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Malariaprophylaxe 2004
Mehr als Tabletten verordnen
THOMAS LÖSCHER, OLE WICHMANN, HANS DIETER NOTHDURFT
Während einer reisemedizinischen Beratung sollte das Thema «Malariaprophylaxe» nicht nur auf die Verschreibung eines Chemotherapeutikums beschränkt bleiben. Der Reisende muss wissen, in welchen Regionen und zu welchen
In Deutschland wurden in den letzten Jahren im Durchschnitt etwa 1000 importierte Malariaerkrankungen pro Jahr gemeldet. Davon betrafen mehr als 70 Prozent die gefährliche Malaria tropica, verursacht durch Plasmodium falciparum. Die Mehrzahl der Patienten hatte keine oder keine adäquate Prophylaxe durchgeführt (13). Eine wirksame Impfung steht derzeit noch nicht zur Verfügung. Daher beruht die Malariaprophylaxe unverändert auf dem Schutz vor Moskitostichen (Expositionsprophylaxe) und der vorbeugenden Einnahme von Antimalaria-Medikamenten (Chemoprophylaxe). Hinzu kommt unter bestimmten Umständen die Mitnahme eines zur notfallmässigen Selbstbehandlung geeigneten Medikamentes (Notfalltherapie).
Zeiten das Risiko besonders hoch ist, von einer malariainfizierten Anophelesmücke gestochen zu werden und wie er sich davor schützen kann. Zum anderen muss ihm klar sein, dass eine Malariainfektion trotz Chemotherapie auch längere Zeit nach Rückkehr noch ausbrechen und, wenn
Ohne Stich keine Malaria
Dem Reisenden muss erläutert werden, dass eine Infektion mit dem Malariaerreger durch den Stich einer dämmerungsund nachtaktiven Mücke erfolgt. Ohne Mückenstich kommt es also in der Regel nicht zu einer Infektion! Das Risiko, von einer malariainfizierten weiblichen Anophelesmücke gestochen zu werden, kann durch einfache Massnahmen erheblich reduziert werden. Am wirksamsten erweisen sich q die Übernachtung in Zimmern
mit Klimaanlage q die Verwendung von Moskitonetzen q der Gebrauch von Repellenzien q das Tragen hautbedeckender
Kleidungsstücke (15).
unbehandelt, innerhalb kurzer Zeit zum Tod führen kann.
Repellents Repellents sind Substanzen, die auf die Haut aufgetragen werden können und somit vor Mückenstichen schützen. Der
Merk-
sätze
q Insbesondere bei Kleinkindern und Säuglingen sind expositionsprophylaktische Massnahmen einfach durchführbar und effektiv.
q Entscheidend für die Empfehlung einer Malaria-Chemoprophylaxe sind die Resistenzlage im jeweiligen Reisegebiet und die individuelle Verträglichkeit für den Reisenden.
q Eine Stand-by-Prophylaxe kommt in Frage bei Reisen in Gebiete mit niedrigem Infektionsrisiko, bei bekannter Unverträglichkeit einer Chemoprophylaxe und bei kurzfristiger Malariaexposition.
q Chloroquin kann zur MalariaChemoprophylaxe und Standby-Therapie angewandt werden, sowie in Kombination mit Proguanil zur Prophylaxe.
q Mefloquin ist aufgrund der einmal wöchentlichen Einnahme gerade bei Langzeitaufenthalten in Gebieten mit hohem Malariarisiko (insesondere Afrika) geeignet.
q Aufgrund des Einnahmeschemas wird Malarone® gerne als Chemoprophylaxe für Kurzaufenthalte von drei bis vier Tagen in einem Malaria-Hochrisikogebiet verwandt.
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Malariaprophylaxe 2004
Tabelle 1: Empfohlene Antimalariamittel zur Prophylaxe und notfallmässigen Selbstbehandlung. Dosierungen für Erwachsene.
Medikament
Prophylaxe
Notfallmässige Selbstbehandlung
Artemether/Lumefantrine (20 mg/120 mg), Riamet® 1 Dosis = 4 Tbl.
Atovaquon/Proguanil (250 mg/100 mg), Malarone®
Chloroquin (150 mg Base), Resochin® u.a. Präparate
Doxycyclin (100 mg), versch. Präparate
Mefloquin (250 mg), Lariam®
Proguanil (100 mg), Paludrine®
Nicht geeignet
Erste Dosis initial, dann nach 8 h, dann 2 x tgl. Tag 2 und 3 (insg. 24 Tbl.)
