Transkript
ARGUS PHARMAKOTHERAPIE
Berichte, Studien, Innovationen
Antikoagulation: Weniger Blutungen unter Dabigatran
Metaanalyse bescheinigt dem NOAK Vorteile gegenüber Vitamin-K-Antagonisten
Die antithrombotische Wirksamkeit von Dabigatran wurde in mehreren Studien belegt – Unsicherheiten bestehen allerdings hinsichtlich des damit assoziierten Blutungsrisikos. Eine neue Metaanalyse attestiert dem neuen oralen Antikoagulans nun ein gegenüber Vitamin-KAgonisten unter dem Strich günstigeres Sicherheitsprofil.
AMERICAN JOURNAL OF CARDIOLOGY
Dabigatran ist ein univalenter niedermolekularer direkter Thrombininhibitor, der als Alternative zu Vitamin-K-Antagonisten (VKA) entwickelt wurde. In verschiedenen Vergleichsstudien mit dem VKA Warfarin hat sich der neue Wirkstoff als effektiv zur Behandlung von venösen Thrombembolien (VTE) und zur Vorbeugung vor Schlaganfall und Mortalität bei Patienten mit Vorhofflimmern (AF) erwiesen. Bedenken bestehen jedoch hinsichtlich des Sicherheitsprofils von Dabigtran, da es darunter möglicherweise vermehrt zu Blutungsereignissen kommt. Eine aktuelle kanadische Übersichtsarbeit und Metaanalyse hat sich daher dieser Frage angenommen und das Risiko für Blutungen und Mortalität von Dabigatran mit dem von VKA verglichen. Dazu screenten die Wissenschaftler die Titel und Abstracts von insgesamt 1179 randomisierten kontrollierten Studien (RCT) in englischer oder französischer Sprache, die bis Juni 2013 Eingang in die Literaturdatenbanken MEDLINE, Embase und Cochrane Library gefunden hatten oder die in den Literaturverzeichnissen vorangegangener solcher Studien aufgeführt waren. Einbezogen in ihre Analyse wurden nur RCT, die an über 18-jährigen Patienten die empfohlene klinische Dabigatrandosis (150 mg, 2-mal täg-
lich) mit VKA oder niedermolekularem Heparin über eine Behandlungsdauer von mindestens 90 Tagen verglichen hatten.
Metaanalyse über fünf randomisierte kontrollierte Studien Von den verbliebenen 54 Veröffentlichungen, die im Volltext detailliert angeschaut wurden, entsprachen die folgenden 5 sämtlichen Auswahlkriterien und fanden Eingang in den systematischen Review: O RE-LY (Conolly SJ et al., NEJM 2009;
361: 1139–1151) O PETRO (Ezekowitz MD et al., Am J Car-
diol 2007; 100: 1419–1426) O RE-COVER II (Schulman S et al., Proc.
ASH 2011; Abstr. 205) O RE-COVER (Schulman S et al., NEJM
2009; 361: 2342–2352) O RE-MEDY (Schulman S et al., NEJM
2013; 368: 709–718).
Diese fünf RCT hatten insgesamt 20 332 überwiegend männliche Patienten im Alter von median 55 bis 71 Jahren eingeschlossen, die entweder aufgrund von AF (n = 18 615) oder VTE (n = 7998) behandelt worden waren. Primäre Effektivitätsendpunkte in den AF-Studien waren entweder throbembolische Ereignisse oder eine Kombination von Schlaganfall und systemischer Embolie. In den VTE-Studien waren wiederholte oder tödliche VTE die Endpunkte. Die Daten der einzelnen Studien bezüglich aufgetretener Blutungsereignisse wurden nach diversen Subkategorien unterteilt. Die einer Behandlung mit Dabigatran zugewiesenen Patienten der RE-COVER- und der RE-MEDY-Studie wiesen ein erheblich geringeres Risiko für Major-Blutungsereignisse oder klinisch relevante Nicht-MajorBlutungen mit tödlichem Ausgang auf. Die Daten der PETRO-Studie waren in diesem Punkt mit den Ergebnissen aus RE-COVER und RE-MEDY inkonsistent aufgrund von breiten 95-Prozent-Konfidenzintervallen (95%-KI).
