Transkript
STUDIE REFERIERT
Folsäure schützt vor Methotrexatnebenwirkungen
Ein systematischer Review
Methotrexat ist bei vielen Rheumapatienten mit erheblichen Toxizitäten verbunden. Die gleichzeitige Gabe von Folsäure oder Folinsäure kann gastrointestinalen Nebenwirkungen und erhöhten Leberwerten entgegenwirken. Zudem sinkt das Risiko für einen Abbruch der Methotrexatbehandlung.
Journal of Rheumatology
Bei Methotrexat (MTX, z.B. Methotrexat Pfizer®, Methotrexat Teva®) handelt es sich um ein Analogon der Folsäure. MTX hemmt kompetitiv das Enzym Dihydrofolatreduktase und wirkt so als Antagonist im Folsäuremetabolismus. Der Wirkmechanismus von MTX bei rheumatoider Arthritis (RA) konnte bis anhin nicht vollständig aufgeklärt werden. Dennoch gilt MTX als Medikament der ersten Wahl zur Behandlung dieser Erkrankung. Aus Metaanalysen geht hervor, dass bei etwa einem Drittel der Rheumapatienten unter MTX eine deutliche Besserung der Beschwerden eintritt. Allerdings können nicht alle Patienten von MTX profitieren. Bei etwa 60 Prozent kommt es zu leichten Nebenwirkungen, und 7 bis 30 Prozent der RA-Patienten brechen die Behandlung innerhalb des ersten Jahres aufgrund von Toxizitäten ab. Folsäure (z.B. Andreafol®, Drossafol®, Folvite®) wird auch als Vitamin B9 be-
MERKSÄTZE
O Methotrexat (MTX) ist häufig mit gastrointestinalen, mukosalen, hepatischen und hämatologischen Nebenwirkungen verbunden.
O MTX beeinträchtigt den Folsäurestoffwechsel.
O Mit einer Folsäure- oder Folinsäuresubstitution kann das Risiko für Nebenwirkungen und einen Abbruch der MTX-Behandlung gesenkt werden.
zeichnet und ist in zahlreiche physiologische Prozesse involviert. Bei Folinsäure (Leucovorin® und Generika) handelt es sich um eine aktive Form der Folsäure, die in Nahrungsmitteln vorkommt. Bei Rheumapatienten liegt häufig ein Folatmangel vor. Während einer MTXBehandlung leeren sich die Folatspeicher zusätzlich. In Studien wurde eine Verbindung zwischen gastrointestinalen und hämatologischen MTX-bedingten Nebenwirkungen mit Folatmangel beobachtet. Deshalb wird in aktuellen Richtlinien weltweit bei einer MTXBehandlung die zusätzliche Gabe von Folsäure empfohlen. Die Angaben zur optimalen Dosis variieren hier zwischen 0,5 mg und 2 mg/Tag. Manche Experten äusserten jedoch Bedenken, dass eine Folatsubstitution die Wirksamkeit von MTX bei RA beeinträchtigen könnte, falls die antirheumatischen Effekte ebenfalls über den Folatantagonismus vermittelt werden. In einem systematischen Review untersuchten Beverley Shea von der Universität Ottawa, Kanada, und ihre Arbeitsgruppe die Wirkungen niedrig dosierter Folsäure oder Folinsäure (Anfangsdosis ≤ 7 mg/Woche) zur Vermeidung oder Verminderung MTX-bedingter Nebenwirkungen bei erwachsenen RA-Patienten. Ergänzend evaluierten die Wissenschaftler, ob eine Folsäure- oder eine Folinsäuresubstitution den antirheumatischen Nutzen von MTX (≤ 25 mg/Woche) beeinträchtigt. Als Hauptendpunkte definierten die Forscher die Inzidenz von gastrointestinalen Nebenwirkungen (Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen), Ge-
schwüren im Mund (Stomatitis), Lebertoxizitäten (erhöhte Serumtransaminasewerte) und hämatologischen Nebenwirkungen (Anämie, Zytopenie) sowie den Abbruch der MTX-Behandlung.
Ergebnisse
Die Wissenschaftler schlossen 6 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 624 Patienten in ihre Metaanalyse ein. Zunächst analysierten sie die protektiven Wirkungen von Folsäure und Folinsäure getrennt und poolten anschliessend die (vergleichbaren) Ergebnisse. Die Supplementierung mit Folsäure/ Folinsäure senkte das Risiko für eine MTX-bedingte Erhöhung der Serumtransaminasewerte signifikant um 76,9 Prozent (relatives Risiko [RR]: 0,23) im Vergleich zu Plazebo. Das Risiko für einen Abbruch der MTXBehandlung wurde bei der Applikation von Folsäure/Folinsäure signifikant um 60,8 Prozent (RR: 0,39) reduziert. Das Risiko für gastrointestinale Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen oder Bauchschmerzen verringerte sich mit Folsäure/Folinsäure um 26 Prozent (RR: 0,74) im Vergleich zu Plazebo. Zudem wurde ein Trend zu einer Abnahme der Stomatitisinzidenz beobachtet. Die Auswirkungen der Folsäure-/Folinsäuresubstitution auf hämatologische Nebenwirkungen von MTX konnten aufgrund der sehr geringen Fallzahlen nicht beurteilt werden. Im Hinblick auf die Krankheitsaktivität (Anzahl geschwollener Gelenke, Anzahl druckschmerzempfindlicher Gelenke, Beurteilung durch den Patienten) stellten die Forscher keinen Unterschied zwischen beiden Gruppen und demzufolge auch keine Beeinträchtigung der antirheumatischen Wirksamkeit von MTX durch Folsäure oder Folinsäure fest.
Diskussion
Insgesamt stützen die Ergebnisse der Metaanalyse den protektiven Nutzen niedrig dosierter Folsäure/Folinsäure im Hinblick auf MTX-bedingte Nebenwirkungen. 3 Studien, die nicht in die Metaanalyse einbezogen wurden, weisen darauf hin, dass Folsäure in hohen Dosierungen die Wirksamkeit von MTX beeinträchtigen könnte. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen waren allerdings inkonsistent.
26 ARS MEDICI 1 I 2015
Zwischen Folsäure und Folinsäure fanden die Forscher bezüg-
lich der protektiven Wirksamkeit keinen Unterschied. Folsäure
ist jedoch die kostengünstigere Variante. Ob alle RA-Patienten
während einer MTX-Behandlung Folsäure erhalten sollten
oder nur diejenigen, bei denen es zu Nebenwirkungen kommt,
konnte in dieser Metaanalyse nicht untersucht werden. In den
meisten Richtlinien wird jedoch für alle RA-Patienten unter
MTX eine Folatsubstitution empfohlen.
O
Petra Stölting
Shea B et al: Folic acid and folinic acid for reducing side effects in patients receiving methotrexate for rheumatoid arthritis. J Rheumatol 2014; 41: 1049–1060.
Interessenkonflikte: Keine Angaben dazu im Beitrag.
Der Bericht basiert auf einem Cochrane-Review aus dem Jahr 2013 (Ausgabe 5).
ARS MEDICI 1 I 2015
27