Tgl. 1 Tabl.: 1 Tag vor bis 7 Tage nach Aufenthalt im Malariagebiet
Jeweils 4 Tbl. an drei aufeinander folgenden Tagen
2 (3 bei > 75 kg KG) Tabl. pro Woche: 1 Woche 4 Tabl. initial, dann nach 6 h 2 Tbl., am Tag 2 und 3
vor bis 4 Wochen nach Aufenthalt im
jeweils 2 Tabl. (insg. 10 Tabl.)
Malariagebiet
Tgl. 1 Tbl.: 1 Tag vor bis 4 Wochen nach Aufenthalt im Malariagebiet
Nicht geeignet
1 Tbl. pro Woche: 1 Woche vor bis 4 Wochen Initial 3 Tbl., nach 6–8 h 2 Tbl. nach weiteren 6–8 h
nach Aufenthalt im Malariagebiet
1 Tbl. (insg. 6 Tbl.)
Tgl. 2 x 1 Tbl.: zeitgleich zum Chloroquin
Nicht geeignet
neuere Wirkstoff Bayrepel®, eine Weiterentwicklung von Autan®, weist eine ähnlich gute Reduktion von Mückenstichen auf wie die herkömmlichen DEET-Repellenzien (z.B. Nobite® [5]). Kommerziell vertriebene «akustische Repellents» wie auch die Einnahme von Vitamin-B1-Komplexen haben in Studien keine Wirksamkeit gezeigt (7). Botanische Produkte wie Citronella oder EukalyptusÖl bieten nur einen kurzfristigen Schutz von 15 bis 20 Minuten (10).
Moskitonetze Die Grösse des Netzes ist so zu wählen, dass keine Körperteile berührt werden. Nachts schlägt man das Netz zum besseren Schutz unter der Matratze ein. Insektizid-imprägnierte Netze haben eindeutig eine grössere protektive Wirkung als nichtimprägnierte (9), sie können gewaschen werden und tolerieren kleine Risse oder Löcher.
Insektizide Insektizide haben einen direkten toxischen Effekt auf das Nervensystem von Arthropoden. Sie können angewandt werden in Form von Verdampfern, Räucherspiralen und Aerosolen. Insbesondere kommen Insektizide zur Anwendung in
Kombination mit physikalischen Massnahmen, etwa bei der Imprägnierung von Moskitonetzen oder Kleidung (z.B. mit Nobite). Gängige Insektizide sind Deltamethrin, Permethrin und Lamdacyhalothrin.
Aktuelle Resistenzlage checken
Entscheidend für die Empfehlung einer Malaria-Chemoprophylaxe sind Malariarisiko und Resistenzlage im jeweiligen Reisegebiet sowie individuelle Verträglichkeit beziehungsweise Kontraindikationen für den Reisenden. Da sich Malariarisiko und Resistenzsituation kurzfristig ändern können, sind aktuelle Informationen erforderlich. Diese findet man in den laufend aktualisierten Empfehlungen zur Malariaprophylaxe der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit (DTG), die im Internet abrufbar sind (www.dtg.mwn.de). Als Chemoprophylaktika stehen Chloroquin (Resochin® u.a. Präparate), Proguanil (Paludrine®), Mefloquin (Lariam®), die fixe Kombination Atovaquon/Proguanil (Malarone®) und Doxycyclin zur Verfügung (Tabelle 1). In einer grossen Studie über die Verträg-
lichkeit der verschiedenen Malaria-Regelmedikationen bei nichtimmunen Reisenden traten bei Malarone und Doxycyclin signifikant weniger Nebenwirkungen auf als bei Mefloquin und Chloroquin/Proguanil (14).
