Transkript
P O L I T- FO RU M
UNDHEIT IN BÄRN
Einheitliche Tarmed-Taxpunktwerte in den Kantonen
Ich bitte den Bundesrat folgende Fragen zu beantworten:
1. Wie beurteilt er die kantonal unterschiedliche Höhe der Tarmed-Taxpunktwerte, insbesondere innerkantonal bezüglich ärztlichen Leistungen in freier Praxis und ambulanten Spitalleistungen?
2. Ist er bereit, Massnahmen zu ergreifen, um zumindest innerkantonal eine Harmonisierung der Tarmed-Taxpunktwerte zu erreichen?
3. Welche Massnahmen müssten ergriffen werden?
4. Wäre dazu eine Gesetzesrevision notwendig?
5. Wie hoch wäre das Einsparpotenzial der Krankenversicherer, wenn pro Kanton ein einheitlicher Taxpunktwert für ärztliche Leistungen und Spitalleistungen umgesetzt würde?
6. Welchen Taxpunktwert beurteilt der Bundesrat als maximal vertretbaren Preis für ärztliche Leistungen und Spitalleistungen?
Begründung Per 1. Januar 2004 wurde Tarmed in den Kantonen bezogen auf den Leistungsbereich ambulante Spitalleistungen und Ärzte in freier Praxis kostenneutral eingeführt. Bei den Ärzten in freier Praxis gilt seit der Einführung von Tarmed ein Kosten-Monitoring, welches das Kostenwachstum bei den Ärzten in freier Praxis zu begrenzen vermochte. Im ambulanten Spitalbereich hingegen sind die Kosten nahezu doppelt so stark angestiegen. In den meisten Kantonen liegt der Taxpunktwert für Spitalleistungen wesentlich über demjenigen der Ärzte in freier Praxis, obwohl Kostenunterschiede bereits mit der Tarifstruktur abgegolten werden. Im Kanton Solothurn beispielsweise gilt für Ärzte in freier Praxis ein Taxpunktwert von 84 Rappen während die Spitäler für gleiche Leistungen 94 Rappen, also über 10 Prozent mehr verrechnen können. Diese ungleiche Preissituation zwischen Spitälern und Ärzten führt dazu, dass gleiche ambulante Behandlungen in einem Spital wesentlich teu-
Interpellation eingereicht von Ruth Humbel Näf, Nationalrätin CVP, AG, am 20.3.2009.
rer zu stehen kommen als bei Ärzten in freier Praxis. Es gibt Kantone, welche den ambulanten Spitalbereich subventionieren, wie beispielsweise der Kanton Tessin, wo ein Taxpunktwert von 76 Rappen verrechnet wird, während die Ärzte in freier Praxis 96 Rappen verrechnen können. Insgesamt sind es fünf Kantone, in denen für Ärzte in freier Praxis höhere Taxpunktwerte gelten als für Spitäler. Vereinzelt kann daher der Taxpunktwert für ärztliche Leistungen nicht auf denjenigen von subventionierten Spitälern reduziert werden. Es müsste eine angemessene Reduktion des ärztlichen Taxpunktwerts auf beispielsweise höchstens 90 Rappen festgesetzt werden.
Aus der Antwort des Bundesrates vom 13.5.2009
Frage 1: Die kantonalen Unterschiede bei den Taxpunktwerten lassen sich historisch erklären, da im Zuge der Umstellung auf die neue Tarifstruktur Tarmed die bereits zuvor bestehenden Abweichungen zwischen den Kantonen beibehalten wurden, um den Grundsatz der Kostenneutralität zu wahren. Die innerkantonal unterschiedlichen Taxpunktwerte zwischen Arztpraxen und Spitalambulatorien setzten sich allerdings entgegen den Empfehlungen des Bundesrates vom 30. September 2002 zur Genehmigung von Tarmed fort. Entsprechend kennen fast alle Kantone für freipraktizierende Ärzte und ambulante Spitalleistungen uneinheitliche Taxpunktwerte, obwohl der Bundesrat diese Situation nur während der Kostenneutralitätsphase akzeptierte. Er hatte nämlich empfohlen, die Taxpunktwerte mittelfristig einander anzunähern. Diese Position hat weiterhin Gültigkeit, denn es gibt keine sachlichen Gründe für eine innerkantonale Differenzierung der Tarife nach Leistungserbringer. Der Bundesrat behält sich das Recht vor, die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, falls die Tarifpartner die gewünschte Annäherung nicht vornehmen sollten.
Fragen 2 bis 4: Gegenwärtig ist die vertragliche Vereinbarung der Tarife Sache der Tarifpartner (Art. 43 Abs. 4 KVG). Wenn kein Tarifvertrag zustande kommt, setzt die Kantonsregierung den Tarif fest (Art. 47 Abs. 1 KVG). Der Bundesrat hat die Tarifautonomie der Partner bisher nie infrage gestellt. Diese Autonomie überträgt ihnen indessen eine grosse Verantwortung. Daher erwartet der Bundesrat von den Tarifpartnern, dass sie bei den Tarifverhandlungen auch die Kostenentwicklung berücksichtigen und die verlangte Annäherung der Taxpunktwerte nach dem Prinzip «gleiche Vergütung für gleiche Leistung» vollziehen. Sollten die Tarifpartner diese Erwartungen nicht erfüllen, müsste der Bundesrat eine entsprechende Gesetzesänderung in Betracht ziehen.
