Transkript
Die zervikale Diskushernie
Diagnostik und Therapie aus nicht operativer Sicht
FORTBILDUNG
Die symptomatische zervikale Diskushernie ist ein häufig unterschätztes Krankheitsbild, zumal die klassischen Symptome des dermatombezogenen Schmerzes und der dazugehörigen neurologischen Ausfälle nicht immer obligate klinische Zeichen sind. Die korrekte Anamnese und Untersuchung bilden die diagnostischen Eckpfeiler. Die Bildgebung alleine, insbesondere MRI und CT, gilt für die Diagnoseerhebung nicht als Goldstandard. Die Differenzialdiagnosen reichen von Lyme-Borreliose bis zur Rotatorenmanschettenruptur der Schulter. Die Kombination medikamentöser, manueller sowie interventioneller Behandlungsmethoden ist bei richtiger Indikationsstellung häufiger erfolgreich als allgemein angenommen.
GÉRARD HÄMMERLE
hernie auf HWK5/6 sowie HWK6/7 mit Abstand die häufigsten betroffenen Segmente darstellen.
Pathophysiologie Die exakte Pathogenese des radikulären Schmerzes ist nicht ganz geklärt. Sicher spielt neben der mechanischen Kompression des Nervs der begleitende inflammatorische Prozess eine zentrale Rolle beim radikulären Reiz- und Schmerzsyndrom. Innerhalb des gereizten Nervs kommt es zu einer erhöhten Permeabilität der begleitenden Blutgefässe, was sich sekundär als perineurales Ödem der Nervenwurzel manifestiert. Chronisches Ödem und Fibrosierung innerhalb der Nervenwurzel haben eine Erniedrigung der Reizschwelle und somit eine erhöhte Sensibilität der Nerven zur Folge. Verantwortlich für diese «Entzündungssuppe» sind einerseits neurogene Schmerzsubstanzen aus den Zellkörpern afferenter Neurone und andererseits nicht neurogene Schmerzsubstanzen, welche direkt vom Bandscheibengewebe produziert werden (Tabelle 1).
Symptome Weniger bekannt ist die Tatsache, dass eine zervikale Wurzelkompressionsproblematik nicht nur mit einer typischen Radikulopathie (Brachialgie), sondern auch häufig mit lokalen HWS-, aber auch BWS-Beschwerden einhergeht. In der Studie von Henderson et al. (3) wurden bei 736 Patienten mit zervikaler Radikulopathie folgende Symptome festgestellt: 99,4 Prozent beklagten Armschmerzen, 82,5 Prozent sensorische Defizite und 80 Prozent Nackenbeschwerden. Bei
Radiologische Veränderungen sind im siebten Lebensjahrzehnt bei 85 Prozent der Bevölkerung objektivierbar, glücklicherweise in den meisten Fällen jedoch asymptomatisch (1). Dies wird auch durch verschiedene Arbeiten bestätigt, welche sich mit der Korrelation zwischen Nacken-, Schulter- und/oder Armbeschwerden und MRI-Veränderungen an der Halswirbelsäule beschäftigen (2). Ähnlich wie bei der Lendenwirbelsäule zeigt sich, dass die Überinterpretation radiologischer Veränderungen zu falschpositiven Diagnosen führt. Dies wiederum zeigt, welch wichtigen Stellenwert Anamnese, klinische Untersuchung und Erfahrung in der Diagnose und Behandlung der zervikalen Diskushernie einnehmen. Fest steht, dass die degenerativen Veränderungen vor allem die unteren HWSAbschnitte betreffen und deshalb die symptomatische Diskus-
Merksätze
■ Dermatombezogene Schmerzen und die entsprechenden neurologischen Ausfälle sind nicht immer obligat.
■ Zervikale Wurzelkompressionen können nicht nur mit einer typischen Radikulopathie (Brachialgie), sondern auch häufig mit lokalen HWS- oder BWS-Beschwerden einhergehen.
■ Die meisten Patienten mit symptomatischen zervikalen Diskushernien können konservativ behandelt werden.
ARS MEDICI 20 ■ 2008 911
FORTBILDUNG
71 Prozent der Patienten wurden Reflexdefizite objektiviert, 68 Prozent zeigten motorische Defizite, über 52 Prozent periskapuläre Beschwerden, 10 Prozent Kopfschmerzen, zirka 18 Prozent vordere Thoraxbeschwerden und davon 6 Prozent vordere Thorax- und zugleich Armbeschwerden (1,3% linksseitig: «zervikale Angina»).