Notfallmedikation (Stand-by-Prophylaxe)
Der Verzicht auf eine Chemoprophylaxe und die Mitnahme eines zur notfallmässigen Selbstbehandlung geeigneten Medikamentes kommt vor allem bei Reisen in Gebiete mit niedrigem Infektionsrisiko in Frage. Ausserdem ist die Stand-by-Prophylaxe eine Option bei bekannter Unverträglichkeit einer Chemoprophylaxe und bei kurzfristiger Malariaexposition (z.B. zwei Tage Krüger-Park). In einem ausführlichen Gespräch muss dem Reisenden folgende Vorgehensweise vermittelt werden: q Bei malariaverdächtigem Fieber mit
oder ohne sonstige Symptome sollte er, q wenn innerhalb von 24 Stunden kein
Arzt erreichbar ist und q eine Mindestzeit von sieben Tagen seit
Einreise in ein Endemiegebiet verstrichen ist, mit Medikamenten (z.B. Paracetamol) oder physikalischen Massnah-
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men das Fieber senken und die NotfallSelbsttherapie in einer Dosierung entsprechend dem Beipackzettel einleiten (6). Ein Arzt ist anschliessend auf jeden Fall aufzusuchen.
Zusätzlich ist der Reisende dringend darauf hinzuweisen, dass er auch dann, wenn erst nach seiner Rückkehr nach Deutschland Fieber auftritt, sofort einen Arzt konsultieren soll. Während der Reise sollte eine gute Expositionsprophylaxe durchgeführt werden. Zur Notfall-Selbsttherapie kommen je nach Resistenzlage im Reisegebiet und individuellen Verträglichkeiten folgende Medikament in Betracht: Chloroquin (Resochin® u.a.), Mefloquin (Lariam), Atovaquon/Proguanil (Malarone) und Artemether/Lumefantrin (Riamet).
Chloroquin und Proguanil Chloroquin kann zur Malaria-Chemoprophylaxe und Stand-by-Therapie angewandt werden, sowie in Kombination mit Proguanil zur Prophylaxe. Aufgrund von Resistenzentwicklungen ist jedoch selbst die Kombination mit Proguanil nicht mehr für Reisen nach Afrika und Asien ausreichend. Mehrere Vergleichsstudien haben gezeigt, dass Chloroquin/Proguanil mit der schlechtesten Verträglichkeit und häufig mit Non-Compliance verbunden ist, sodass die DTG diese Kombination nur noch unter bestimmten Bedingungen für besondere Personengruppen (Schwangere, Säuglinge unter 5 kg) empfiehlt.
Mefloquin Mefloquin kann zur Prophylaxe und Stand-by-Therapie benutzt werden. Aufgrund der Resistenzlage ist jedoch die Verwendung von Mefloquin in Südostasien nicht mehr ausreichend. Nebenwirkungen werden häufiger im psycho-vegetativen Bereich, selten als epileptische Anfälle und psychotische Syndrome beobachtet. Aufgrund der einmal wöchentlichen Einnahme ist Mefloquin gerade bei Langzeitaufenthalten in Gebieten mit hohem Malariarisiko (insbesondere Afrika) geeignet.
Atovaquon und Proguanil Die fixe Kombination Atovaquon/Proguanil (Malarone) ist sowohl für die Therapie als auch für die Prophylaxe einer Malariainfektion zugelassen. Für die Prophylaxe ist die Zulassung jedoch auf einen
Chronisches Rheuma im Rücken?
ICD: M-Codes
3-fach entzündungshemmend1 Klinisch belegte Wirksamkeit bei rheumatischen Beschwerden Initial 2 ؋ 2 Dragées empfohlen1
Ausgezeichnete Verträglichkeit
Kassenpflichtig
Biomed AG, 8600 Dübendorf Tel. 044 802 16 16, Fax 044 802 16 00 biomed@biomed.ch, www.biomed.ch
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Malariaprophylaxe 2004
Tabelle 2: Checkliste für die Malariaberatung durch den Arzt
q Aufklärung des Reisenden über das Malariarisiko q Schwangeren Frauen und Kindern unter 5 Jahren ist vom Aufenthalt in Malaria-
gebieten abzuraten q Informationen über Massnahmen zur Vermeidung von Insektenstichen q Warnung, dass Malaria trotz Chemoprophylaxe auftreten kann q Information über die Symptome einer Malaria und die Notwendigkeit, bei Auf-
treten dieser Symptome einen Arzt aufzusuchen; Hinweis auf die Lebensgefahr bei verzögerter Diagnostik und Therapie q Frage nach vorbestehenden Krankheiten, regelmässiger Medikamenteneinnahme, Allergien und nach bestehender Schwangerschaft q Frage nach geplanten Aktivitäten während der Reise, z.B. Tauchen und Bergsteigen q Aufklärung über die regelmässige Einnahme der verordneten Medikamente zur Vorbeugung beziehungsweise zur notfallmässigen Selbsttherapie q Hinweis auf die Notwendigkeit der Fortsetzung der Chemoprophylaxe nach Verlassen des Malariagebietes q Aufklärung über die Nebenwirkungen der verordneten Medikamente q Hinweis darauf, dass bei Malaria oder Malariaverdacht während der Reise nach Rückkehr ein Arzt aufgesucht werden sollte q Mitgabe von schriftlichem Informationsmaterial zum Verbleib bei dem Reisenden q Empfehlung an den Reisenden, wegen des oft unkalkulierbaren Wirkstoffgehaltes keine Malariamedikamente im Ausland zu kaufen
Doxycyclin ist 2003 als gleichberechtigtes Chemotherapeutikum neben Mefloquin und Malarone zur Malariaprophylaxe in die Empfehlungen der DTG aufgenommen worden.