Frage 5: Der Bundesrat kann keine Aussagen über ein Sparpotenzial machen, da dieses von der Höhe eines einheitlich geregelten Taxpunktwerts in den Kantonen abhängt. Nach seinen Beobachtungen würden die Kosten allerdings eine wesentliche, wenn auch schwierig zu beziffernde Senkung erfahren, wenn heute jeder Kanton den Taxpunktwert des ambulanten Spitalbereichs demjenigen der Arztpraxen angleichen würde.
Frage 6: In Anbetracht der vielfältigen Einflussfaktoren auf die Kosten und die regionalen Strukturunterschiede kann der Bundesrat keinen genauen Taxpunktwert nennen. Wie bereits in seinen Empfehlungen vom September 2002 erwähnt, vertritt der Bundesrat den Standpunkt, dass der Taxpunktwert nicht höher als die kalkulierten Kosten ausfallen darf. Ausserdem soll der Taxpunktwert eine effiziente Leistung abgelten und der Kostenentwicklung Rechnung tragen.
480 ARS MEDICI 12 ■ 2009
Medikamentenpreise — Massnahmen im Preisbildungsprozess
Der Bundesrat wird beauftragt, die notwendigen gesetzlichen Bestimmungen auszuarbeiten, damit die nachfolgend aufgeführten Massnahmen zwecks Sicherstellung einer guten und günstigen Versorgung mit Arzneimitteln umgesetzt werden können:
1. regelmässige, dreijährliche Preisüberprüfung der Arzneimittel
2. Überprüfung der Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels, wenn sein in der Spezialitätenliste (SL) zugelassener Indikationsbereich erweitert wird
3. Beurteilung der Wirtschaftlichkeit aufgrund des Vergleichs mit anderen Arzneimitteln, sowie der Preisgestaltung in wirtschaftlich vergleichbaren Ländern
4. Regelung der Vergütung von Arzneimitteln, die ausserhalb der durch Swissmedic zugelassenen Fachinformationen oder ausserhalb des in der SL zugelassenen Indikationsbereichs angewendet werden oder die in der Schweiz nicht zugelassen sind.
Begründung
1. Die Beurteilung des verfügten Höchstpreises eines Arzneimittels soll regelmässiger erfolgen. Mit dieser Massnahme soll schneller auf Marktveränderungen reagiert und die zeitliche «Preisgarantie» für den Hersteller bedeutend verkürzt werden. Damit könnten die Preise in der Schweiz näher an das heute zum Teil deutlich tiefere Preisniveau in den Nachbarstaaten herangebracht werden.
2. Häufig wird bei der Erstzulassung von Medikamenten ohne therapeutische Vergleichspräparate eine Indikation mit einer relativ kleinen Population beantragt. Die Berücksichtigung der Forschungskosten sowie des potenziellen Umsatzes führt im Rahmen der WZW-Prüfung dazu, dass ein hoher Preis gerechtfertigt ist. Im Lauf der Zeit werden jedoch immer mehr Indikationen beantragt und somit wird auch die potenzielle Patientenzahl zum Teil bedeutend erhöht. Der ursprünglich verfügte Preis bleibt trotz der Indikationserweiterungen meist bestehen.
Verena Diener, Ständerätin Grünliberale, ZH, hat am 11.3.2009 folgende Motion eingereicht
3. Die Beurteilung eines Arzneimittels stützt sich einerseits auf den Vergleich im Inland mit ähnlichen Wirkstoffen und Anwendungen und orientiert sich andererseits am Preisgefüge in wirtschaftlich vergleichbaren Ländern. Diese Regelung soll ausdrücklich auf Gesetzesstufe verankert werden. 4. Der sogenannte «off label use» ist heute uneinheitlich geregelt und kann zu willkürlichen Entscheidungen zulasten der Patienten führen. Die Vergütung soll in diesen Fällen klar geregelt werden, sodass sich sämtliche Parteien (Leistungserbringer, Kostenträger und Patienten) auf eine gleiche Handhabung stützen können.
Aus der Antwort des Bundesrates vom 20.5.2009
Die Frage der gesetzlichen Regelung der Medikamentenpreisbildung wurde bereits im Parlament aufgenommen. Eine entsprechende Vorlage für eine KVG-Revision, welche die von der Motion aufgeführten Punkte umfasst, wurde indessen vom Nationalrat am 1. Oktober 2008 abgelehnt. Nach der Ablehnung wurden zwei Vorstösse eingereicht, in denen der Bundesrat aufgefordert wird, den bestehenden Spielraum auf Verordnungsstufe auszuschöpfen (Motion Robbiani 08.3670; Interpellation Robbiani 08.4001). Der Bundesrat hat sich in beiden Fällen bereit erklärt, Änderungen vorzubereiten und insbesondere eine Regelung auf Verordnungsstufe zu treffen, welche den Rhythmus der Überprüfung der Arzneimittel bezogen auf deren Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit zum Gegenstand hat. Der Nationalrat hat dieser Auffassung bereits zugestimmt und die Motion 08.3670 Robbiani am 19. Dezember 2008 angenommen.
Die von der Motionärin aufgeführten Anliegen, mit denen sich der Bundesrat weitgehend einverstanden erklären kann, können auf Verordnungsstufe geregelt werden. Der Bundesrat erachtet es daher nicht als opportun, eine Regelung auf Gesetzesstufe vorzulegen. Er lehnt die Motion aus diesen Gründen ab.
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
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ARS MEDICI 12 ■ 2009 481