Die Brachialgie Durch die Kompression der Nervenwurzeln kommt es im entsprechenden Dermatom zu ausstrahlenden Schmerzen oder Parästhesien mit oder ohne segmentalen sensomotorischen Ausfall. Die Schmerzen können durch bestimmte HWS-Bewegungen wie Extension, Lateralflexion und Rotation zur symptomatischen Seite hin verstärkt und typischerweise durch Bewegungen weg vom Schmerz gelindert werden. Sind diese Bedingungen erfüllt, kann von einem typischen mechanischen Schmerzmuster oder von einem gerichteten Bewegungsschmerz ausgegangen werden, was gleichzeitig eine pathologische Ursache (Tumor, Entzündungsprozess, Schulteramyotrophie etc.) unwahrscheinlicher macht. Mit zunehmender Schwere der Wurzelkompression kommt es zu Parästhesien, Reflexausfällen, segmentalen Sensibilitätsstörungen sowie Paresen. Die am häufigsten geschädigten zervikalen Nervenwurzeln sind C6 und C7 vor C8 und C5 (Tabelle 2).
Abbildung 1: Typische Schmerzausstrahlungen bei zervikaler Diskushernie
Der interskapuläre Schmerz Man geht davon aus, dass Bandscheibendefekte per se schmerzhaft sind und im Sinne des übertragenen Schmerzes die so oft im klinischen Alltag missinterpretierten, zum Teil invalidisierenden interskapulären Beschwerden verursachen (Abbildung 1). Typischerweise kann dieses Symptom als Prodromalsymptom vor der eigentlichen Radikulopathie auftreten. Der Schmerzcharakter wird als bohrend und stechend angegeben, tritt gerne nachts besonders stark in Erscheinung und
Abbildung 2: Linksseitige Diskushernie C6/C7
Tabelle 1: Chemische Schmerzsubstanzen bei der zervikalen Diskushernie
neurogen
■ Substanz P ■ Somatostatin ■ cholecystokininähnliche
Substanz ■ vasoaktive intestinale
Peptide ■ Gastrin-releasing Peptide ■ Dynorphin ■ Enkephalin ■ Gelanin ■ Neurotensin ■ Angiotensin II
nicht neurogen
■ Bradykinin ■ Serotonin ■ Histamine ■ Acetylcholine ■ Prostaglandin E1 ■ Prostaglandin E2 ■ Leukotriene ■ DiHETE*
*DiHETE: Dihydroxyeikosanoide
Abbildung 3: Transforaminale Infiltration Höhe C6/C7 links mit Darstellung der C7-Wurzel links
zwingt die Patienten typischerweise, eine sitzende Position einzunehmen. Kompressionen der Nervenwurzeln der unteren HWS verursachen des Öfteren heftige Thoraxbeschwerden. Kardiovaskuläre und gastrointestinale Krankheitsbilder sind differenzialdiagnostisch abzugrenzen.
912 ARS MEDICI 20 ■ 2008
DIE ZERVIKALE DISKUSHERNIE
Tabelle 2: Brachialgie und betroffene HWS-Segmente
Segment Bandscheibe Schmerz und/oder Hypästhesie
Kennmuskel
Reflexabschwächung
C5 C4/C5 C6 C5/C6
Schulter und Oberarm lateral
Deltoideus
radialer Ober-/Unterarm, Bizeps, Daumen, gelegentlich Teile Brachioradialis des Zeigefingers radial
Bizeps, Brachioradialis (Radiusperiost)
C7 C6/C7
Unterarm dorsal, Zeigeund Mittelfinger
Daumenballen, Trizeps Trizeps, Pronator teres
C8 C7/Th1
Unterarm dorsal, Ring- und Kleinfingerballen,
Kleinfinger
Fingerbeuger,
Interossei
der Beschwerden erreicht werden. Letztere Untersuchung ist wenig sensitiv und spezifisch und kann in gewissen Fällen auch schmerzhaft sein.
5. Neurologischer Status Eine Erhebung des Reflexstatus gehört ebenso zur Untersuchung wie die detaillierte Einzelmuskel- und Sensibilitätsprüfung. Aufgrund der seltenen, aber möglichen begleitenden Mitkompression des zervikalen Rückenmarks sollte auch auf mögliche Zeichen einer Rückenmarkschädigung geachtet werden (ataktischspastisches Gangbild, pathologisch erhöhte und asymmetrische Reflexe, erhöhter Tonus).
Anamnese Die ausführliche Anamnese nach dem LOCRRADIN-Schema sowie wichtige Anhaltspunkte für die Anamnese sind in den Tabellen 3 und 4 zusammengefasst.
