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KONGRESSBERICHT
AAD 2024
Sonnenschutz wird immer noch vernachlässigt
Mehrere Studien, die beim Amerikanischen Dermatologenkongress vorgestellt wurden, zeigen: Beim Sonnenschutz, gerade von Risikogruppen, gibt es noch Luft nach oben. Bei Kindern sollte man Sonnenschutzmittel mit mineralischen UV-Filtern bevorzugen.
SZD 3/2024
Jahr für Jahr kennt die Melanomprävalenz global nur eine Richtung: nach oben. Zirka 190 000 Neuerkrankungen werden im Jahr 2023 allein in den USA erwartet. Sonnenexposition ist ein wesentlicher, modifizierbarer Risikofaktor für die Melanomentstehung, der durch eigenes Verhalten verringert werden kann. Doch wie konsequent schützen sich Melanompatienten? Diese Frage wollten Dr. Kristen Fernandez aus Chicago (Illinois/USA) und ihr Team in ihrer Studie beantworten (1). Hierzu werteten sie Informationen des National Health Interview Survey aus, eine der grössten Datensammlungen des amerikanischen National Center for Health Statistics (NCHS) zwischen 2015 (n = 31.162) und 2020 (n = 31.568). Sie unterschieden hier zwischen Personen mit einer positiven Familienanamnese für ein Melanom und Melanompatienten. Allerdings waren die Daten für die positive Familienanamnese nur für das Jahr 2015 verfügbar. Im Jahr 2015 schützten sich beide Gruppen am häufigsten mit Sonnenschutzmitteln: Sie wurden von 62 Prozent der Melanompatienten und 50 Prozent der Familienangehörigen benutzt, gefolgt davon, im Schatten zu bleiben – hier lagen die Anteile bei 58 Prozent bzw. 45 Prozent der Familienangehörigen. Allerdings stieg der Anteil der Patienten mit langärmliger Kleidung in diesem Zeitraum nicht an. Personen ohne Melanom in der Eigen- oder Familienanamnese schützen sich hauptsächlich vor Sonnenexposition dadurch, dass sie im Schatten blieben (44% im Jahr 2015) gefolgt von Sonnenschutzmitteln, die im Jahr 2015 jedoch nur 37 Prozent anwendeten. Bei Melanompatienten nahm der Anteil, der einen Sonnenhut mit breiter Krempe aufsetzte, von 39 Prozent im Jahr 2015 auf 63 Prozent im Jahr 2020 zu. Allerdings sank im selben Zeitraum der Anteil der Patienten, die sich im Schatten aufhielten, von 58 Prozent auf 47 Prozent: Bei Patienten ohne Melanomrisiko nahm der Anteil derer, die Sonnenschutz auftrugen, bis 2020 deutlich zu, wogegen er bei Melanompatienten weitgehend gleich blieb. Die Autoren schliessen aus diesen Daten, dass Patienten mit einem erhöhten Melanomrisiko in den letzten Jahren ihren Sonnenschutz zwar verbesserten. Allerdings sollten sie ermutigt werden, weitere, bis-
lang ungenutzte Massnahmen wie den textilen Sonnenschutz einzusetzen (1).
