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LEBENSMITTELZUSATZSTOFFE
Lebensmittelzusatzstoffe
Teil 5 – Stabilisatoren
STEFFEN THEOBALD
Unter dem Begriff Stabilisatoren wird eine sehr heterogene Gruppe organischer Substanzen zusammengefasst. Sie verleihen einem Lebensmittel während des Herstellungsprozesses die erwünschten physiko-chemischen Eigenschaften wie Konsistenz, Textur, Geschmack und Aussehen und sorgen dafür, dass diese Eigenschaften auch während der Lagerung erhalten bleiben. Stabilisatoren, die als Lebensmittel im Sinne des Lebensmittelrechts gelten, sind nicht in der Zusatzstoffverordnung (ZuV) aufgeführt. Beispiele hierfür sind stabile Naturfarbstoffe aus Holunderbeeren oder Schlehen. Nachfolgend werden dagegen solche Stabilisatoren vorgestellt, die häufig eingesetzt werden und als Zusatzstoffe zugelassen sind. Diskutiert werden die lebensmitteltechnologischen und sensorischen Eigenschaften dieser Substanzen, ihre Einsatzgebiete sowie relevante toxikologische Aspekte.
Stabilisatoren – eine uneinheitliche Stoffgruppe
Die Schweizer Zusatzstoffverordnung (ZuV) führt die Stabilisatoren nicht wie Farbstoffe, Süssungsmittel, Konservierungs- und Antioxidationsmittel in einer eigenen Rubrik, sondern unter den «übrigen Zusatzstoffen» auf (1). Dies könnte unter anderem an der Heterogenität dieser Stoffgruppe liegen. Auch in der Literatur existiert keine einheitliche Gruppierung dieser Verbindungen. Einige Autoren verwenden den Oberbegriff Stabilisatoren und subsumieren darunter Verdickungs- und Geliermittel einerseits und Emulgatoren andererseits (2, 3). Andere sehen die Stabilisatoren als eigene Gruppe von Verbindungen neben den Verdickungsmitteln, Geliermitteln und Emulgatoren (2, 4–6). Das mag damit zusammenhängen, dass die meisten Substanzen mehrere Eigenschaften aufweisen. So hat zum Beispiel Johannisbrotkernmehl (E410) in Trinkschokolade sowohl eine verdickende, also die Konsistenz verändernde, als auch eine stabilisie-
rende Wirkung, denn es hält die Kakaopartikel in der Suspension. Einige Autoren zählen auch Schmelzsalze wie die Di-, Triund Polyphosphate (E450–E452) in Käsezubereitungen, die Backtriebmittel wie das in Backpulver enthaltene Natriumcarbonat (E500) oder Trennmittel wie das Natriumferrocyanid (E535) zur Verbesserung der Rieselfähigkeit von Speisesalz zu den Stabilisatoren (3, 7). Als Zusatzstoffe zugelassene Stabilisatoren können aus natürlichen Lebensmitteln extrahiert (z.B. Guarkernmehl, E412), naturidentisch (z.B. Lecithin, E322) oder nicht natürlichen Ursprungs (z.B. Methylcellulose, E461) sein. Grundsätzlich gelten alle in der ZuV aufgelisteten Zusatzstoffe als sicher. Dennoch werden bei einigen Substanzen mögliche Gesundheitsrisiken, meist für bestimmte Personengruppen, diskutiert. Dabei können nicht nur künstliche, sondern auch natürliche Stabilisatoren toxikologisch bedenklich sein. Diese Aspekte sollen anhand der Literatur innerhalb des jeweiligen Zusatzstoffporträts diskutiert werden.