Alle analysierten Studien deuteten an, dass Patienten unter Dabigatran ein geringeres Risiko für jegliche Blutungen hatten als solche, die zu einer Behandlung mit VKA randomisiert worden waren, wenn auch wiederum die Ergebnisse der PETRO-Studie auch in diesem Punkt aufgrund spärlicher Daten nicht eindeutig ausfielen. Die Inzidenz von Major-Blutungen war in allen fünf Studien unter Dabigatran geringer als unter VKA, diese Unterschiede waren innerhalb der einzelnen Studien jedoch statistisch nicht signifikant. Die beiden einzigen Studien, die die Häufigkeit gastrointestinaler Blutungen untersucht hatten (RE-LY und RE-COVER), ermittelten für Patienten unter Dabigatrantherapie durchgängig ein statistisch signifikant höheres Risiko als für solche, die mit VKA behandelt worden waren (relatives Risiko [RR]: 1,50, 95%-KI: 1,20–1,89 bzw. RR: 1,51, 95%-KI: 1,00–2,30). Demgegenüber zeigte sich in der RE-COVERStudie bei dabigatranbehandelten Patienten im Vergleich mit solchen, die VKA erhalten hatten, ein geringeres Risiko intrakranialer (RR: 0,41, 95%-KI: 0,28–0,60) und intraartikulärer oder intramuskulärer Blutungen (RR: 0,29, 95%-KI: 0,13–0,65). Die Daten hinsichtlich des Risikos für Tod jeglicher Ursache waren in den einzelnen Studien jeweils uneinheitlich; nur in der RE-LY-Studie ergab sich ein Trend zu einer niedrigeren Sterblichkeit unter Dabigatran (RR: 0,89, 95%-KI: 0,79–1,01).
Gepoolte Daten: Dabigatran im Vorteil Wurden die Daten der einzelnen Studien zusammengefasst, zeigte sich, dass Dabigatran nicht mit einem erhöhten Risiko für Major-Blutungen assoziiert war (RR: 0,92; 95%-KI: 0,81–1,05). Die für jegliche Blutungsereignisse gepoolten Daten ergaben für Patienten unter Dabigatran sogar ein gegenüber VKA-behandelten Patienten vermindertes Risiko (RR: 0,77, 95%-KI: 0,64–0,93), das hauptsächlich auf eine Risikoreduktion bei Patienten mit VTE zurückging. Im Vergleich mit VKA liess sich für Dabigatran allerdings auch in den gepoolten Daten ein erhöhtes Risiko für gastrointestinale (RR: 1,51, 95%-KI: 1,23–1,84), jedoch ein vermindertes Risiko für intrakraniale Blutungen (RR: 0,40, 95%-KI: 0,27–0,59) erkennen. Letzteres könnte einen entscheidenden Vorteil für Dabigatran darstellen, denn bei intrakranialen Blutungen handelt es sich um nur schwer behandelbare Komplikationen. Darüber
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hinaus war unter Dabigatran ein Trend zu einem verminderten Risiko für Tod jeglicher Ursache zu beobachten (RR: 0,90, 95%-KI: 0,80–1,01).
Fazit Laut den Ergebnissen der Metaanalyse weist Dabigatran im Vergleich zu VKA Vorteile hinsichtlich des Auftretens von Blutungsereignissen auf. Zusammen mit seiner bereits zuvor in Studien nachgewiesenen Wirksamkeit zur Behandlung von VTE und AF lässt dieses günstigere Sicherheitsprofil den neuen direkten Thrombinhemmer als eine geeignete Alternative zu VKA in der oralen Antikoagulationstherapie erscheinen.
