Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Körperliche Leistungsfähigkeit und Mortalität
Wer mit Anfang 50 noch fit ist, lebt wahrscheinlich länger
Ein besseres Abschneiden bei objektiven Tests zur körperlichen Leistungsfähigkeit ist bei älteren Menschen nachweislich mit einer geringeren Rate der Sterblichkeit jedweder Ursache assoziiert. Während sich dieser Zusammenhang möglicherweise durch sich im Alter auswirkende Beziehungen zwischen körperlichem Leistungsvermögen, Krankheitsentstehung und Mortalität erklären lässt, stellt sich die Frage, ob bereits in jüngeren Jahren, also bevor diese spezfischen Beziehungen manifest werden, eine solche Assoziation bestehen könnte. Um dieser Frage nachzugehen, haben britische Wissenschaftler im Rahmen einer Kohortenstudie (British Birth Cohort Study)
die an insgesamt 1355 Männern und 1411 Frauen im Alter von 53 Jahren erhobenen Daten aus drei etablierten Tests zur körperlichen Leistungsfähigkeit ausgewertet und untersucht, ob ein Versagen bei diesen Tests mit der während eines 13-jährigen Followups ermittelten Sterblichkeit (Mortalität jedweder Ursache im Alter zwischen 53 und 66 Jahren) dieser Personen korreliert. Die Analyse der Ergebnisse von drei untersuchten körperlichen Leistungsparametern (Griffstärke, Geschwindigkeit des Aufstehens vom Stuhl, erreichter Zeitwert im Balance-Test im Stehen) ergab, dass diejenigen Probanden, die in diesen Tests scheiterten oder deren Leistungen im unteren Fünftel lagen,
eine deutlich höhere Mortalitätsrate aufwiesen als diejenigen mit Ergebnissen im oberen Fünftel. Auch für Personen, die keinen der drei Tests absolvieren konnten, ergaben sich höhere Sterblichkeitsraten als für diejenigen, die alle drei Prüfungen meisterten. Beim Vergleich der prognostischen Aussagekraft der verschiedenen Tests zeigte sich, dass die im Stehbalance-Test erreichte Zeit stärker mit der Sterblichkeit assoziiert war als die anderen beiden Leistungsparameter. Die Forscher schliessen aus den in der Studie beobachteten Zusammenhängen, dass sich bereits im relativ jungen Alter von 53 Jahren mithilfe der Tests zur körperlichen Leistungsfähigkeit Personengruppen identifizieren lassen, für die es im Vergleich mit Altersgenossen weniger wahrscheinlich ist, lange und gesund zu leben.
RABEO
Cooper R et al.: Physical capability in mid-life and survival over 13 years of follow-up: British birth cohort study. BMJ 2014; 348:g2219, published 29 April 2014.
Malaria
Neue Impfstoffkandidaten gehen in die klinische Entwicklungsphase
Unter der Koordination der European Vaccine Initiative (EVI) arbeiten insgesamt sechzehn Projekte an einer beschleunigten Entwicklung von Impfstoffen gegen Malaria. Davon haben zwei neuartige Impfstoffkandidaten jüngst die Genehmigung der zuständigen Ethikausschüsse und Aufsichtsbehörden für den Start der klinischen Entwicklung erhalten. Die beiden neuen Impfstoffkandidaten mit der Bezeichnung P27A beziehungsweise AMA1-DiCo sind Bestandteil des kontinuierlichen Engagements der EVI, die Entwicklung neuer Lösungen und Strategien zur Bekämpfung der Malaria zu unterstützen. Prof. Dr. Rainer Fischer, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME (Aachen), das einer der Partner in der AMA1-DiCo-Entwicklung ist, betont: «Wirksame Impfstoffe bilden eine zentrale Komponente einer umfassenden und integralen Kontrollstrategie, die auf die endgültige Ausrottung von Malaria ausgerichtet ist. Langfristige Investitionen und Innovation sind unverzichtbar, wenn wir diesen Kampf gewinnen wollen.»