Erhöhtes Sonnenbrandrisiko bei jungen Psoriasispatienten …
Die Fototherapie ist eine etablierte konventionelle Behandlung bei der Psoriasis, sie kann aber als Nebenwirkung auch Sonnenbrand verursachen. Überdies werden beim Sonnenbrand vermehrt proinflammatorische Zytokine wie IL-8 und TNF-alpha produziert, die bei Psoriasis eine Rolle spielen und die Krankheit verschlimmern könnten. Bislang gibt es nur wenige Studien, die das Sonnenbrandrisiko bei Menschen mit Psoriasis untersucht haben. Ziel der Studie von Sara Osborne aus Minneapolis-St. Paul (Minnesota/USA) und ihrem Team war es, den Zusammenhang zwischen Psoriasis und Sonnenbrand anhand von Daten des amerikanischen National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES) zwischen 2009 und 2014 zu untersuchen (2). Insgesamt konnten Daten von 11 807 Teilnehmern ausgewertet werden, ein möglicher Zusammenhang zwischen Psoriasis und Sonnenbrand wurde mittels multivariabler logistischer Regressionsanalysen bewertet. Hier zeigte sich, dass die Prävalenz von Sonnenbränden bei Erwachsenen mit Psoriasis bei etwa 55,4 Prozent und bei Erwachsenen ohne Psoriasis bei 45,6 Prozent lag (p = 0,01). Eine weitere Analyse ergab einen signifikanten Zusammenhang zwischen Psoriasis und Sonnenbrand bei Erwachsenen im Alter von 20 bis 39 Jahren nach Bereinigung um Störvariablen (p = 0,049). Bei der Analyse von Untergruppen nach Alter und Geschlecht wurden jedoch keine statistisch signifikanten Ergebnisse festgestellt. Nach Ansicht der Autoren könnten sowohl die Fototherapie als auch TNF-α/IL-8 zu dem beobachteten Zusammenhang beigetragen haben. Doch auch andere Faktoren sind möglich, die sowohl mit Sonnenbrand als auch mit Psoriasis in Verbindung gebracht werden. Hierzu zählen z. B . ein Vitamin-D-Mangel, das Köbner-Phänomen und eine verstärkte Entzündungsreaktion gerade bei jüngeren Personen. Nach Ansicht der Autoren sollten weitere Untersuchungen an grossen, repräsentativen Erwachsenenpopulatio-
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nen durchgeführt werden, um die Kausalität zwischen Psoriasis und Sonnenbrand zu bestimmen (2).
… und bei Neugeborenen
Auch Neugeborene sind gegenüber UV-Exposition besonders empfindlich und schutzbedürftig. Die Exposition gegenüber Sonnenlicht und Sonnenbrände in der Kindheit erhöhen das Risiko, später im Leben an Hautkrebs zu erkranken. Trotzdem richten sich bisher keine Präventionsmassnahmen an junge Mütter, und es gibt nur begrenzte Kenntnisse über ihre Einstellung bzw. ihr Verhalten zum Sonnenschutz. Um hierüber Kenntnis zu erhalten, wurde eine Umfrage an werdenden Müttern (n=59, Durchschnittsalter 31 Jahre) durchgeführt (3). Hier erfragten die Forscher sowohl das Verhalten der werdenden Mütter selbst als auch inwieweit sie ihre Babys vor UV-Exposition schützen. Die Teilnehmerinnen gaben an, sich die meiste Zeit durch langärmlige Kleidung vor UV-Strahlung zu schützen, Hüte mit breiter Krempe trugen sie dagegen kaum. Zudem hielten sie sich auch während der höchsten UV-Strahlung im Freien auf. Die werdenden Mütter gaben an, nur manchmal Sonnenschutzmittel aufzutragen oder sich im Schatten aufzuhalten, etwas öfter gaben Sie an, eine Sonnenbrille zu tragen. Keine der Teilnehmerinnen hatte im letzten Monat einen Sonnenbrand. Die Teilnehmerinnen, die selbst Sonnenschutz verwendeten, wollten auch signifikant häufiger ihren Nachwuchs vor UV-Strahlung schützen (p < 0,001 versus werdende Mütter, die selbst keinen Sonnenschutz auftragen). Die Autoren schliessen aus ihrer Untersuchung, dass werdende Mütter von einer Sonnenschutzintervention profitieren könnten, da diese Kenntnisse auch den Babys zugutekommen werden (3).