Klinische Untersuchung Neben der Anamnese sollte ein manueller, neuroorthopädischer Status erhoben werden (Tabelle 5). Die globale Testung der Halswirbelsäulenbeweglichkeit sollte dazugehören, Provokations- und Entlastungstests sind sehr hilfreich, die direkte Palpation der verschiedenen Halswirbelsäulenstrukturen unentbehrlich.
1. Spurling-Test (hohe Spezifität) Durch diesen Provokationstest in Extension, Lateralflexion und Rotation bei gleichzeitiger Kompression der Halswirbelsäule werden die für den Patienten typischen Schmerzen reproduziert.
2. ULT-Tests (Upper-Limp-Tension-Test = Nervendehnungstests der oberen Extremitäten) Durch diese Testung gelingt es, analog zu den unteren Extremitäten (Lasègue- und Femoralisdehnungstests), den Nervus radialis, medianus und ulnaris mittels spezifischer Unterarm-/ Handpositionen zu dehnen, um somit den für den Patienten typischen Schmerz zu reproduzieren (hohe Sensitivität).
3. Sulcuszeichen Durch die direkte Palpation des Sulcus nervalis (Nervenaustrittsstelle am Processus transversus) wird bei einer Nervenwurzelreizung der für den Patienten typische Schmerz reproduziert.
4. Schulterabduktionstest Durch eine Schulterabduktion auf der betroffenen Seite oder durch eine Traktion der Halswirbelsäule kann eine Entlastung
Laboruntersuchungen Mithilfe einer Basislaboruntersuchung können im Rahmen der Differenzialdiagnose bestimmte Krankheitsbilder (CRP und Blutsenkungsgeschwindigkeit bei entzündlich spinalen Prozessen, erhöhter Blutzucker und HbA1c bei diabetisch bedingten Neuropathien) oder durch Antikörperbestimmung eine Lyme-Borreliose ausgeschlossen werden. Allenfalls ist bei Verdacht auf eine zusätzliche meningeale Reizung eine Liquordiagnostik sinnvoll.
Bildgebende Diagnostik Natives Röntgen (in zwei Ebenen, allenfalls in vier Ebenen gegeben) Zum Ausschluss von Wirbelkörperanomalien, grösseren ossären Prozessen (Tumor, Fraktur) und zur Darstellung degenerativer Veränderungen besitzt die konventionelle Röntgendiagnostik weiterhin einen wichtigen Stellenwert. Gegebenenfalls können durch Schrägaufnahmen mögliche knöchern bedingte Einengungen der Foramina intervertebralia dargestellt werden. Funktionsaufnahmen (Inklination und Reklination) sind nur bei anamnestischen Hinweisen für ein Trauma durchzuführen.
Tabelle 3: Wichtige Anhaltspunkte in der Anamnese
■ dermatombezogene Brachialgie ■ dermatombezogene Parästhesie oder sensomotorische Ausfälle ■ stärkste Nacken- sowie interskapuläre Beschwerden ■ mechanisches Schmerzmuster ■ oft Nachtschmerzen
ARS MEDICI 20 ■ 2008 913
FORTBILDUNG
Tabelle 4: Ausführliche Anamnese (nach dem LOCRRADIN-Schema)
Differenzialdiagnosen Die Differenzialdiagnosen des zervikalen Wur-
L Lokalisation
HWS und BWS inkl. Thoraxschmerzen, interskapulärer Schmerz
zelkompressionssyndroms sind in Tabelle 6 zusammengestellt. Die wohl häufigste Diffe-
O Onset
C Charakter des Schmerzes
R Radiation; Ausstrahlung
Ursache der Schmerzauslösung? (Trauma, spontan, nach Zeckenbiss usw.)
ziehender, brennender Armschmerz, bohrender interskapulärer Schmerz
Welche Ausstrahlungen bestehen? (dermatombezogen oder diffus)
renzialdiagnose ist das Facettengelenkssyndrom der Halswirbelsäule. Intervertebralgelenksirritationen durch Blockierung und/ oder Arthrose können pseudoradikuläre Ausstrahlungen bis klassischerweise auf die Höhe des Ellbogens verursachen. Die Provokationstests, wie bereits beschrieben, kön-
R Relief; Linderung Was verursacht eine Schmerzverminderung? (Lateralflexion sowie Rotation weg vom Schmerz, Flexion der
nen ebenfalls positiv sein. Zeichen einer radikulären Reiz- oder Ausfallproblematik
HWS) fehlen jedoch.
