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P O L I T- FO RU M
UNDHEIT IN BÄRN
Über die am 3.10.2008 eingereichte Interpellation von Meinrado Robbiani, Nationalrat Partito popolare democratico svizzero (PPD), TI, berichteten wir in ARS MEDICI 22/08, S. 976.
Artikel 56 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung bestimmt unter anderem, dass medizinische Behandlungen wirtschaftlich sein müssen. Dieses an sich sinnvolle Grundprinzip führt in einigen Regionen zu Konflikten zwischen den Versicherern und den Leistungserbringern, mit der negativen Auswirkung, dass die Qualität der Behandlungen sinkt und so die
Korrekte Prüfung der Wirtschaftlichkeit medizinischer Behandlungen
Versicherten bestraft werden. Es besteht tatsächlich die Gefahr, dass bestimmte Leistungserbringer ungerechtfertigterweise die Behandlungen verringern, weil sie keine Einwände seitens der Versicherer riskieren wollen, oder dass Leistungserbringer Patientinnen und Patienten, die gesundheitlich besonders benachteiligt sind, ablehnen oder sie zu anderen Leistungserbringern abschieben. Solche Konflikte sind erst recht beunruhigend, wenn vorwiegend Allge-
meinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner involviert sind. Die Spannungen, zu denen es dadurch verschiedentlich kommt, erschweren ausserdem das Bemühen darum, dass alle Akteure des Gesundheitssektors gemeinsame Anstrengungen unternehmen im Hinblick auf eine effizientere (aber die Qualität der Behandlungen nicht beeinträchtigende) Eindämmung der Gesundheitskosten. Robbiani stellte dazu mehrere Fragen.
Antwort des Bundesrats vom 14.1.2009
Die Kontrolle der Einhaltung der Wirtschaftlichkeit stellt eine der zentralen 3. Die mit der Anova-Methode herausgefilterten «auffälligen» Leis-
Aufgaben der Krankenversicherer dar und ist eine öffentlich-rechtliche Auf-
tungserbringer werden von santésuisse in Zusammenarbeit mit den
gabe. Artikel 56 des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Kranken-
Krankenversicherern analysiert. Dabei werden alle zur Verfügung ste-
versicherung (SR 832.10) bestimmt, dass zu Unrecht bezahlte Vergütungen
henden Zusatzinformationen herangezogen. Falls keine Begründung
vom Leistungserbringer zurückgefordert werden. Die bundesgerichtliche
für die hohen Kosten eruiert werden kann, wird der Leistungserbrin-
Rechtsprechung hält zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit der ärztlichen
ger entweder mit einem Warnbrief auf seine hohen Indices aufmerk-
Behandlungen fest, dass die statistische Methode bei Verdacht auf ein
sam gemacht oder aber das Gespräch wird gesucht. Kann keine ein-
unwirtschaftliches Verhalten einer Ärztin oder eines Arztes verwendet
vernehmliche Lösung gefunden werden, wird ein gerichtliches Ver-
werden kann, um diesen Verdacht zu begründen.
fahren eingeleitet.
1. Die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringer durch 4. In der Tat wird die Qualität nicht in die Beurteilung einbezogen. Ins-
die Versicherer erfolgt in einem mehrstufigen Prozess. Für die statis-
besondere im ambulanten ärztlichen Bereich fehlen dazu weitgehend
tische Vorselektion werden die Rechnungen der im ambulanten Be-
die Grundlagen. Auch liegen keine Qualitätssicherungsverträge zwi-
reich tätigen Ärztinnen und Ärzte seit dem Jahr 2004 von santésuisse
schen Leistungserbringern und Versicherern vor. Weil kaum Grund-
nach der Anova-Methode überprüft. Im ersten Schritt werden die Fak-
lagen vorhanden sind, ist mit einer baldigen Erhebung von Quali-
toren Facharztgruppe, Alter und Geschlecht der Patienten und Stand-
tätsindikatoren nicht zu rechnen. Die Verwaltung erarbeitet zurzeit
ort (Kanton) berücksichtigt. Dadurch wird ein standardisiertes und
ein Qualitätskonzept, das auch die Veröffentlichung von Qualitäts-
transparentes Verfahren gewährleistet. Die Standardisierung hat den
indikatoren im Spitalbereich beinhaltet.
Vorteil, dass Facharztgruppen mit ungünstiger Patientenstruktur
nicht benachteiligt werden. Weil sich die Kennwerte auf den Durch- 5./6. Das oben beschriebene Vorgehen von santésuisse steht bereits im
schnitt der massgebenden Fachgruppe beziehen, müssen Patientin-
Bestreben, die Rechtsverfahren möglichst einzuschränken. Es ist
nen und Patienten von Ärzten, die besonders aufwendige Behandlun-
auch davon auszugehen, dass die Verfahren zur Überprüfung der Wirt-
gen durchführen müssen, nicht befürchten, dass ihnen aus dem Wirt-
schaftlichkeit korrekt durchgeführt werden. Festzuhalten ist zudem,
schaftlichkeitsverfahren ein Nachteil erwächst.
dass die Zahl der effektiv geführten Verfahren gegenüber der Ge-
samtzahl der im ambulanten Bereich tätigen Leistungserbringer sehr
2. Die von santésuisse angewandte Methode ist nachvollziehbar und be-
klein ist. Weil die Definition des Wirtschaftlichkeitsbegriffs auf Ver-
ruht auf objektiven Kriterien. Als Datenbasis dienen das Zahlstellen-
ordnungsebene nur sehr abstrakt gehalten werden könnte, könnte
register und der Datenpool von santésuisse. Das Seminar für Statistik
durch den Erlass einer Verordnung die Zahl der Streitfälle nicht ver-
der ETH Zürich kam in seinem Gutachten vom September 2005 zum
ringert werden.
Schluss, dass die von santésuisse verwendete Anova-Methode auf
anerkannten statistischen Methoden beruht.
176 ARS MEDICI 5 ■ 2009
Ruth Humbel Näf, Nationalrätin CVP, AG, reichte am 19.12.2008 eine Motion ein.
Beteiligung der Schweiz an der Europäischen Heilmittelagentur
Der Bundesrat wird beauftragt, mit der EU Verhandlungen zum Abschluss eines Abkommens zur Beteiligung der Schweiz an der Europäischen Heilmittelagentur aufzunehmen.
Begründung Obwohl die inhaltlichen Vorschriften und die Verfahren zur Marktzulassung von Heilmitteln in der EU und der Schweiz gleichwertig sind, ist bei der heutigen Rechtslage keine unmittelbare Übernahme von EU-Zulassungen (zentrales Verfahren bei der EMEA) durch Swissmedic möglich. Die im Jahr 2002 im Rahmen des bilateralen Abkommens 1 in Kraft getretene Vereinbarung über den Abbau technischer Handelshemmnisse sieht die gegensei-
tige Anerkennung von Konformitätsbewertungen für die meisten Industrieprodukte, unter anderem bei der Herstellung von Medikamenten, vor. Damit wird aber nur ein sehr kleiner Teil der heute bestehenden Problematik gelöst. Artikel 13 des Heilmittelgesetzes ermächtigt und verpflichtet Swissmedic, die Ergebnisse vergleichbarer ausländischer Verfahren bei ihren eigenen Zulassungen zu berücksichtigen. Auch wenn diese Möglichkeit künftig ausgeschöpft wird, bleibt die Wirkung begrenzt, solange Swissmedic nicht Zugang zu den Registrierungsdossiers der entsprechenden ausländischen Behörden erhält. Dies setzt den Abschluss einer internationalen Vereinbarung voraus. Im Vordergrund steht eine Vereinbarung mit der Europäischen Union zur Beteiligung der Schweiz an der EMEA.
Das Interesse der Schweiz an einem solchen Abkommen ist ein Mehrfaches: Die grossen Arbeitsrückstände von Swissmedic bei der Bearbeitung von Zulassungsgesuchen führen zu einem verzögerten Zugang zu neuen Medikamenten für Patientinnen und Patienten in der Schweiz. Die Duplizierung von im Ausland nach gleichwertigen Methoden erfolgten Zulassungsverfahren schafft keinen Mehrwert an Medikamentensicherheit. Die Mitwirkung der Schweiz bei der EMEA erlaubt eine wesentliche Verringerung der Arbeitsbelastung der Swissmedic und schafft Raum für eine Schwergewichtsbildung und Spezialisierung von Swissmedic in ausgewählten Bereichen der Heilmittelzulassung und Marktüberwachung. Der gesundheitspolizeiliche Auftrag der Swissmedic wird damit in keiner Weise eingeschränkt.
Aus der Antwort des Bundesrats vom 11.2.2009
Der Bundesrat befürwortet die in der Motion angesprochene Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Heilmittelbehörden der EU, insbesondere der Europäischen Arzneimittelagentur EMEA, und dem Schweizerischen Heilmittelinstitut Swissmedic. Dieses Ziel wurde bereits in der Leistungsvereinbarung 2007 und 2008 zwischen dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) und Swissmedic als strategischer Schwerpunkt formuliert.
Mit Entscheid vom 29. Februar 2008 hat der Bundesrat beschlossen, in 7 Bereichen Verhandlungen mit der EU aufzunehmen beziehungsweise Mandate für Verhandlungen vorzubereiten. Die Kooperation mit der EU im Hinblick auf eine engere Zusammenarbeit mit der EMEA im Arzneimittelbereich gehört zurzeit nicht zu den Prioritäten des Bundesrats.
Vorerst wird mittelfristig der Abschluss einer Vereinbarung zum Informationsaustausch im Heilmittelbereich, einschliesslich des Austauschs von vertraulichen Daten, angestrebt, wie sie bereits mit den USA, Kanada, Australien und Singapur abgeschlossen werden konnte. Eine solche Vereinbarung bietet die Basis für eine verstärkte und vereinfachte Zusammenarbeit unter Heilmittelbehörden verschiedener Staaten, ohne dass jedoch damit eine gegenseitige Anerkennung der Zulassungsentscheide verbunden wäre.
Sollte ein weitergehendes Abkommen mit dem Ziel einer Teilnahme der Schweiz an der EMEA angestrebt werden, müssten namentlich folgende Fragen vorgängig geklärt werden:
■ In welchem Ausmass besteht für die Schweiz Bedarf, an der EMEA teilzunehmen?
■ Inwieweit müsste die gesamte Gesetzgebung der EU (Acquis) im Bereich der Arzneimittel übernommen werden? (Diese Frage stellt sich vor dem Hintergrund, dass die Möglichkeit einer selektiven Beteiligung an der zentralen Arzneimittelzulassung der EMEA als unwahrscheinlich eingestuft wird. Vielmehr ist davon auszugehen, dass seitens der EU die vollständige Übernahme des Acquis im Arzneimittelsektor vorausgesetzt würde.)
■ Welche personellen und finanziellen Ressourcen müssten Swissmedic dabei zur Verfügung stehen?
■ Eine verstärkte Umsetzung von Art. 13 HMG «Im Ausland zugelassene Arzneimittel und Verfahren» würde eine nachhaltige Wirkung zeigen. Die Ausschöpfung der Möglichkeiten der genannten Bestimmung ist bei einem Teil der Gesuche mit einer einseitigen Anerkennung der Zulassungsentscheide der EU vergleichbar.
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
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