Dank international abgestimmter Aktionen konnten bedeutende Fortschritte im Kampf gegen die Malaria gemacht werden. Seit dem Jahr 2000 hat sich die Sterblichkeitsrate bei Malaria unter Kleinkindern halbiert, und insgesamt konnten 3,3 Millionen Menschenleben gerettet werden. Trotz dieser Fortschritte erkrankt immer noch eine Unzahl von Menschen an Malaria: Allein 2012 gab es nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ungefähr 207 Millionen Fälle von MalariaErkrankungen und 627 000 malariabedingte Todesfälle. Die beiden wichtigsten Ziele der AMA1DiCo- und P27A-Projekte, die technisch und finanziell von EVI unterstützt werden, bestehen in der Bewertung der klinischen Sicherheit und Immunogenität der beiden Impfstoffkandidaten. AMA1 wurde ursprünglich in Forschungsarbeiten entdeckt, in denen die Rolle menschlicher Antikörper in der natürlich erworbenen Immunität bei Kindern in verschiedenen endemischen Populationen in Afrika untersucht wurde. P27A wurde demgegenüber als potenziell
neuartiger Impfstoffkandidat mittels «genome mining» identifiziert. Beide Projekte werden unter der Koordination von EVI von einem internationalen Konsortium durchgeführt, darunter Partner aus der Privatwirtschaft und dem öffentlichen Sektor aus Europa, USA und Afrika. Dr. Odile Leroy, geschäftsführende Direktorin der EVI, erklärt: «Die Entwicklung der nächsten Generation von MalariaImpfstoffen ist von grösster Bedeutung für die Optimierung der Wirkung anderer lebensrettender Massnahmen, die bereits umgesetzt werden. Um die bisherigen Fortschritte aufrechterhalten zu können, müssen die Finanzierungsmittel beibehalten oder erhöht werden. EVI dankt ihren Förderern für die langfristige und nachhaltige Unterstützung dieser und anderer Projekte. Insbesondere richtet sich unser Dank an Irish Aid, die Generaldirektion für Internationale Zusammenarbeit des niederländischen Aussenministeriums, die European & Developing Countries Clinical Trials Partnership sowie an das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung.» Die Ergebnisse der klinischen Phase-IStudien der beiden Projekte sollen 2015 beziehungsweise 2016 vorliegen. RABEO
Quelle: Marketwired, 22. April 2014
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ARS MEDICI 10 I 2014
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Psychologie
Schlagende Argumente gegen die körperliche Bestrafung von Kindern
Schweizer Eltern haben seit 1978 zwar nicht mehr das offizielle Recht, ihre Kinder körperlich zu züchtigen, doch die körperliche Bestrafung ist hierzulande im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Staaten, wie den skandinavischen Ländern, Deutschland, Österreich oder Italien, wo die Prügelstrafe in der Kindererziehung offiziell verboten ist, immer noch eine gesetzlich gebilligte Hand-
lung, die gemäss einer Untersuchung der Universität Freiburg aus dem Jahr 2004 von 43,9 Prozent der befragten Eltern in der Deutsch- und Westschweiz praktiziert wurde. Auf der anderen Seite war jedoch der Anteil der Eltern, die eigenen Angaben zufolge ihre Kinder niemals körperlich gezüchtigt hatten, seinerzeit von 13,2 Prozent im Jahr 1990 auf 26,4 Prozent gestiegen, was dem allgemeinen Trend in Europa entspricht. In den USA dagegen dürfen Kinder nicht nur im häuslichen Umfeld, sondern in vielen Bundesstaaten auch in der Schule nach wie vor körperlich bestraft werden, vorausgesetzt es handelt sich dabei um eine «vernünftige» Strafe – ein durchaus dehnbarer Begriff … Wissenschaftler der Southern Methodist University (SMU) in Dallas, Texas, haben im Rahmen einer jetzt im Journal of Family Psychology veröffentlichten Studie herausgefunden, dass in der Hälfte der beobachteten 33 Familien körperliche Bestrafungen der Kinder im Alter zwischen 2 und 5 Jahren stattfanden, und zwar häufiger, als es Literaturdaten glauben machen. Im Gegensatz zu den meisten Untersuchungen auf diesem Gebiet hat man sich in der texanischen Studie
nicht allein auf die Angaben der Eltern ver-
lassen, sondern zusätzlich Audioaufzeich-
nungen ihres Erziehungsverhaltens angefer-
tigt, für die die teilnehmenden Mütter an bis
zu 6 Abenden einen digitalen Audiorekorder
am Arm trugen.
