Transkript
MEDIEN ■ MODEN ■ MEDIZIN
Eine amerikanische Studie zeigt eine verlangsamte Krankheitsprogression bei hohen Harnsäurespiegeln
Schützt Harnsäure vor Morbus Parkinson?
Menschen mit hohen Harnsäurespiegeln erkranken seltener an Morbus Parkinson. Diese Erkenntnis stammt aus verschiedenen epidemiologischen Untersuchungen. Eine prospektive Studie unter dem Namen PRECEPT hat jetzt gezeigt, dass Harnsäure offenbar auch den Krankheitsverlauf beeinflusst. Bei PRECEPT handelt es sich eigentlich um eine Medikamentenstudie: An rund 800 Patienten im Frühstadium eines Morbus Parkinson sollte geprüft werden, ob ein neuer Wirkstoff namens CEP-1347 in der Lage ist, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. Nach fast zwei Jahren endete die Studie erfolglos. Bei den regelmässigen Untersuchungen waren jedoch eine Reihe von Daten erhoben worden, unter anderem auch die Harnsäurespiegel. Eine Arbeitsgruppe um Alberto Ascherio vom Massachusetts General Hospital in Boston hat im Nachhinein die Harnsäurespiegel genauer unter die Lupe genommen und versucht, einen Zusammenhang zur Krankheitsprogression herzustellen. Dabei zeigte sich, dass die Patienten mit den niedrigsten Harnsäurewerten (4,3 mg/dl und darunter) den definierten Studienendpunkt – das Auftreten von Symptomen, die eine Dopamintherapie erforderlich machten – fast doppelt so häufig erreichten wie jene mit den höchsten Harnsäurespiegeln (6,7 mg/dl und darüber). Die Auswertungen
der Aufnahmen mit der Single Photon Emission Computed Tomography (SPECT) ergaben zudem, dass bei Patienten mit hohen Harnsäurespiegeln weniger dopaminerge Neuronen zugrunde gingen. Allerdings konnte dieser Befund nur für die männlichen Teilnehmer gesichert werden. Warum Frauen anders abschnitten, ist unklar. Die Autoren geben zu bedenken, dass die Harnsäurespiegel bei Frauen meist niedriger sind und tatsächlich fand sich nur eine geringe Anzahl Frauen in der Gruppe mit hohen Harnsäurespiegeln. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Harnsäure tatsächlich neuroprotektiv wirkt. Möglicherweise kommen hier die antioxidativen Eigenschaften von Harnsäure zum Tragen. Oxidativer Stress soll zu einem Verlust dopaminerger Neuronen in der Substanzia nigra beitragen. Im Moment ist die Rolle der Harnsäure aber nicht hinreichend definiert. Es wäre auch denkbar, so die Studienautoren, dass Zwischenprodukte beim Abbau der Harnsäure wirksam sind, etwa Adenosin oder Inosin. Auch sei nicht auszuschliessen, dass Harnsäure nur ein Krankheitsmarker ist, dass es einen Faktor gibt, der Harnsäure und Morbus Parkinson beeinflusst. Höhere Harnsäurespiegel sind statistisch häufiger anzutreffen bei Männern, bei Hypertonikern und bei Adipösen. Diese
Korrelationen fanden sich bei den Studien-
teilnehmern. Gleichwohl, betonen die
Autoren: «Der Zusammenhang zwischen
Harnsäurespiegel und Krankheitsprogres-
sion war von diesen Faktoren unabhängig.»
Auch spielte es keine Rolle, ob die Patienten
rauchten oder nicht.
«Unsere Befunde lassen es denkbar er-
scheinen, dass die Progression der parkin-
sonschen Krankheit durch gezielte Anhe-
bung des Harnsäurespiegels günstig beein-
flusst wird», sagte Michael Schwarzschild,
der Erstautor der Studie. «Der potenzielle
Nutzen einer solchen Strategie muss aber
gegen die Risiken abgewogen werden, etwa
die Entwicklung einer Gicht und die Bil-
dung von Nierensteinen.» Zudem gilt Harn-
säure als kardiovaskulärer Risikofaktor.
Deshalb warnen die Autoren auch vor the-
rapeutischen Schnellschüssen: Nach dem
heutigen Stand des Wissens sei es nicht
verantwortbar, die Harnsäure bei Parkin-
son-Patienten anzuheben. Entsprechende
Therapien seien klinischen Studien mit
engmaschigen Kontrolluntersuchungen
vorbehalten. Harnsäurespiegel lassen sich
unter anderem durch eine purinreiche
Ernährung, durch Thiaziddiuretika (selbst
in geringer Dosis) oder durch Adenosin
und Inosin erhöhen.
■
U.B.
Quelle: Die Studie wird in den «Archives of Neurology» erscheinen und ist online einsehbar (www.archneurol.com): Michael A. Schwarzschild et al.: Serum urate as a predictor of clinical and radiographic progression parkinson disease.
Prophylaxe der venösen Thromboembolie bei hospitalisierten Patienten:
Schweiz steht nicht schlecht da
Internistische Patienten
mit Prophylaxe
mit Prophylaxe gemäss ACCP-
Guideline
Frankreich Deutschland Schweiz Ungarn Grossbritannien Thailand USA
62% 77% 80% 32% 45% 4% 64%
53% 70% 61% 28% 37% 4% 48%
Chirurgische Patienten
mit Prophylaxe
mit Prophylaxe gemäss ACCP-
Guideline
75% 71% 94% 92% 85% 81% 87% 87% 81% 74% 0,6% 0,2% 80% 71%
In der ENDORSE-Studie, einer multi-
nationalen Querschnittsuntersuchung in
32 Ländern, wurde neben der Prävalenz
des Risikos venöser Thromboembolien
(VTE) in Akutspitälern auch der Anteil der
internistischen und chirurgischen Patien-
ten eruiert, denen man bei einem festge-
stellten VTE-Risiko mit einer medikamen-
tösen Prophylaxe begegnete. Ausserdem
ist auch der Prozentsatz der Patienten an-
gegeben, deren VTE-Prophylaxe nach der
Guideline des American College of Chest
Physicians (ACCP) erfolgte. Zwischen den
Ländern gibt es grosse Unterschiede. Die
Schweiz steht im Europavergleich nicht
schlecht da.
■
H.B.
Quelle: Alexander T. Cohen et al., Lancet 2008; 371: 387—394.
364 ARS MEDICI 9 ■ 2008