Krankheit bei der Gruppe mit dem tiefsten Fleischkonsum. Dadurch kann erfasst werden, um wie viel grösser das Risiko für diese Krankheit ist, wenn mehr Fleisch gegessen wird. 3. Der Auftrag für den Bericht wurde von der Abteilung Le-
bensmittelsicherheit des Bundesamtes für Gesundheit erteilt, die heute Teil des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) ist. Das BLV erteilt der EEK pro Jahr 1 bis 2 Aufträge für das Erstellen eines wissenschaftlichen Berichts, um sicherzustellen, dass die vom BLV und der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE erarbeiteten und veröffentlichten Ernährungsempfehlungen jederzeit auf dem neusten Stand der Wissenschaft basieren. Die Berichte der EEK können auf folgender Webseite eingesehen werden: www.blv.admin.ch/ themen/04679/05108/05869/ index.html?lang=de. 4. Die Kosten für den Bericht beliefen sich auf 6250 Franken. 5. Das zuständige BLV wird prüfen, ob und wie die heute gültigen Ernährungsempfehlungen anzupassen sind. Die im Bericht präsentierten Erkenntnisse, das heisst, dass aus Sicht einer bestmöglichen Gesundheit ein reduzierter Fleischkonsum und eine grosse Zurückhaltung bei verarbeitetem Fleisch zu empfehlen sind, sind nicht vollständig neu. Schon heute wird mittels der Lebensmittelpyramide des BLV und der SGE empfohlen, nicht öfters als 2 bis 3 Mal pro Woche Fleisch zu essen, und es ist den Konsumentinnen und Konsumenten allgemein bekannt, dass ein übermässiger Konsum von Fleischprodukten (verarbeitetes Fleisch) aus Sicht der Gesundheit nicht zu empfehlen ist.
-5. Wie gross ist das Potenzial weiterer Massnahmen (z.B. Förderung des Einbezugs Freiwilliger in die Pflege) in Bezug auf einen geringeren Bedarf von Pflegepersonen? Der steigende Anteil an Arbeitskräften im Gesundheitswesen entzieht Fachkräfte aus anderen Bereichen.
6. Um wie viel hat die Arbeitsproduktivität im Gesundheitsbereich in den beiden Zeiträumen zugenommen?
7. Wie definiert er die Arbeitsproduktivität im Gesundheitswesen?
8. Erachtet er es nicht als nötig, die Produktivität im Gesund-
heitsbereich zu erhöhen, um den Personalbedarf zu reduzieren, damit diese nicht von anderen Bereichen entzogen werden (oder im Ausland rekrutiert werden müssen)? 9. Falls ja, welche Massnahmen plant er? 10. Durch welche Anreize wird im Gesundheitswesen sichergestellt, dass sich arbeitssparender technischer Fortschritt (z.B. Behandlungsmethoden) rasch durchsetzen kann?
Stand der Beratungen: Im Rat noch nicht behandelt
ARS MEDICI 5 I 2015
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