Verdickungs- und Geliermittel
Verdickungs- und Geliermittel sind Hydrokolloide. Hydrokolloide sind Systeme, die fein verteilte Makromoleküle in einem Lösungsmittel (meist Wasser) enthalten, ohne eine echte Lösung zu bilden (5). Die Verdickungs- und Geliermittel lassen sich bezüglich der Konsistenz im Endprodukt nicht eindeutig voneinander abgrenzen, die Übergänge sind eher fliessend. Beide haben die Eigenschaft, in ihrer Struktur grosse Mengen Wasser aufzunehmen. Die Verbindung zwischen dem Verdickungsoder Geliermittel und dem zu verdickenden Agens besteht meist aus Wasserstoffbrücken. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Verdickungs- und Geliermittel ist ihre räumliche Struktur. Während Verdickungsmittel meist eine kugelförmig verknäulte, verzweigte Struktur haben, sind Gelbildner häufig kettenförmig linear aufgebaut. Dadurch können sich Letztere stärker untereinander vernetzen und das Lösungsmittel komplett binden. Bereits in 1- bis 3-prozentigen Konzentrationen entstehen formstabile, aber elasti-
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sche Gels. Meist ist dazu die Gegenwart von Saccharose oder zweiwertigen Kationen (z.B. Kalzium in Milch) erforderlich. Im Unterschied zum Gel können sich die Wassermoleküle im Verdickungsmittel noch frei bewegen (3), weshalb das Kolloid nicht erstarrt. Verdickungsmittel stabilisieren nicht nur Fest-Flüssig-Systeme wie Fruchtsäfte, Suppen, Saucen, sondern auch Gas-Flüssig-Systeme, wie aufgeschäumte Desserts oder Bier. Die genannten Eigenschaften weist eine ganze Reihe von pflanzlichen Polysacchariden auf, wie etwa Stärke, Algenextrakte, Johannisbrotkernmehl oder Guarkernmehl. Aber auch tierische Proteine, wie beispielsweise Gelatine, besitzen gelierende Eigenschaften (2).
Alginsäure (E400), Natrium-, Kalium-, Ammonium-, Kalziumalginat (E401– E404), Propylenglycolalginat (E405) Alginsäure (E400) und ihre Alkali-, Ammonium- oder Kalziumsalze (E401–E404) werden aus Braunalgen gewonnen. Chemisch handelt es sich um Polyuronide der α-L-Guluronsäure und β-D-Mannuronsäure mit zirka 200 bis 900 Einheiten. Im Gegensatz zur Alginsäure sind die Alginate wasserlöslich und bilden Gels in einem breiten pH-Bereich (4,5–10). Sie können bis zum 30-Fachen ihres Gewichts an Wasser binden (3). Alginate kommen in vielen Produkten zum Einsatz, wie zum Beispiel in Konfitüren, Gelees, Desserts, Puddingpulver und Speiseeis. Ein interessanter Anwendungsbereich sind die aus Fruchtpüree geformten Kirschen oder Apfelstücke, die durch Versetzen der entsprechenden Pürees mit Alginaten entstehen und zur Dekoration von Kuchen oder Füllung von Apfeltaschen verwendet werden (8). Das Propylenglycolalginat (E405) wird synthetisch aus Alginsäure hergestellt. Es ist säurestabil und mit Mengenbegrenzung zugelassen, zum Beispiel in Margarine, Saucen, Backwaren und Puddings und als Stabilisator in Bier (5, 9). Die Alginate werden im Dünndarm nicht aufgespalten und können, in grösseren Mengen genossen, die Aufnahme zweiwertiger Mineralstoffe vermindern, weil diese an die Säuregruppen gebunden bleiben (7).
Agar-Agar (E406) Ein in China bereits seit etwa einem Jahrtausend verwendetes Verdickungs- und Geliermittel ist Agar-Agar (2). Es ist ein Polysaccharid aus β-D-Galactose und 3,6-Anhydro-α-L-Galactose-Monomeren und wird aus den Zellwänden von Rotalgen gewonnen. Seine besondere Eigenschaft ist die Bildung von Gelen bei Temperaturen von 30 bis 50 °C, die erst durch Erhitzen auf etwa 95 °C wieder aufschmelzen (2). Sie besitzen damit eine grosse Stabilität, die sie vielfältig einsetzbar macht. Neben der Lebensmittelindustrie, die Agar in Konfitüren, Süsswaren, Joghurt und Überzügen für Fleischerzeugnisse (Pasteten etc.) verwendet, ist es ein wichtiger Stoff in der Mikrobiologie (Nährböden) und der medizinischen Analytik (Immun- und Gelelektrophorese) (6). Agar ist praktisch unverdaulich, wirkt jedoch durch seine wasserbindende Wirkung in grösseren Mengen abführend (7).