Artemether und Lumefantrin
Die fixe Kombination Artemether/Lumef-
antrin (Riamet, Co-Artem) ist zugelassen
zur Therapie einschliesslich der notfall-
mässigen Selbstbehandlung einer un-
komplizierten Malaria tropica oder einer
Mischinfektion mit Plasmodium falciparum
bei Erwachsenen und Kindern ab 12 Jah-
ren und einem Körpergewicht von min-
destens 35 kg. Es ist nicht geeignet zur
Malariaprophylaxe.
Als Therapieregime bei Nicht-Immunen
hat sich die Gabe von sechs Dosen über
drei Tage bewährt (Tabelle 1). Hinsichtlich
der Schnelligkeit sowohl bei der Parasiten-
wie auch der Fieberclearance ist das
Medikament anderen Malariamitteln über-
legen. Resistenzen sind bislang nicht be-
schrieben. Insgesamt ist das Medikament
gut verträglich.
q
Aufenthalt von 28 Tagen und auf Personen mit einem Gewicht > 10 kg beschränkt (für Kinder ist Malarone® Junior erhältlich). Da das Medikament bereits auf die Leberschizonten wirkt, ist eine Dauer von einem Tag vor bis sieben Tage nach dem Aufenthalt in einem Malariagebiet ausreichend bei Einnahme einer Tablette täglich. Als Nebenwirkungen werden insbesondere Kopfschmerzen, Übelkeit und Bauchschmerzen beobachtet. Insgesamt ist das Medikament gut verträglich (11). Aufgrund des Einnahmeschemas wird Malarone aus praktischen (und finanziellen) Gründen gern als Chemoprophylaxe für Kurzaufenthalte von drei bis vier Tagen in einem Malaria-Hochrisikogebiet verwandt. Besorgnis erregend ist, dass bereits einige Fälle von Malarone-Versagern (4) sowie Fälle mit Steven-Johnson-Syndrom gemeldet worden sind (2).
Doxycyclin Doxycyclin ist 2003 als gleichberechtigtes Chemotherapeutikum neben Mefloquin und Malarone zur Malariaprophylaxe in die Empfehlungen der DTG aufgenommen worden. Das Monohydrat (1H2O) scheint in Bezug auf die Magen-Darm-Beschwerden verträglicher zu sein als das Hyclat (HCl). Weitere wichtige Nebenwirkungen sind fototoxische Reaktionen und Vaginalmykosen. Kontraindikationen bestehen bei Schwangerschaft, für Stillende und für Kinder unter acht Jahren. Doxycyclin ist in Deutschland als Mittel zur Malariaprophylaxe nicht zugelassen (obwohl von der WHO empfohlen), doch ist ein «Off-Label-Use» möglich, da die gute Wirksamkeit und Verträglichkeit durch viele Studien belegt ist (12). Der Reisende ist auf diese Tatsache und den damit verbundenen Ausschluss der Produkthaftung durch den Hersteller hinzuweisen.
Literatur unter www.allgemeinarzt-online.de
Für die Autoren Prof. Dr. Thomas Löscher Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin, Klinikum der LMU München,
D-80802 München E-Mail: loescher@lrz.uni-muenchen.de
Interessenkonflikte: keine deklariert
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 4/2004. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.
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