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STUDIE REFERIERT
Stosswellentherapie gegen Kalkschulter
Fokussierte, hochenergetische Stosswellen können helfen
eine «mittlere» und eine «hohe» Dosis eigentlich ist. In der vorliegenden Metaanalyse definierten die Autoren diese folgendermassen: O niedrig: EFD < 0,08 mJ/mm2 O mittel: EFD 0,08 bis 0,28 mJ/mm2 O hoch: EFD 0,28 bis 0,6 mJ/mm2. Die Stosswellentherapie wird bei verschiedenen orthopädischen Beschwerden eingesetzt. In einer neuen Metaanalyse ging es um den Nutzen bei Kalkschulter. Annals of Internal Medicine Die Beschwerden bei Tendinosis calcarea der Rotatorenmanschette werden auf Kalkablagerungen an den Sehnenansätzen zurückgeführt, meist ist die Sehne des M. supraspinatus betroffen. Kalkablagerungen in der Rotatorenmanschette müssen jedoch nicht zwingend zu Beschwerden führen. So fanden sie sich in Studien bei 2 bis 20 Prozent der untersuchten asymptomatischen Personen. Auch finden sich nicht bei allen Patienten mit Schulterschmerzen derartige Kalkablagerungen. In der Literatur dokumentiert sind sie bei rund 7 Prozent der Patienten mit Schulterschmerzen, beziehungsweise bei bis zu 17 Prozent derjenigen mit chronischer Periarthritis humeroscapularis. Diagnose Die Diagnose Tendinosis calcarea lässt sich ohne Weiteres klinisch stellen. Kalkablagerungen sind im Röntgenbild oder, besser noch, mit Ultraschall sichtbar. MRI-Untersuchungen sind für die Diagnosestellung überflüssig. MERKSÄTZE O Hochenergetische Stosswellen wirken bezüglich Schmerz und Schulterfunktion besser als Plazebo. O Die Wirkung ist wahrscheinlich von der Energie der Stosswellen abhängig. Konventionelle Therapie Die übliche Therapie in der Hausarztpraxis besteht aus Ruhe, Eispackungen, NSAR und Physiotherapie sowie einer subakromialen Kortikoidinjektion. Die Evidenzlage hierzu ist eher dürftig, entsprechende Studiendaten gibt es bis jetzt für keine der genannten Massnahmen. Bleibt der Erfolg aus, kommt ein arthroskopischer Eingriff infrage, um die Kalkablagerungen zu entfernen. Stosswellen als Alternative Die Stosswellentherapie, kurz ESWT (extracorporal shock-wave therapy), ist eine nicht invasive Alternative bei therapierefraktären Schulterschmerzen, und zwar sowohl mit als auch ohne Kalkablagerungen. Hierbei kommen Stosswellen hoher oder niedriger Energie zum Einsatz, deren Intensität als Energieflussdichte (EFD, definiert als mJ/mm2) gemessen wird. Die Stosswellentherapie erfolgt üblicherweise ambulant mit oder ohne Lokalanästhesie in Therapiesitzungen von 10 bis 30 Minuten Dauer. Ursprünglich für die Lithotripsie bei Nierensteinen entwickelt, werden Stosswellen heutzutage bei vielen Krankheitsbildern eingesetzt, zum Beispiel bei Tendinitis, Fersensporn, Frakturen oder avaskulärer Hüftkopfnekrose. ESWTGeräte sind von der FDA für die Anwendung bei lateraler Epikondylitis und Fersensporn zugelassen, sofern konventionelle Therapien erfolglos waren. Trotz der breiten Anwendung in der Praxis sind Parameter wie Anwendung, Dosis und Wirksamkeit für die Stosswellentherapie noch nicht eindeutig definiert; dazu gehört unter anderem sogar die Frage, was eine «niedrige», Heterogene Studienlage In der vorliegenden Metaanalyse wurden 28 randomisierte Studien zur Wirksamkeit der Stosswellentherapie bei Patienten mit Tendinosis der Rotatorenmanschette berücksichtigt. Die Qualität der einzelnen Studien war eher niedrig. Sie umfassten jeweils 20 bis 144 Teilnehmer und dauerten zwischen 3 und 12 Monate. Nur 6 der Studien wurden doppelblind durchgeführt, in 15 Studien wurde nur einseitig verblindet, bei den restlichen 7 Studien gab es keine Angaben zur Verblindung. Die Dauer der Beschwerden betrug zwischen 3 und 12 Monate. In die meisten Studien wurden Patienten mit Kalkschulter eingeschlossen, in 4 der Studien hatten die Patienten die Beschwerden, ohne dass Kalkablagerungen nachgewiesen werden konnten. Der therapeutische Nutzen wurde in den Studien meist mithilfe der bekannten visuellen Analogskala (VAS) für Schmerz von 1 bis 10 erfasst, wobei 1 «kein Schmerz» und 10 «grösster vorstellbarer Schmerz» bedeutet. Die Schulterfunktion wurde meist mit dem Constant-Score, auch bekannt als Constant-Murley-Score, bewertet; es handelt sich hierbei um eine 100 Punkte umfassende Skala, bei der 0 der schlechteste Wert ist. Die EFD reichte von 0,06 mJ/mm2 bis 0,55 mJ/mm2, die Anzahl der verabreichten