Mineralische UV-Filter: Je höher die Zinkkonzentration, desto besser der UVA-Schutz
Der Lichtschutzfaktor (LSF) gilt als verlässlicher Indikator für den Schutz vor Ultraviolett-B-(UVB-)Strahlen. Allerdings gibt er keine Auskunft über das Ausmass des Schutzes gegen UVA-Strahlung, die tiefer in die Haut eindringt und Pigmentstörungen, Lichtalterung, photokarzinogene und immunmodulatorische Wirkungen verursacht. Sonnenschutzmittel mit mineralischen UV-Filtern können einen unterschiedlich hohen UVA-Schutz aufweisen. In einer Studie wurden 8 mineralische Breitspektrum-Sonnenschutzmittel mit einem Zinkoxid (ZnO)-Gehalt zwischen 0 Prozent und 21,6 Prozent hinsichtlich ihres UVA-Schutzes geprüft (4). Hier wurde die Reaktion der Haut auf anhaltende Pigmentierung mittels klinischer Einstufung und Bildgebung nach einer Norm für UVASchutz (ISO24442:2011) geprüft. Sonnenschutzmittel mit höherem ZnO-Gehalt boten einen signifikant besseren Schutz gegen UVA-induzierte Pigmentierung. Die Verwendung von Sonnen-
schutzmitteln mit unterschiedlichem ZnO-Gehalt kann demnach zu erheblichen Unterschieden beim UVA-Schutz führen. Die Autoren betonen, dass es wichtig sei, ein Gleichgewicht zwischen ästhetisch ansprechenden und klinisch wirksamen mineralischen Sonnenschutzmitteln zu finden (4). Gerade für den Einsatz bei Kindern eignen sich – eine entsprechende Wirksamkeit vorausgesetzt – Sonnenschutzmittel mit mineralischen UV-Filtern besonders gut. Denn chemische Sonnenschutzfilter sind die häufigsten Ursachen für Fotoallergien bei Kindern (5). Dagegen sind nach Ausführung von Prof. JiaDe Yu aus Boston (Massachusetts/USA), Zink und Titan eher seltene Auslöser. Andere Zusatzstoffe in Sonnenschutzmitteln können ebenfalls Fotoallergien auslösen, die jedoch nur in speziellen Zentren durch belichtete Epikutantestung (Fotopatch-Test) festgestellt werden können. «Es gibt eine Vielzahl von Erscheinungsformen von Fotoallergien bei Kindern, wie z. B. allergische Kontaktdermatitis, polymorphe Lichteruption, photoirritative Dermatitis oder solare Urtikaria, um nur einige zu nennen», so Yu. Sowohl in der Pädiatrie als auch bei Erwachsenen ist der Fotopatchtest Goldstandard in der Diagnostik. Allerdings wird dieser Test in praxi noch zu selten durchgeführt.
Limetten als Verursacher fototoxischer Reaktionen
Bei der Suche nach der Ursache für fototoxische Reaktionen ist nach Ausführung von Prof. Bandon Adler aus Los Angeles (Kalifornien/USA) detektivischer Spürsinn gefragt (6). Dabei können die Verursacher ganz alltäglich sein. «Limettensaft kann eine phototoxische Hautreaktion mit Blasenbildung und Hyperpigmentierung verursachen, die Jahre lang bestehen bleibt. Etwas so Einfaches wie ein Limettensaft an einem heissen Sommertag genügt», so Adler. Zudem räumte er mit dem verbreiteten Irrtum auf, Sonnenschäden und aktinische Keratosen gäbe es nur bei Hellhäutigen. Immer mehr Präkanzerosen werden auch bei dunklen Hauttypen beobachtet. «Es ist wichtig, dass wir uns auch diese Patienten genau ansehen und nicht von vornherein denken, Sonneneinstrahlung könne ihnen nichts anhaben», betonte Adler. s
Susanne Kammerer
Referenzen: 1. Fernandez K et al.: Sun protective behaviors among patients at a higher risk for
melanoma. P50709, AAD 2024. 2. Osborne S et al.: Association between psoriasis and sunburns among U.S. adults
aged 20-39 in the National Health and Nutrition Examination Survey from 20092014. P50421, AAD 2024. 3. Shen NBS et al.: Targeting Maternal Practices in Neonatal Skin Cancer Prevention: A Novel Approach to Early Intervention. P51084, AAD 2024. 4. Shyr ThC et al.: Demonstrating the clinical effectiveness of mineral sunscreens in protecting the skin against Ultraviolet A (UVA) radiation-induced pigmentation. P 50811, AAD 2024. 5. Yu J: Contact Dermatitis. Symposium S024, AAD 2024. 6. Adler B: Fun in the Sun: Photocontact dermatitis and related conditions Symposium U059, AAD 2024.
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