Transkript
Ambrosia: Gefahr für Allergiker?
Traubenkrautpollen sind aggressive Allergene
FORTBILDUNG
In Nordamerika, wo Ambrosiapflanzen (Ragweed) weitverbreitet sind, leiden bis 50 Prozent der exponierten Bevölkerung an einer Respirationsallergie, vor allem an Asthma. Von den USA gelangten Ambrosiasamen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges durch Getreidekörner nach Europa.
SILVY BACH1, ANDREAS J. BIRCHER1, KATHRIN SCHERER1 UND BRUNELLO WÜTHRICH2
Ambrosia artemisifolia (Beifussblättriges Traubenkraut; Synonyme: Ambrosia elatior L., aufrechtes Traubenkraut, Ragweed) ist eine aus Nordamerika importierte Pflanze. Sie gehört wie der Beifuss (Artemisia) zur Familie der Korbblütler (Asteraceae, Compositae), wird aber im Gegensatz zu den meisten anderen Arten nicht durch Insekten, sondern durch den Wind bestäubt (Abbildung 1 [1]). Die Gruppe der Ambrosia umfasst mehrere Dutzend Arten. Ambrosien-Arten sind in Nordamerika beheimatet und dort weitverbreitet. Traubenkraut ist als Auslöser ausgeprägter Rhinitis- und vor allem Asthmasymptome während seiner Pollenflugzeit im Spätsommer bekannt. In gewissen Gegenden Nordamerikas brechen saisonale Asthmaepidemien aus (über 50% der Pollinosen können auf Ragweedpollen zurückgeführt werden) und verursachen zunehmende Gesundheitskosten (2). Die kanadischen Behörden rechnen mit jährlich 50 Millionen Franken an direkten Gesundheitskosten sowie für Massnahmen zur Bekämpfung der gefürchteten Pflanze. Mitte des 20. Jahrhunderts war sie in Europa lediglich in Ungarn und Südfrankreich (Rhonetal) vertreten. Samen von Ambrosia waren dorthin nach dem Zweiten Weltkrieg, durch Weizen- und Sonnenblumensamen, eingeschleppt worden (Anpflanzung von Weizen und Sonnenblumen in Ungarn aufgrund des Marshallplans zum Wiederaufbau in Ungarn bzw. Umschlag der Getreidesäcke im Hafen von Marseille [3, 4]).
1 Allergologische Poliklinik, Dermatologische Klinik, Universitätsspital Basel, Schweiz 2 FMH Dermatologie, FMH Allergologie und klinische Immunologie
Abbildung 1: Ambrosiapflanze (Quelle: aha!news 2/2004, S. 22 [1]) Einjähriges Kraut, 20 bis 90 cm hoch, mit Pfahlwurzel und aufrechten Stängeln, besonders oben abstehend, zottig behaart. Blätter kurzhaarig, im Umriss dreieckig bis oval, fiederteilig, die grösseren Abschnitte nochmals fiederteilig oder gezähnt. Männliche Blütenköpfe 4 bis 5 mm Durchmesser, am Ende der Zweige in einem ährenförmigem Blütenstand, mit gelblichen Staubblättern. Weibliche Blütenköpfe meist 1-blütig, unter den männlichen angeordnet. Fruchthülle mit 5 bis 7 kurzen Stacheln. Blütezeit Juli bis Oktober. Weitere Informationen: www.ambrosia-info.ch/ www.ne.ch/neat/site/jsp/rubrique/rubrique.jsp?CatId=5&SEARCH=Ambrosia
Rascher Vormarsch in Europa In Europa kommen insbesondere das als hochallergen bekannte Beifussblättrige Traubenkraut (Ambrosia artemisifolia) sowie seltener das Dreiblättrige Traubenkraut (Ambrosia trifida) und das Ausdauernde Traubenkraut (Ambrosia psilostachya)
Merksätze
■ In Norditalien und in der Region um Lyon beträgt die Rate der Sensibilisierung auf Ambrosia zwischen 30 und 80 Prozent bei Atopikern, und eine klinisch manifeste Allergie (Rhinitis und Asthma im Spätsommer) besteht bei gegen 40 Prozent aller Pollinosefälle.
■ Für die Unterscheidung zwischen einer echten Ambrosia- und einer Beifusssensibilisierung und einer Kreuzreaktivität eignet sich die spezifische IgE-Bestimmung mit den spezifischen rekombinanten Allergenen.
■ Schweizer Allergologen, Biologen, Agronomen und Meteorologen warnen immer eindringlicher vor einer weiteren Ausbreitung des gefährlichen Krauts.
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FORTBILDUNG
als Neophyten vor. Relevante Pflanzenmengen finden sich nun auch in Norditalien, im östlichen Österreich, Kroatien, Polen und Bulgarien. Die Samen werden vor allem während des Transports von Material (Erdreich, Kies, Kompost) verteilt, allerdings auch als «blinde Passagiere» durch Autoreifen, da das Traubenkraut auch unter schwierigen Bedingungen, etwa am Strassenrand, gedeihen kann. Die Verbreitung erfolgt zudem durch verunreinigtes Vogelfutter, Samenmischungen, Getreide und anderes Saatgut. Die effektive Ausbreitung auf neue Areale in Europa korreliert gut mit einer Zunahme der Sensibilisierungsraten bei Patienten mit respiratorischen Allergien (5), und Ambrosiapollen werden als potenter Sensibilisator in verschiedenen Ländern angesehen. In Europa nimmt diese Sensibilisierung in den letzten Jahren schnell zu; auch scheint die Allergie auf Traubenkrautpollen deutlich anzusteigen (Prävalenz der Sensibilisierung zwischen 30% und 90% bei Atopikern [6]). In Norditalien liegt die Inzidenz der durch Traubenkrautpollen ausgelösten allergischen Sensibilisierung zwischen 25 und 90 Prozent aller Pollinosepatienten, mit deutlicher Steigerung seit Ende der Achtzigerjahre (Tabelle 1 und 2, Abbildung 2 [7–9]). Allein im Mailänder Stadtspital sind die Behandlungskosten auf jährlich 2 Millionen Franken angestiegen. Im Rhonetal, rund um Lyon, reagieren bereits 12 Prozent der
Tabelle 1: Anzahl Patienten, die positiv auf Ambrosia getestet sind, im Verhältnis zu den Pollenallergikern — starke Zunahme der Sensibilisierung (nach A. Tosi, Ospedale di Legnano [9])
Jahr 1. Besuch
1989 1045 1990 746 1991 772 1992 838 1993 733 1994 759 1995 833 1996 897 1997 1253 1998 1310 1999 2059 2000 1234 2001 150 2002 1318 2003 971 2004 1412 2005 1115 2006 1163
Positiv auf Pollen Positiv auf Ambrosia (Anteil der Pollenpositiven)
557 134 (24,06%) 396 151 (38,13%) 412 171 (41,50%) 450 166 (36,89%) 287 165 (57,49%) 348 197 (56,61%) 509 237 (46,56%) 511 300 (58,71%) 702 407 (57,98%) 734 372 (50,68%) 1000 481 (48,10%) 703 385 (54,77%) 861 506 (58,77%) 833 552 (66,27%) 609 402 (66,01%) 898 633 (70,49%) 721 501 (69,49%) 904 507 (56,08%)
Tabelle 2: Prozentualer Anteil der Asthmatiker unter den auf Ambrosia positiv Getesteten
(nach A. Tosi, Ospedale di Legnano [9])
Jahr Positiv auf Ambrosia
1989 134 1990 151 1991 171 1992 166 1993 165 1994 197 1995 237 1996 300 1997 407 1998 372 1999 481 2000 385 2001 506 2002 552 2003 402 2004 633 2005 501 2006 507
n.r. = nicht registriert
Anteil mit Asthma
32,31% 31,51% 29,49% 25,33% 35,06% 34,23% 42,79% 44,46% 38,02% 47,75% 45,71%
n.r n.r n.r n.r n.r 35,15% 40,54%
%
100 90 80 70 60 50 40 30 20 10
0 1
2 Jahre
3
Abbildung 2: Anteil (%) der auf Ambrosia positiv getesteten Patienten in den Perioden 1989—1993 (Säule 1), 1994—1998 (Säule 2) und 1999—2006 (Säule 3) (nach A. Tosi, Ospedale di Legnano)
Bevölkerung allergisch, und in gewissen Gegenden Ungarns zeigten über 60 Prozent der Pollenallergiker im Hauttest eine Sensibilisierung auf Ambrosiapollen (10).
Ambrosia in der Schweiz Eine Zunahme von Traubenkrautpollen in der Schweiz wurde seit 1993 stetig beobachtet (11, 12). Ursächlich scheint eine
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A M B R OS I A : G E FA H R F Ü R A L L E R G I K E R?
Kolonisation mit Traubenkraut in manchen Gegenden der Schweiz sowie in benachbarten, stark betroffenen Regionen Frankreichs und Italiens zu sein. Eine Pollendichte von lediglich 11 Pollen/m3 Luft scheint allergische Symptome bei Sensibilisierten auslösen zu können. Diese Pollendichte wurde in den letzen Jahren mehrfach übertroffen in Teilen des Tessins und annähernd erreicht in der Region Genf. Glücklicherweise scheinen trotzdem klinisch relevante Sensibilisierungen in der Schweiz derzeit noch selten zu sein (13–15). Die SAPALDIAKohortenstudie erfasste die Prävalenz der atopischen Disposition der Schweizer Bevölkerung gegenüber verschiedenen häufigen Inhalationsallergenen (mittels Phadiatop®) im Jahr 1991 und erneut 2002 (15–17): Der Phadiatop war positiv in 29,3 Prozent beziehungsweise 30,3 Prozent der Fälle. Im Jahr 2002 fanden sich in 7,9 Prozent der SAPALDIA-Patienten sIgE gegen Traubenkraut. In der Gruppe der Patienten aus Lugano und Genf, die zweimal gemessen wurden, waren 1991 9,4 Prozent positiv auf Traubenkrautpollen, im Unterschied zu 6,6 Prozent 2002. 14 Personen (1,4%) scheinen sich in diesen 11 Jahren neu sensibilisiert zu haben auf Traubenkrautpollen. Im selben Zeitraum verloren jedoch 44 Personen (4%), die zuvor auf mindestens eines der beiden Allergene positiv getestet waren, ihre Sensibilisierung. Die Sensibilisierungsrate hat also zwischen den beiden SAPALDIA-Untersuchungen nicht signifikant zugenommen, ebenso wie sich für Lugano und Genf seit 1991 keine signifikanten Änderungen ergeben haben (15).
Zur Kreuzsensibilisierung zwischen Ambrosia- und Beifusspollen Aufgrund der botanischen Verwandtschaft werden Kreuzreaktionen mit anderen Arten der Korbblütler beschrieben. So sind für alle drei oben genannten Arten Kreuzreaktionen mit Kamille, Beifuss und der falschen Ambrosia (Ambrosia acanthicarpa oder Franseria acanthicarpa) nachgewiesen worden. Mehrere Arbeiten der letzten Jahre zeigen, dass Traubenkraut und Beifuss ähnliche allergene Epitope aufweisen, die eine Kreuzreaktivität in der Serologie oder im Hauttest möglich erscheinen lassen, mit bis heute ungeklärter klinischer Relevanz (5, 13–15, 18). Diese Kreuzreaktivität könnte jedoch für kräuterallergische Patienten in Europa – bei entsprechender Ambrosiapollen-Exposition – zunehmend bedeutsam werden. In einer Studie untersuchten wir die Sensibilisierungsrate auf Ragweedpollen im Kollektiv der Patienten der Allergologischen Poliklinik am Universitätsspital Basel sowie die Häufigkeit der Ko- beziehungsweise Kreuzsensibilisierung Beifuss–Traubenkraut und ihre klinische Relevanz (18). In einem ersten Teil der Studie wurden 787 unselektionierte Patienten (451 Frauen, 336 Männer, mittleres Alter 38 Jahre, Extreme 3–86 Jahre) der Allergologischen Poliklinik zwischen April 2005 und März 2006 mittels Pricktests auf Inhalationsallergene inklusive Traubenkraut untersucht. Anschliessend wurden jene 64 der 787 Patienten telefonisch kontaktiert, die unter anderem auf Traubenkrautpollen positiv reagiert hatten. 24 aus dieser Gruppe (14 Frauen, 10 Männer, mittleres Alter 41,6 Jahre) stellten sich für zusätzliche Untersuchungen (IgE-Bestimmung,
konjunktivale Provokationstests [KPT]) zur Verfügung. Die klinische Kreuzreaktivität wurde anhand von Anamnese (Zeitraum der allergischen Symptome) und KPT mit beiden Extrakten erfasst. Von 787 Patienten wurden 501 (63,3%) als Atopiker – definiert durch das Vorliegen einer Sensibilisierung auf mindestens ein häufiges Inhalationsallergen – identifiziert. Von diesen 501 Atopikern waren 35 (6,9%) auf Traubenkrautpollen allein, 29 (5,8%) auf Traubenkraut- und Beifusspollen und 30 (5,9%) auf Beifusspollen allein sensibilisiert. Die kumulative Rate der Sensibilisierung auf Traubenkrautpollen betrug in diesem Kollektiv 12,8 Prozent, auf Beifusspollen 11,8 Prozent. Als Vergleich ergab sich eine Sensibilisierung auf Birkenpollen von 43,5 Prozent (217/501 positive Testreaktionen). Von den 24 genauer untersuchten Atopikern waren 20 (83,3%) positiv auf Traubenkraut- und Beifusspollen und nur 4 (16,6%) auf Traubenkrautpollen alleine. Alle bis auf 1 Patienten waren im Hauttest auch positiv auf andere Asterazeen-Pollen. Nur 2 der 24 Patienten berichteten über Rhinokonjunktivitis im Spätsommer, 21 litten an atopischen Erkrankungen zu anderen Zeiten des Jahres, und 3 Patienten gaben an, nicht an atopischen Erkrankungen zu leiden. Spezifische IgE (sIgE) auf Beifuss- und Traubenkrautpollen wurden bei 14 Patienten nachgewiesen, bei 2 Patienten lediglich auf Traubenkrautpollen. Allerdings waren die sIgE-Titer üblicherweise niedrig. Möglicherweise relevante sIgE-Titer (>0,7 kU/l, CAP-Klasse 2 oder mehr) wurden nur bei 7 Patienten (beide Allergene, 29%) respektive 2 Patienten (nur Beifusspollen, 8%) und 3 Patienten (nur Traubenkrautpollen, 12%) gefunden. Im KPT entwickelten 9 Patienten eine positive Reaktion auf Beifusspollen, kein Patient hingegen auf Traubenkrautpollen. Somit weisen diese Resultate (Sensibilisierungen im Pricktest von 83%) auf eine Kreuzreaktivität zwischen Beifuss- und Traubenkraut hin und erlauben, die klinische Relevanz der Ambrosiasensibilisierung für dieses Patientenkollektiv als gering einzustufen. Für die Ermittlung der eigenständigen Sensibilisierung müssen allerdings Tests mit rekombinanten Allergenen der einzelnen Pollen herangezogen werden (19).
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FORTBILDUNG
Bekämpfung von Ambrosia — was tun?
Eine Ambrosiainvasion in der Schweiz ist noch zu vermeiden. Weil sich in unserem Land bereits einige Ansiedlungen dieser Pflanze befinden, müssen wir handeln, bevor die Auswirkungen — auch die Kosten im Gesundheitswesen — enorm grösser werden. Die effizienteste Bekämpfungsmethode ist das Herausreissen der Pflanze, bevor sich die Blüten öffnen. Dabei sollten Handschuhe getragen werden: Der direkte Hautkontakt mit der Pflanze ist zu vermeiden, da sie Hautirritationen und Kontaktekzeme hervorrufen kann. Beim Entfernen von blühenden Pflanzen müssen als zusätzlicher Schutz Brille und Staubmaske getragen werden. Die Pflanzen müssen verbrannt oder in die Kehrichtverbrennung gegeben werden, sie gehören nicht in die Grünabfuhr oder gar in den Kompost. Orte, an denen Vogelfutter ausgestreut wurde, sollten regelmässig kontrolliert werden, da Ambrosiasamen häufig in Vogelfuttermischungen enthalten sind. Grössere Ambrosiabestände sollten der kantonalen Naturschutzbehörde oder der Gemeinde gemeldet werden.
In-vitro-Diagnostik (spezifische IgE-Bestimmung) der Ambrosiasensibilisierung/Allergie mit Majorallergenen Wopfner et al. untersuchten die molekulare Struktur des Majorallergens von Traubenkraut Amb a 1 und von Beifuss Art v 1 und fanden dabei keine Kreuzsensibilisierungen zwischen den beiden Majorallergenen. Traubenkraut- und Beifusspollen enthalten jedoch beide das Panallergen Profilin und verschiedene kalziumbindende Proteine, die verantwortlich gemacht werden können für die hohe Kreuzreaktivität bei pollensensibilisierten Patienten bei der Pricktestung und IgE-Bestimmung mit diesen Pollenextrakten (5, 18–20). Die kommerziell erhältlichen Allergene nAmb a 1 (w230, Phadia) aus beifussblättriger Ambrosia und nArt v 1 (w231, Phadia) aus Beifuss sind also spezifische Markerallergene, die sich für die Unterscheidung zwischen echter Ambrosia- beziehungsweise Beifusssensibilisierung und -kreuzreaktivität eignen.