Carrageen (E407), behandelte Euchemaalgen (E407a) Carrageen wird aus verschiedenen Rotalgenspezies gewonnen und stellt ein komplexes Gemisch aus mehreren Polysacchariden dar. Die Viskosität der Lösungen ist stark abhängig von der Zusammensetzung des Polysaccharidgemisches, der Temperatur, vom pH-Wert sowie der Konzentration an Carrageen (6). Bei behandelten Eutemaalgen handelt es sich um einen Polysaccharidextrakt aus dieser einen Algenart. Verwendet wird Carrageen unter anderem in Trockenmilchprodukten, Saucen und Würzsaucen, Süsswaren, Eiscreme, Dessert- und Tortengusspulver. Ein interessanter Einsatzbereich ist Trinkschokolade, in der es die Kakaobestandteile über Wochen in der Suspension zu stabilisieren vermag (4, 6). Carrageen wird unverändert ausgeschieden. Weil es in der Vergangenheit immer wieder Diskussionen über eine mögliche Kanzerogenität sowie Allergenität bei empfindlichen Personen gab, darf Carragenan nur mengenbegrenzt eingesetzt werden (7, 10).
Johannisbrotkernmehl (E410) Das aus dem Samen des im Mittelmeerraum beheimateten Johannisbrotbaums
(Ceratonia siliqua, Carobenbaum) gewonnene Mehl ist ein Polysaccharid aus Mannose- und Galaktosebausteinen. Es kann grosse Mengen Wasser binden und wird primär als Verdickungs- und Bindemittel und nicht als Geliermittel eingesetzt. Häufige Anwendungsbeispiele sind Backwaren, Konfitüren, Speiseeis, Milchmischgetränke, Fleischkonserven und Wurstwaren (6). In glutenfreien Backwaren für Zöliakiepatienten dient es als Kleberersatz, um die kleberfreien Mehle backfähig zu machen. Unter dem Namen Carob wird Johannisbrotkernmehl in fettarmer oder fettfreier Schokolade verarbeitet und vermarktet (2). Auf Johannnisbrotkernmehl können empfindliche Personen mit allergischen Symptomen wie Urtikaria, Rhinitis und Angioödemen reagieren. Auch Kreuzreaktionen bei einer bestehenden Allergie auf Guarkernmehl, Gummi arabicum, Traganth sowie Soja und Nüsse wurden in der Literatur beschrieben (11).
Guarkernmehl (E412) Guarkernmehl wird aus den Samen der in Indien beheimateten und in den USA kultivierten Guarpflanze (Cyamopsis tetragonoloba) gewonnen. Chemisch besteht es zu 75 Prozent aus polymeren Galaktomannanen. Schon in geringen Mengen erhöht es die Viskosität von Lösungen. In Backwaren verhindert es die Retrogradation der Stärke und somit das Altwerden. Weitere Verwendungsbeispiele sind Suppen, Saucen, Obstprodukte und Desserts (2, 7). In Speiseeis verringert es die Eiskristallbildung und verbessert die Abschmelzeigenschaften. Zusammen mit Carrageen und Agar-Agar verbessert es deren Geliervermögen (5). Guarkernmehl ist als löslicher Faserstoff in der Lage, im Dünndarm Zucker und Stärke rein physikalisch so in seinem Molekülnetzwerk einzuschliessen, dass ihre Resorptionsgeschwindigkeit verringert wird. Das kann zu geglätteten Blutzuckerprofilen führen, wovon insbesondere Typ-2-Diabetiker profitieren (8). Da es andererseits unverdaulich ist, kann es jedoch, geniesst man es in grösseren Mengen, zu Meteorismus und Flatulenz kommen. Auch ein allergieauslösendes Potenzial wird diskutiert (7, 12, 13).
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Traganth (E413) Traganth (Tragacanth) kommt in verschiedenen Astragalus-Baumarten vor (Persischer Traganth, Anatolischer Traganth), die im östlichen Mittelmeerraum und Nahen Osten beheimatet sind. Der Stoff ist ein komplexes Polysaccharid aus D-Galakturonsäure, D-Arabinose, D-Galaktose, D-Fruktose und D-Xylose. In kaltem Wasser quillt es auf und bildet aufgrund der langgestreckten Molekülstruktur eine hochvisköse, relativ säure- und hitzestabile Lösung (5, 6). Traganth wird zum Andicken von Salatsaucen, Suppen und Mayonnaisen verwendet. In Eiscreme und Desserts, insbesondere kalorienreduzierten Produkten, verbessert es die Konsistenz und erzeugt ein cremiges Mundgefühl (2, 6). Als unverdaulicher Faserstoff kann Traganth leicht abführend wirken.