Trotz dieser Vorteile sind nicht alle Sicherheitsbedenken zu Blutungen unter Dabigatran ausgeräumt, zumal bis anhin kein Antidot für diese Substanz existiert. Aufgrund der beobachteten vermehrten gastrointestinalen Blutungen unter Dabigatran sollten entsprechend risikobehaftete Patienten eventuell eher mit VKA behandelt werden. Ähnliche Vor- und Nachteile gegenüber VKA, wie sie sich in dieser Studie für Dabigatran ergaben, wurden in anderen Metaanalysen auch für die neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban nachgewiesen. Noch nicht geklärt ist die Sicherheit von Dabigatran im Langzeitgebrauch. Über
eine insgesamt 4,3-jährige Beobachtungsdauer war die 150-mg-Dosis Dabigatran in der RELY-ABLE-Studie (Conolly SJ et al., Circulation 2013; 128: 237–243) mit einem erhöhten Risiko von Major-Blutungen assoziiert. Um das Langzeitrisiko besser einschätzen zu können, sind jedoch weitere grosse Studien erforderlich. O
Ralf Behrens
Bloom BJ et al.: Meta-analysis of randomized controlled trials on the risk of bleeding with dabigatran. Am J Cardiol 113(6): 1066–1074.
Interessenkonflikte: keine deklariert
BUCHREZENSION
Orthopädie für Hausärzte
Dieses neu erschienene Buch hat mich in den letzten Monaten in meinem Praxisalltag begleitet und sich bestens bewährt. Es spricht für die Autorin, Fachärztin für Orthopädie mit eigener Praxis in Berlin, dass sie uns Hausärzte in den Fokus stellt in ihrem sehr übersichtlich gegliederten Werk. Im Vorwort, das vom bestens bekannten orthopädischen Chirurgen Dr. Alfred Debrunner verfasst worden ist, schreibt dieser treffend, dass Symptome aus dem Formenkreis Orthopädie, Traumatologie und Rheumatologie zu den häufigsten Konsultationsanlässen in einer Grundversorgerpraxis gehören. Diese Patienten können uns zunächst bei der Diagnosestellung vor Probleme stellen. Hier kann das Buch eine echte Hilfe sein, indem es aufzeigt, worauf es bei der Abklärung und Triage ankommt. Natürlich informiert es dann auch über die Abklärungsgänge und Therapiemöglichkeiten. Die Autorin beginnt im Übersichtskapitel mit wichtigen Leitsätzen und geht dann über zu den orthopädischen Notfällen, die nicht häufig sind, aber nicht verpasst werden sollten. Hier sind mir vor allem die orthopädischen Probleme von Jugendlichen wie M. Perthes und Epiphysiolyse sowie die Gelenksinfektionen in Erinnerung geblieben. Anschliessend werden die einzelnen Gelenkregionen von oben nach unten besprochen, immer mit hilfreichen Tabellen und Bildern versehen. Auch «Red Flags» werden erwähnt sowie bei Bedarf ausführliche Differenzialdiagnosen. Vor allem im Unterarm- und Handkapitel sind viele Krankheitsbilder beschrieben, die uns täglich in der Praxis begegnen. Im zweiten Teil folgen dann mehr allgemeine Kapitel zu generalisierten Erkrankungen und Verletzungen sowie eine ausführliche Darstellung der Kinderorthopädie. Abgeschlossen wird das Buch durch eine systematische Übersicht orthopädischer Diagnostik mit körperlichen Untersuchungsbefunden,
bildgebenden Verfahren, Labortests und Untersuchungs-
bögen, die man sich am liebsten in die Krankengeschichte
kopieren würde. Den Abschluss bilden die Kapitel Therapie
und Nachbehandlung/Rehabilitation.
Ein ausführliches Stichwortverzeichnis lässt einen das Buch
auch als Nachschlagewerk bei gezielten Fragen benützen. Die
Autorin hat es geschafft, auf 240 Seiten ein sehr verlässliches
Werk zu verfassen. «Orthopädie für Hausärzte» kann nicht nur
allen hausärztlich tätigen Kollegen, sondern allen an Ortho-
pädie interessierten Ärzten sehr empfohlen werden.
O
Dr. med. Elisabeth Bandi-Ott
Orthopädie für Hausärzte Sandra Krüger. Gebundene Ausgabe, 240 Seiten, Verlag Hans Huber; 1. Aufl., 2013. ISBN-10: 3456852738; ISBN-13: 978-3456852737.
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