Klimaerwärmung fördert Ausbreitung der Ambrosia in der Schweiz Nach Barbara Köhler und Bernard Clot von MeteoSchweiz (21) könnte Ambrosia artemisifolia in unseren Breitengraden durch eine Klimaerwärmung weiter in ihrer Ausbreitung gefördert werden. Der späte Blütezeitpunkt von Ambrosia im August und September bedeutet eine zusätzliche Belastung der Pollenallergiker durch eine Verlängerung der Pollensaison, wenn die Gräserpollen nur noch in geringen Mengen vorhanden sind. MeteoSchweiz hat in den letzten Jahren erhöhte Ambrosiapollenmengen in Genf und im Tessin festgestellt. Ein Teil dieser Pollen wird dort seit Jahren mit dem Wind aus den benachbarten Ländern in die Schweiz verfrachtet, denn die Umgebung von Lyon, das französische Rhonetal sowie die Poebene in Italien (insbesondere die Lombardei) sind von der
Ausbreitung von Ambrosia stark betroffen. In der Schweiz handelt es sich jetzt aber nicht mehr nur um Pollenferntransport aus den benachbarten Gebieten, denn die Pflanze selbst hat begonnen, sich auch in der Region Genf und im Tessin massiv auszubreiten. Die zwar einjährige Pflanze (Ambrosia artemisifolia) kann sich durch eine hohe Anzahl von Samen (ca. 3000 Samen pro Pflanze) sehr leicht ausbreiten. Diese Samen bleiben im Boden bis zu 40 Jahre keimfähig. Dadurch wird Ambrosia auch in der Landwirtschaft zu einem gefürchteten Unkraut. Sie wächst aber als Pionierpflanze auch an Strassenrändern oder auf Baustellen, überall dort, wo sie offenen Boden findet. Typische Ambrosiastandorte befinden sich eher in tieferen Lagen. In diesem Jahr wurde jedoch Ambrosia in Frankreich auf einer Höhe von 1400 m ü. M. gefunden, eine Höhenlage, die für Ambrosia bisher unbekannt war. Es ist zu erwarten, dass bei einer Klimaerwärmung Ambrosia auch höhere Lagen besiedeln und in der Schweiz weiter nach Norden vorrücken wird. Mehrere amerikanische Studien haben gezeigt, dass eine Klimaerwärmung die Pollenproduktion von Ambrosia stark begünstigt und somit ebenfalls die Zunahme der allergischen Reaktionen: Die höheren Temperaturen haben einen früheren Blühbeginn und eine Verlängerung der Blütezeit zur Folge. Sie beschleunigen ausserdem die Reife der Samen. Erhöhte CO2Konzentrationen stimulieren zusätzlich die Pollenproduktion. Langzeitbeobachtungen in Österreich und in Norditalien zeigen, dass die Sensibilisierungsrate gegenüber Ambrosia mit dem Ausmass der Pollenbelastung und der Menge der inhalierten Allergene korreliert und dass eine manifeste Allergie erst Jahre nach der erfolgten Sensibilisierung eintritt (9, 22).
Ambrosia und Kreuzallergien mit Nahrungsmitteln
Ambrosiapollenallergiker neigen wegen einer sogenannten
Kreuzallergie dazu, eine Nahrungsmittelallergie auf Banane,
Süssmelone, Wassermelone, Kürbis und Zucchetti zu entwi-
ckeln. Es ist dies überhaupt die erste Beobachtung einer pol-
lenassoziierten Nahrungsmittelallergie, welche 1970 in den
USA erstmals bei Ragweedallergikern (23) und später auch
in Ungarn (24) beschrieben wurde. Dies führt wiederum zu
höheren Gesundheitskosten (Allergieabklärungen, Behand-
lungen, Diäten) und zu einer weiteren verminderten Lebens-
qualität der Allergiker.
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Korrespondenzadresse: Prof. em. Brunello Wüthrich
Im Ahorn 18 8125 Zollikerberg
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