A Aggravation D Duration; Dauer
Was verursacht eine Verstärkung der Beschwerden? (Rotation und Lateralflexion zur Schmerzseite hin, Extension der HWS, Tragen von Gewichten, Husten-, Pressmanöver)
Konstanter oder intermittierender Schmerz? (mechanisches Schmerzmuster)
Die Schulterpathologie im Sinne einer Tendinitis calcarea (Kalkschulter) oder Rotatorenmanschettenruptur können radikuläre Schmerzen imitieren. Die Nachtbeschwerden sind auch hier typisch. Oben genannte HWS-Provokationstests sind bei einer Schul-
I Intensität
Schmerzskala VAS 1–10 ? (Schmerz 7–10)
terpathologie negativ, ebenso die neurolo-
N Neurologische Defizite
Bestehen Berührungs- und/oder Kraftdefizite, welche dermatombezogen sind, Gang-/Miktionsstörungen, Erektionsstörungen (zervikale Myelopathie)?
gische Untersuchung. Konventionelle Röntgen- und Ultraschalluntersuchung helfen zur Abgrenzung eines Schulterproblems. Muskuläre Triggerpunkte der nacken- und
schulterumgebenden Muskulatur sowie
Blockierungen im Bereich der oberen Brust-
wirbelsäule gilt es auszuschliessen.
Computertomografie
Periphere Nervenkompressionssyndrome (Karpaltunnel, Sul-
Die CT-Untersuchung ist dann indiziert, wenn man im Zusam- cus-ulnaris-Syndrom) können mit Armschmerzen und senso-
menhang mit einer schon diagnostizierten Bandscheibenpro- motorischen Defiziten einhergehen. Zum sicheren Ausschluss
blematik die knöchernen Verhältnisse zusätzlich darstellen ist eine elektrophysiologische Untersuchung sinnvoll.
möchte.
Bei unklaren, zum Teil über mehrere Dermatome reichende
Brachialgien und neurologischen Ausfällen gilt es, Ursachen
Magnetresonanztomografie
einer infektiösen oder parainfektiösen Radikulitis auszu-
Die MRI-Untersuchung besitzt den Vorteil in der exzellenten schliessen (z.B. Lyme-Borreliose).
Darstellung des Rückenmarks und der Wurzelabgänge.
Schwieriger ist die Differenzierung zwischen Bandscheibenge- Therapie
webe und ossären Strukturen. Zur sagittalen und axialen Verlässliche Metaanalysen, welche den Vergleich operativer
Schnittführung sollte auch eine Schnittführung durch die Fo- und konservativer Behandlungskonzepte untersuchen, liegen
ramina intervertebralia verlangt werden. So lassen sich die ty- nicht vor. Eine der wegweisenden Studien, welche die Be-
pischerweise im Neuroforamen gelegenen Bandscheiben am handlung der zervikalen Wurzelkompressionssyndrome unter-
besten objektivieren.
sucht, ist die Arbeit von Persson et al. 1997 (4). In dieser Studie
Elektrophysiologische Untersuchungen Sie eignen sich zum Erkennen von neurogenen Läsionen im Sinne einer Polyneuropathie und zum Ausschluss einer peripheren Nervenkompressionsproblematik (Karpaltunnelsyndrom, Thoracic-outlet-Syndrom) sowie Abgrenzung einer zervikalen Myelopathie. Bei Auftreten von schweren Paresen ist es sinnvoll, durch vor allem elektromyografische Untersuchungen den Zustand der Denervierung zu objektivieren und zu quantifizieren.
Tabelle 5: Klinische Zeichen eines zervikalen Wurzelkompressionssyndroms
■ neurologische Ausfälle im Dermatom ■ positiver Spurling-Test und Sulcuszeichen ■ positiver ULT-Test ■ positive Entlastungstests
914 ARS MEDICI 20 ■ 2008
FORTBILDUNG
Tabelle 6: Differenzialdiagnosen des zervikalen Wurzelkompressionssyndroms
■ Stenosen der zervikalen Wirbelsäule mit Myelopathie ■ Facettengelenkssyndrom ■ spinale Tumoren ■ Entzündungen (Spondylodiszitis, epiduraler Abszess, Borreliose) ■ Schulterproblematik ■ Plexusaffektionen ■ Triggerpunkte der Nacken-/Schultermuskulatur ■ kardiovaskuläre Erkrankungen (koronare Herzkrankheit, periphere
arterielle Verschlusskrankheit) ■ Poly- und Monoradikulitis ■ periphere Nervenkompressionssyndrome ■ metabolische Neuropathien ■ blockierte Brustwirbel/Rippengelenke
zeigen die operierten Patienten nach drei Monaten eine schnellere Schmerzfreiheit, nach einem Jahr war jedoch gegenüber den konservativ behandelten Patienten kein Unterschied mehr zu erkennen. Grundsätzlich sind also die konservativen Behandlungsmethoden, wie medikamentöse Therapie, manuelle Behandlungsmethoden sowie Physiotherapie in Kombination mit epidural applizierten, synthetischen Glukokortikoiden, zum Beispiel Triamcinolon (Triamcort® Depot), einem operativen Vorgehen vorzuziehen. Das Auftreten von Sensibilitätsstörungen sowie Paresen der Extremitätenmuskulatur stellen keine absolute Kontraindikation für eine konservative Behandlungsmethode dar, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: ■ leichte Parese ■ keine progressive Parese ■ kontrollierbare Schmerzsituation ■ keine begleitende Myelopathie.
Medikamentöse Therapie In der Regel bedeutet ein symptomatischer Bandscheibenvorfall häufig eine erhebliche Beeinträchtigung des Erkrankten mit entsprechender Auswirkung auf die Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit. Wichtig ist daher eine konsequente analgetische und antientzündliche medikamentöse Therapie. Eine Kombination der Schmerzmittel aus der WHO-Klasse II, zum Beispiel Tramadol (Tramal®), mit einem Mittel der WHO-Klasse I (NSAR) bildet eine wichtige Grundlage dafür. Bei starken muskulären Verspannungen bildet der Einsatz muskeldetonisierender Medikamente eine gute Ergänzung (Myotonolytika, Benzodiazepine). Zusätzlich kann bei hartnäckigen Schmerzbildern ein Cortisonstoss über sechs bis neun Tage eingeleitet werden.
Physikalische und manuelle Therapie Durch die Ruhigstellung der HWS in neutraler oder leicht anteflektierter Stellung mittels weicher Halskrause kann in den ersten zwei Wochen ein günstiger Effekt erzielt werden. Wärmeapplikationen bewirken eine lokale Hyperämie und sollten nur auf die verspannte Schulter-/Nackenmuskulatur appliziert werden. Wärmeapplikationen im Bereich der betroffenen Nervenwurzel können zu einer Exazerbation der Beschwerden führen. Das primäre Ziel dieser Massnahmen ist die Analgesie und die funktionelle Normalisierung der Nacken-/Schultermuskulatur (passive Phase). In einer zweiten Phase (aktive Phase) können bei weitgehender Schmerzfreiheit aktive Massnahmen die Belastbarkeit der Nackenmuskulatur verbessern. Nervendehnungsübungen sowie manuelle Behandlungen in Form von Traktionen sind dabei hilfreich.
Infiltrationstherapie Bei Nichtansprechen auf oben genannte Therapien bildet die unter Bildverstärker und Kontrastmittelkontrolle durchgeführte Injektion die nächste valable therapeutische Option (Abbildung 3). Der gezielte transforaminale und periradikuläre Zugang ermöglicht die lokale Applikation einer maximalen Konzentration an entzündungshemmenden Glukokortikoiden. Solche Injektionen können innerhalb eines halben Jahres zwei- bis dreimal wiederholt werden. Die korrekte, nach internationalen Richtlinien orientierte Durchführung sowie die Erfahrung des behandelnden Arztes minimieren das Risiko von Nebenwirkungen, welches unterhalb demjenigen einer operativen Intervention anzusiedeln ist.
Meist konservativ behandelbar Zusammenfassend kann man sagen, dass die meisten Patienten mit symptomatischen zervikalen Diskushernien konservativ behandelt werden können. Bei unkontrollierbaren Schmerzsituationen sowie zunehmender Parese der involvierten Muskulatur ist die Indikation eines operativen Eingriffs gegeben. ■
Dr. med. Gérard Hämmerle Leitender Arzt
Schulthess Klinik, Abteilung Manuelle Medizin und interventionelle Rheumatologie Lengghalde 2, 8008 Zürich
E-Mail: gerard.haemmerle@kws.ch
Interessenkonflikte: keine
Literatur: 1. Garvey T.A., Eismont F.J.: Diagnosis and treatment of cervical radiculopathy and myelopathy.
Orthop Rev 1991; 20: 595—603. 2. Siivola S.M. et al.: MRI changes of cervical spine in asymptomatic and symptomatic young adults.
Eur Spine J 2002; 11 (4): 358—363. 3. Henderson C.M. et al.: Posterior-lateral foraminotomy as an exclusive operative technique for
cervical radiculopathy: a review of 846 consecutively operated cases. Neurosurgery 1983; 13: 504—512. 4. Persson L.C.G., Carlsson C.A., Carlsson J.Y.: Long-lasting cervical radicular pain managed with surgery, physiotherapy, or a cervical collar. Spine 1997; 22: 751—758.
916 ARS MEDICI 20 ■ 2008