Pulse von 1000 bis 3000 und die Anzahl der Anwendungen von 1 bis 5, mit therapiefreien Intervallen von 1 bis 6 Wochen. Die Autoren der Metaanalyse fassten die Studien bezüglich der EFD in zwei Grossgruppen zusammen: Studien mit hochenergetischer ESWT (EFD ≥ 0,28 mJ/mm2) und Studien mit niedrigenergetischer ESWT (EFD < 0,28 mJ/mm2). Hochenergetische Stosswellen können helfen Die ESWT ist offenbar eine recht sichere Therapie. Die Nebenwirkungen Schmerz, Schwellung, Erythem, Petechien oder kleine Hämatome traten ARS MEDICI 3 I 2015 175 STUDIE REFERIERT KOMMENTAR Kommentar von Dr. med. Luzi Dubs, Winterthur Stosswellen oder Waldschneckentherapie? Wenn nach Auswertung von 28 randomisierten Studien in einer Metaanalyse am Schluss die Aussage entsteht, dass eine fokussierte, hochfrequente Stosswellentherapie gegen die Kalkschulter wahrscheinlich dosisabhängig helfen kann, klingt das nicht gerade verbindlich. Dabei bleibt einiges im Verschwommenen. Geht es um eine biologische Wirkung oder um einen patientenorientierten Behandlungsnutzen? Möchte man mit der Dosissteigerung der Stosswellentherapie endlich zum Durchbruch verhelfen? Möchte man mit der Angabe, dass die Autoren der Metaanalyse keine Interessenkonflikte haben sollen, von der Erfahrung ablenken, dass die bisherigen Studien grossmehrheitlich von Interessenvertretern durchgeführt wurden, was durch unabhängige Autoren ja nicht eliminiert werden kann? 2004 hat der Kommentator diese komplexe Problematik mit den Schwierigkeiten eines sauberen (Kosten-)NutzenNachweises genauer zu ergründen versucht und die Folgerungen publiziert*. Zwischenzeitlich hat sich offenbar an der Qualität der Studien nicht viel verbessern lassen. immer eine gute Spontanprognose hat. Der Zeitpunkt des Auftretens und des Verschwindens der Krankheitssymptome ist im Einzelfall nicht voraussehbar. Die Dynamik der Kalkmanifestation (besser im Röntgenbildverlauf als im Ultraschall dokumentierbar) gehorcht eigenen Gesetzen. Wenn nach einer langen Zeit des «ruhenden» Kalkes ohne wesentliche Symptome plötzlich eine akute Schmerzexazerbation auftritt und Anlass für einen Arztbesuch gibt, kann das durchaus dem Stadium der spontanen Kalkherdauflösung entsprechen. Da kann man Stosswellen applizieren, subakromial infiltrieren oder einfach eine Waldschnecke über die Schulter kriechen lassen, es wird letztlich immer gut. Seit 25 Jahren habe ich nie mehr einen Kalkherd operativ entfernen müssen und bin mit bedarfsgerechten subakromialen Injektionen gut über die Runden gekom- men, auch ohne Needling oder ESWT. Aus meiner Sicht muss man den Kalkherd nicht wegputzen, sondern die begleiten- den Entzündungsschmerzen symptoma- tisch behandeln, bis sich der Kalkherd von selbst auflöst. O Es soll wieder in Erinnerung gerufen werden, dass die Tendinitis calcarea eine sich selbst limitierende Krankheit ist, deren Ursache im Unklaren bleibt und die *Dubs L: Methodische Grundlagen für die Kosten-NutzenDiskussion auf der Basis von Studien am Beispiel der extrakorporellen Stosswellentherapie am Bewegungsapparat. Schweiz Ärztezeitung 2004; 85(3): 115–120. dosisabhängig und in jedem Fall nur vorübergehend auf. Schwere Neben- wirkungen wurden in den 28 Studien nicht berichtet. In vielen Studien wur- den Lokalanästhetika oder orale Schmerzmittel während der Anwen- dung eingesetzt; dies hatte keinen Ein- fluss auf den therapeutischen Nutzen der ESWT. Die Wirksamkeit der ESWT bei Kalk- schulter hängt wahrscheinlich von der Dosis ab. Es zeigte sich ein Trend, dass die hochenergetische ESWT der nied- rigenergetischen überlegen ist. Trotz der beträchtlichen Heterogenität der Studien zeigte sich konsistent, dass die hochenergetische ESWT statistisch signikant besser als Plazebo die Schul- terschmerzen lindern, die Schulter- funktion verbessern und die Resorp- tion von Kalkablagerungen bewirken kann. Bei Schulterbeschwerden ohne Kalkablagerungen hatte die ESWT keinen Effekt. O Renate Bonifer Quelle: Bannuro RR et al.: High-energy extracorporeal shock-wave therapy for treating chronic calcific tendinitis of the shoulder. Ann Intern Med 2014; 160: 542–549. Interessenlage: Die Autoren der Studie geben an, dass keine Interessenkonflikte bestehen. Linktipp Mehr über die medizinische Anwendung von Stosswellen findet sich auf der Homepage der Gesellschaft für extrakorporale Stosswellentherapie: www.digest-ev.de 176 ARS MEDICI 3 I 2015