Wie die Auswertung der Tondokumente er-
gab, waren die körperlichen Strafen vielfach
nicht im Einklang mit den entsprechenden
Vorgaben der US-amerikanischen
«best practice guidelines», wonach
dieses Erziehungsmittel etwa nur
bei besonders schwerem Fehlver-
halten und nicht im Zorn angewen-
det werden sollte. Darüber hinaus
konnten die Forscher über Latenz-
analysen zeigen, dass sich die auf
diese Weise gemassregelten Kinder
in rund drei Vierteln der untersuch-
ten Fälle bereits innerhalb von
10 Minuten nach erfolgter Strafe
erneut danebenbenahmen. Abge-
sehen davon, dass so behandelte
Kinder möglicherweise daraus ler-
nen, Gewalt sei ein probates Mittel
zur Durchsetzung von Interessen,
hat die körperliche Bestrafung demnach also
keinerlei pädagogischen Effekt.
Die Autoren räumen zwar ein, dass die Er-
gebnisse dieser Pilotstudie aufgrund der ge-
ringen Grösse der untersuchten Stichprobe,
des kurzen Unteruchungszeitraums sowie der
Probandenauswahl (es wurden nur Mütter
eingeschlossen, die angegeben hatten, min-
destens zweimal pro Woche vor Wut ge-
schrien zu haben) nicht ohne Weiteres zu ver-
allgemeinern sind. Dennoch erachten sie die
Audioaufzeichnung als geeignetes Mittel,
Daten zur Untersuchung familiärer Inter-
aktionen zu sammeln. Dabei ist nicht auszu-
schliessen, dass das Wissen um die Anfer-
tigung von Tondokumenten die Erziehungs-
berechtigten in ihrem Verhalten beeinflusst
haben könnte. Häufigkeit und Ausmass
körperlicher Strafen könnten daher auch
mit dieser Methode noch weit unterschätzt
werden.
RABEO
Holden GW et al.: Eavesdropping on the family: a pilot investigation of corporal punishment in the home. J Fam Psychol, Apr 14, 2014.
RÜCKSPIEGEL
Vor 10 Jahren
Vergeblicher Versuch
Die WHO setzt sich das ehrgeizige Ziel, im Lauf des Jahres 2004 das Poliovirus endgültig zum Erlöschen zu bringen. Man legt ein spezielles Impfprogramm auf, um die letzten noch befallenen Regionen poliofrei zu machen: Nigeria, Uttar Pradesh und Bihar in Indien sowie den Nordwesten von Pakistan und die pakistanische Provinz. Die Hoffnung auf Erfolg ist gross, weil sich der Poliobefall erstmals auf gewisse «Hotspots» eingrenzen lässt. Wie wir heute wissen, gelang es trotzdem nicht, die Welt poliofrei zu machen. Heute ist Polio in Afghanistan, Indien, Nigeria und Pakistan noch immer vorhanden, und das Virus wird immer wieder in einst poliofreie Länder eingeschleppt.
Vor 50 Jahren
Kalte Prostata-OP
Die Urologen M. J. Gonder, W. A. Soames und V. Smith publizieren im Mai 1964 ihre Erfahrungen mit der neuen Technik der Kryochirurgie. Sie verwendeten die neue Methode erstmals zum Entfernen von Adenomen der Prostata. Das Team arbeitete mit flüssigem Stickstoff, der transurethral an die Prostata appliziert wurde. Da hierbei eine exakte Positionierung nicht möglich war, kam es häufig zu schweren Komplikationen wie Inkontinenz, Schäden am Harnleiter oder rektourethrale Fisteln. Erst in den späten 1980er Jahren war man technisch so weit, dass eine gezielte Kryochirurgie an der Prostata möglich wurde.
Vor 100 Jahren
Olympische Ringe
Nachdem Pierre de Coubertin zuvor selbst gemalte olympische Ringe auf einem Briefkopf verwendet hatte, präsentierte er das Symbol und die olympische Flagge mit den Ringen am IOC-Kongress in Paris im Juni 1914 (Foto: Wikipedia).
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