Transkript
STUDIE REFERIERT
Die «Pille» und die Mortalität
Ergebnisse der Nurses’ Health Study
Viele Frauen im gebärfähigen Alter verhüten mit oralen Kontrazeptiva. Die Anti-Baby-Pille wirkt sich auf verschiedene gesundheitliche Aspekte unterschiedich aus, beispielsweise erhöht sie das Risiko für venöse Thromboembolien, während sie das Ovarialkarzinomrisiko senkt. Eine aktuelle Analyse der Nurses’ Health Study untersuchte nun den Zusammenhang zwischen Pillenanwendung und Mortalität.
British Medical Journal
Seit orale Kontrazeptiva in den Fünfzigerjahren eingeführt wurden, nehmen weltweit Millionen von Frauen die Anti-Baby-Pille ein. Nach der Markteinführung der oralen Kontrazeptiva wurde rasch deutlich, mit welchen akuten Nebenwirkungen diese Hormonpräparate einhergingen. Welche langfristigen Folgen orale Kontrazeptiva nach sich ziehen würden, war nicht absehbar. Einer der Hauptgründe für die Initiierung der Nurses’ Health Study, einer prospektiven Kohortenstudie, war es, Daten zu dieser Frage zu sammeln. Erst jetzt – gut 50 Jahre nach Einführung der «Pille» – können die langfristigen Risiken oraler Kontrazeptiva der ersten und zweiten Generation ana-
MERKSÄTZE
O In der vorliegenden Untersuchung unterschied sich die Gesamtmortalität von Pillenanwenderinnen und -nichtanwenderinnen nicht signifikant.
O Die Einnahme oraler Kontrazeptiva war jedoch mit bestimmten Todesursachen assoziiert – beispielsweise mit erhöhten Raten von Todesfällen aufgrund von Brustkrebs, Unfällen oder Gewaltanwendung.
O Todesfälle aufgrund von Ovarialkarzinomen traten bei Pillenanwenderinnen seltener auf.
lysiert werden. Ein Forscherteam der Harvard School of Public Health, Boston, untersuchte kürzlich den Zusammenhang zwischen Einnahme oraler Kontrazeptiva und Mortalität in der Nurses’ Health Study nach einem Follow-up von 36 Jahren. Die Untersucher analysierten Daten von 121 701 Teilnehmerinnen der Nurses’ Health Study, die in den Jahren 1976 bis 2012 gesammelt worden waren. Die Einnahme oraler Kontrazeptiva war in der Zeit von 1976 bis 1982 alle zwei Jahre abgefragt worden. Hauptzielkriterien der aktuellen Analyse waren die Gesamtmortalität und die ursachenspezifische Mortalität bis 2012. Von 121 577 Frauen lagen Daten zur Verhütung vor: 63 626 Frauen hatten nie orale Kontrazeptiva eingenommen (52%), 57 951 hatten die «Pille» zumindest zeitweise angewendet (48%). Nach insgesamt 3,6 Millionen Personenjahren registrierten die Forscher 31 286 Todesfälle. Zwischen der Einnahme oraler Kontrazeptiva und der Gesamtmortalität wurde keine Assoziation beobachtet. Jedoch wurden Todesfälle durch Gewaltanwendung (z.B. Suizide) oder aufgrund von Unfällen häufiger bei Frauen beobachtet, die orale Kontrazeptiva einnahmen (Hazard Ratio 1,20). Es ist unwahrscheinlich, dass es sich hierbei um eine kausale Assoziation handelt. Vielmehr gibt es Hinweise, dass Pillenanwenderinnen häufiger in Partner-
schaften leben, in denen es zu Gewalt kommen kann. Doch sind die Angaben in den Totenscheinen nicht detailliert genug, um diese Hypothese zu bestätigen. Was Suizide anbelangt, sind die Angaben in der Literatur uneinheitlich. In einer Studie wurde über eine erhöhte Suizidrate bei Pillenanwenderinnen berichtet, andere Autoren konnten dies nicht bestätigen. Der Effekt von oralen Kontrazeptiva auf die psychische Gesundheit einschliesslich affektiver Veränderungen und Depression ist nicht abschliessend geklärt, doch weisen einige Studien auf eine geringe protektive Wirkung hin. Eine längere Anwendung der «Pille» war stärker mit bestimmten Todesursachen assoziiert, beispielsweise mit einer vorzeitigen Mortalität aufgrund von Brustkrebs und mit einer geringeren Mortalität aufgrund von Ovarialkarzinomen. Dies bestätigt die Beobachtungen aus anderen Kohorten.
Fazit
Hinsichtlich der Gesamtmortalität gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen Anwenderinnen und Nichtanwenderinnen der «Pille». Die Einnahme oraler Kontrazeptiva war mit bestimmten Todesursachen assoziiert – beispielsweise mit erhöhten Raten von Todesfällen aufgrund von Brustkrebs, Unfällen oder Gewaltanwendung. Todesfälle aufgrund von Ovarialkarzinomen wurden bei Pillenanwenderinnen dagegen seltener beobachtet. Die Autoren weisen darauf hin, dass sich diese Ergebnisse auf ältere Formulierungen oraler Kontrazeptiva mit höheren Hormondosierungen und nicht auf die heute üblicheren Formulierungen der dritten und vierten Generation mit niedrigerem Östrogengehalt beziehen. O
Andrea Wülker
Charlton BM et al.: Oral contraceptive use and mortality after 36 years of follow-up in the Nurses’ Health Study: prospective cohort study. British Medical Journal 2014; 349: g6356.
Interessenkonflikte: keine
ARS MEDICI 3 I 2015
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