Gummi arabicum (E414) Gummi arabicum ist ein aus Stämmen und Ästen verschiedener tropischer Akazienarten abfliessendes farbloses bis rotes Harz, das in Wasser gelöst als Emulgator und Verdickungsmittel verwendet wird. Chemisch ist es ein Polysaccharid aus D-Galaktose-, D-Arabinose-, D-Rhamnose- und D-Glukuronsäureeinheiten. Es stabilisiert Schäume, verhindert das Auskristallisieren von Zucker und Wasser in Eiscremes und Süssspeisen und wird zur Stabilisierung von Trubstoffen in Suspensionen verwendet (2). Xanthan, Traganth und Gummi arabicum zählen zu den Pflanzengummis. Pflanzengummis kommen in vielen Obst-, Gemüse- und Getreidesorten vor. Bei sensibilisierten Menschen besitzt auch Gummi arabicum ein allergenes Potenzial. In der Literatur werden bei beruflich exponierten Personen vor allem Atemwegssymptome beim Inhalieren beschrieben. Da Akazien botanisch zu den Leguminosen (Fabaceae) gehören, sind auch Kreuzreaktionen mit anderen Leguminosen wie Soja und anderen Hülsenfrüchten möglich (14–16).
Xanthan (E415) Xanthan ist ein hochpolymeres Molekül, das aus 10 000 bis 250 000 Zuckerbau-
steinen mit einer Glukosehauptgruppe und D-Mannose- sowie D-Glukose-Trisaccharidseitenketten besteht. Der Stoff wird biotechnologisch in grossem Stil durch das Bakterium Xanthomonas campestris hergestellt. Die aussergewöhnliche Molekülstruktur führt dazu, dass sich selbst grössere Partikel, Fetttröpfchen und Luftbläschen in Suspensionen nicht abtrennen (8). Es wird unter anderem in Fettemulsionen, wie Suppen, Speiseeis, Dressings und Milchprodukten, eingesetzt und besitzt sowohl gute emulgierende als auch thermische Eigenschaften (2). In Brot und Backwaren bindet es Wasser und verzögert so das Altern der Produkte (5).
Pektin (E440) Pektine kommen weitverbreitet in der Pflanzenwelt vor. Sie bauen zusammen mit den Zellulosefasern die Zellwände von Pflanzen auf. Gewonnen werden Pektine vorwiegend aus Zitrusfruchtschalen (30% in der Frischsubstanz, i.Fr.) und Zuckerrübenschnitzeln (20% i.Fr.) durch Extraktion mit heissem Wasser und anschliessender alkoholischer Fällung. Die jährliche weltweite Produktion beträgt etwa 10 000 Tonnen. Die linearen Polysaccharide bestehen grösstenteils aus Galakturonsäureeinheiten, deren Carboxylgruppen mehr oder weniger stark mit Methylgruppen verestert sind (2). Der Veresterungsgrad entscheidet über die gelbildenden Eigenschaften. Hoch veresterte Pektine (50–75%) können nur bei einem pH-Wert < 3,5 und einer Zuckerkonzentration von > 55 Prozent gelieren. Niedrig veresterte Pektine (7–50%) bilden Gels nur in Anwesenheit von Kalzium- oder anderen polyvalenten Ionen (3). Das Gelieren geschieht bei hoch veresterten Pektinen rascher als bei niedrig veresterten. In der Industrie wird meist amidiertes Pektin verwendet, das durch Behandlung von hoch verestertem Pektin mit Ammoniak entsteht. Haupteinsatzgebiete für Pektine sind Konfitüren, Gelees, Süsswaren, Fruchtfüllungen für Backwaren, Tortenguss, Fruchtsäfte und -konzentrate sowie Sauermilchprodukte, die durch die Anwesenheit von Kalziumionen stabilisiert
werden (2). Pektin übt vielfältige physiologische Funktionen aus. Als wasserlöslicher Faserstoff verbessert es das Sättigungsgefühl und die Stuhlkonsistenz und trägt durch den bakteriellen Abbau zu kurzkettigen Fettsäuren zu einem günstigen Darmmilieu bei (5).
Zellulose (E460) Die Zellulose ist bekannt als Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände. Aufgrund des hohen Polymerisationsgrades mit 1000 bis 14 000 Glukosebausteinen in β-1-4-glycosidischer Bindung ist sie durch menschliche Enzyme nicht spaltbar und gilt deshalb als Faserstoff. Zellulose liegt meist als wasserunlösliches Faserbündel vor, hat ein geringes Quellvermögen und ist deshalb lebensmitteltechnologisch nur sehr begrenzt einsetzbar. Primär dient sie als Trennmittel (z.B. in geriebenem Käse oder Schnittkäse). Durch Alkylierung der Hydroxylgruppen mit Methyl- beziehungsweise Hydroxypropylgruppen entsteht eine Reihe von Zellulosederivaten. Diese haben in Abhängigkeit des Substituenten und Substitutionsgrades sehr unterschiedliche physikochemische Eigenschaften (6).
Methylcellulose (E461), Ethylcellulose (E462), Hydroxypropylcellulose (E463), Hydroxypropylmethylcellulose (464), Methylethylcellulose (E465) Durch Methylierung der Zellulose wird Methylzellulose gewonnen. Im Gegensatz zur Zellulose ist diese in kaltem Wasser löslich, bildet beim Erhitzen ein reversibles Gel und fällt durch längeres Kochen in Form von Methylzelluloseklumpen aus. Hochgradig methylierte Methylzellulose ist sogar in organischen Lösungsmitteln löslich. In grösseren Mengen (> 5 g) wirkt sie aufgrund ihrer wasserbindenden Eigenschaft abführend. Analog entstehen durch Einführen anderer Alkyle die oben genannten weiteren Zellulosederivate (2). Bemerkenswert ist, dass alle im Schweizer Lebensmittelrecht gemäss Guter Herstellungspraxis (GHP) zwar zugelassen sind, die Zusatzstoffverordnung jedoch keine konkreten Anwendungen in Lebensmitteln auflistet (1).
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Modifizierte Stärken Native Stärke kommt als Energie lieferndes Speichersubstrat weitverbreitet in Pflanzen vor. Sie ist ein natürliches Verdickungs-, Binde- und Geliermittel und als Lebensmittel nicht zulassungspflichtig. Durch Erhitzen von feuchter, gequollener Stärke und anschliessender rascher Trocknung zur Vermeidung der Regradation entsteht Quellstärke, die zum Beispiel in Puddingpulver nach Aufkochen in Milch die typische gelartige Konsistenz eines Puddings hervorruft (3). Um andere physikalische Eigenschaften zu erzielen, kann Stärke chemisch oder enzymatisch behandelt werden. Dadurch entsteht eine Reihe sogenannter modifizierter Stärken. Eine Übersicht dieser Stärken zeigt die Tabelle. Durch Reaktion mit anorganischen Säuren (Phosphorsäure, Adipinsäure, Octenylbernsteinsäure) entstehen veresterte Stärken mit unterschiedlichen Eigenschaften (E1410, E1412, E1413, E1450). Ausserdem kann Stärke mithilfe aktivierter Essigsäure zunächst azetyliert (E1420) und anschliessend mit Phosphorsäure (E1414) oder Adipinsäure (E1422) verestert werden. Gegenüber der nativen Stärke können einige der modifizierten Stärken thermostabiler sein und so in Saucen von Tiefkühlfertiggerichten eingesetzt werden (E1412–E1414). Andere bilden stabilere Gels beispielsweise in Käse oder Desserts (E1414, E1422) oder stabile Filme als Überzugsmittel von Süsswaren (E1451) (2).
Emulgatoren
Emulgatoren sind Stoffe, die in ihrer Molekülstruktur sowohl lipophile als auch hydrophile Anteile aufweisen. Sie dienen als Lösungsvermittler zwischen Öl- und Wasserphasen. Damit sind sie in der Lage, diese zwei nicht stabil miteinander mischbaren Flüssigkeiten zu stabilisieren. Emulsionen bestehen immer aus einer dispergierten (= eingehüllten) Phase und einem Dispersionsmittel (der umhüllenden Phase) sowie dem Emulgator. Je nachdem, wie hoch die Anteile an hydrophiler respektive lipophiler Phase sind, spricht man von einer Wasser-in-ÖlEmulsion (z.B. