Transkript
POLITFORUM
Cannabistropfen
INTERPELLATION vom 21.9.2011 Andrea Martina Geissbühler Nationalrätin SVP Kanton Bern
von Cannabistropfen erteilt habe. Dieser massive Ausbau und die Förderung von Cannabisprodukten steht in klarem Widerspruch zum Willen der Bevölkerung. Diese lehnte die Cannabis-Initiative und damit den Anbau, Handel und Konsum von Cannabis 2008 klar ab.
❖ Wer kontrolliert den Cannabisanbau? ❖ Wer kontrolliert den Handel? ❖ Wer stellt die Tropfen her? ❖ Wer kontrolliert die Qualität und den THC-
Gehalt? ❖ Wer entscheidet, welche Personen Canna-
bistropfen erhalten sollen? ❖ Wie wird dem Ameisenhandel entgegenge-
treten?
In den Medien wurde berichtet, dass das BAG dank des revidierten Betäubungsmittelgesetzes in den letzten 12 Monaten rund 5 Bewilligungen pro Woche zur Herstellung
Fragen: ❖ Wer pflanzt den Cannabis an? ❖ Wer erteilt eine Bewilligung zum Anbau? ❖ Welche Bedingungen müssen erfüllt wer-
den, damit angepflanzt werden darf?
Aus der Antwort des Bundesrates vom 23.11.2011
Das revidierte Betäubungsmittelgesetz ist am 1. Juli 2011 in Kraft getreten. Das Gesetz regelt neu unter anderem auch die medizinische Anwendung von Cannabis. Der Gesetzgeber hat in Artikel 8 Absatz 5 die beschränkte medizinische Anwendung für alle verbotenen Stoffe, einschliesslich Hanf, grundsätzlich zugelassen. Dies sollte vor allem Multiple-Sklerose-, Krebs- und HIV-positiven Patienten und Patientinnen zugute kommen. Unter beschränkter medizinischer Anwendung wird die Anwendung eines nicht zugelassenen Arzneimittels bei einer schwerkranken Person verstanden. Die Voraussetzungen dafür sind im Heilmittelgesetz für alle Arzneimittel geregelt. Für Cannabis braucht es zusätzlich eine Ausnahmebewilligung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG). Kommt ein Arzt oder eine Ärztin in Abwägung der im HMG beschriebenen Rahmenbedingungen zum Schluss, dass Cannabis unter den zur Verfügung stehenden Therapien die geeignetste ist, muss er/sie einen Antrag für eine Ausnahmebewilligung gemäss Artikel 8 BetmG ans BAG stellen. Wissenschaftliche Studien haben nämlich gezeigt, dass Cannabis z.B. bei multipler Sklerose die Spasmen reduziert, bei Krebserkrankungen den Appetit steigert und auch zur Schmerzbehandlung erfolgreich eingesetzt werden kann. Der Arzt entscheidet aufgrund dieser wissenschaftlichen Literatur, was für einen Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) das Medikament haben soll, das er oder sie für die Behandlung braucht. Das BAG prüft nun, ob der Antrag die Kriterien des HMG erfüllt. Wenn dem so ist, erteilt das BAG eine befristete Ausnahmebewilligung,
immer für eine/n einzelnen, namentlich bekannten Patienten/in und an eine/n einzelne/n verantwortliche/n Arzt/Ärztin. Seit Anfang Juli und bis Ende September 2011 sind beim BAG 76 Ausnahmebewilligungen erteilt worden, und 5 wurden abgelehnt. Die vom BAG erteilten Ausnahmebewilligungen gingen an Patienten und Patientinnen mit folgenden Diagnosen: Multiple Sklerose (etwa 45 Prozent), weitere spezifische Erkrankungen des Rückenmarks wie z.B. Tetraplegie, Rückenmarkskompressionen usw. (32 Prozent), Tumorerkrankungen (14 Prozent), chronische Schmerzen (9 Prozent).
Im Einzelnen beantwortet der Bundesrat die Fragen wie folgt: ❖ Das BAG ist zuständig für das Erteilen einer
Ausnahmebewilligung für den Anbau von Cannabis für die medizinische Anwendung. Die Voraussetzungen für den Anbau werden in Artikel 14 der Betäubungsmittelkontrollverordnung geregelt. In der Schweiz wird zurzeit kein Cannabis für die medizinische Behandlung angebaut, entsprechend wurde keine diesbezügliche Ausnahmebewilligung erteilt. Es wird nur synthetisch hergestelltes und aus dem Ausland importiertes Tetrahydrocannabinol (THC) verwendet. ❖ Die gesuchstellende Person muss nachweisen, dass ein ausreichender Schutz vor Diebstahl des Cannabis vorhanden ist. Die Sicherheitsauflagen werden gemeinsam vom BAG und den kantonalen Behörden (Kantonsapothekeramt und Polizei) im Einzelfall formuliert, wie z.B. Sichtschutz, Sicherheitszaun usw.
❖ Das BAG ist für die Kontrolle des Anbaus von Cannabis zuständig. Diese wird zusammen mit den kantonalen Behörden (Kantonsapothekeramt und Polizei) durchgeführt.
❖ Der Handel wird ebenfalls gemeinsam vom BAG und den kantonalen Behörden kontrolliert. Für den Handel braucht es eine Ausnahmebewilligung des BAG. Diese wird nur erteilt, wenn sowohl der/die Abnehmer/in als auch der/die Bezüger/in bekannt sind.
❖ Das verwendungsfertige Arzneimittel mit THC wird in einer öffentlichen Apotheke in Ausführung einer ärztlichen Verschreibung aus einer öligen Lösung mit 2,5 Prozent THC hergestellt. Zurzeit verfügen zwei Apotheken über eine Ausnahmebewilligung des BAG.
❖ Sowohl der Hersteller für die ölige Lösung mit 2,5 Prozent THC als auch die Apotheken, welche die verwendungsfertigen Arzneimittel herstellen, sind für die Einhaltung der Qualität gemäss der guten Herstellungspraxis verantwortlich. Dabei handelt es sich um international anerkannte Richtlinien und Normen für die Arzneimittelproduktion.
❖ Der/die behandelnde Arzt/Ärztin stellt aufgrund der Diagnose einen Antrag beim BAG für die Behandlung mit Cannabis. Das BAG prüft, ob die Bedingungen erfüllt sind, und erteilt die entsprechende Ausnahmebewilligung.
❖ Ameisenhandel kann in diesem Kontext mit allergrösster Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Es laufen sämtliche Prozessschritte von der Produktion bis zur Verschreibung unter streng kontrollierten Bedingungen ab.
XUNDHEIT IN BÄRN
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XUNDHEIT IN BÄRN
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Härtefallkommission Gesundheit
POSTULAT vom 30.9.2011 Gerhard Pfister Nationalrat CVP Kanton Zug
Der Bundesrat wird beauftragt zu prüfen, ob analog zur Härtefallkommission im Migra-
tionsbereich eine solche Kommission für die Gesundheit eingerichtet werden kann. Konkret soll diese Fälle behandeln, in denen umstritten ist, ob die Krankenkasse die teure Behandlung von seltenen Krankheiten übernehmen soll oder nicht. In dieser Kommission vertreten sein könnten Krankenkassen, Ärzte, Ethiker und Psychologen.
Begründung Immer wieder kommt es vor, dass die Behandlung von seltenen Krankheiten mit teuren Me-
dikamenten für Aufruhr sorgt. Dabei stehen die Behandlungskosten pro Jahr, der Nutzen für die Patientin oder den Patienten sowie der Aufwand für die Krankenkasse in einem Spannungsverhältnis. Anstatt die Beurteilung dem Bundesgericht zu überlassen, soll eine «Härtefallkommission Gesundheit» Fälle beurteilen, bei denen die Krankenkasse die Übernahme der Medikamentenkosten bei seltenen Krankheiten ablehnt oder die Kostenübernahme umstritten ist.
Dies die Stellungnahme des Bundesrates vom 23.11.2011
Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum überwiesenen Postulat Humbel («Nationale Strategie zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation von Menschen mit seltenen Krankheiten») aufgezeigt, dass die Schweiz über ein gut ausgebautes medizinisches Versorgungsnetz verfügt, das grundsätzlich auch Menschen, die an einer seltenen Krankheit leiden, eine adäquate Versorgung garantiert. Gleichzeitig hat er sich bereit erklärt, unter Einbezug der betroffenen Akteure weitere Massnahmen im Bereich der seltenen Krankheiten zu prüfen und Bericht zu erstatten. Er anerkannte in verschiedenen Bereichen noch Handlungs- und Verbesserungsbedarf. Hinzu kommt, dass sich das Bundesgericht in einem Urteil vom 23. November 2010
im Fall Myozyme zur Kostenübernahme von Arzneimitteln im Einzelfall durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) äusserte. In diesem Entscheid hat es zur grundlegenden Frage der Grenzen der Finanzierbarkeit von Leistungen im Gesundheitswesen Stellung genommen. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) am 23. September 2011 die betroffenen Akteure eingeladen, an einem runden Tisch gemeinsam die grundlegende Fragestellungen zum Thema Orphan Diseases zu diskutieren. Im Mittelpunkt der Diskussionen standen die Themenbereiche Diagnostik von seltenen Krankheiten, deren Behandlung und die Vergütung von Arzneimitteln sowie Therapien gegen diese Krankheiten.
Der Bundesrat ist bereit, im Rahmen der bereits gestützt auf das Postulat Humbel in Angriff genommenen Arbeiten im Hinblick auf eine Strategie auch den Prüfauftrag des vorliegenden Postulats aufzunehmen und das Eidgenössische Departement des Innern beziehungsweise das BAG entsprechend zu mandatieren.
Der Bundesrat beantragt die Annahme des Postulates.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt
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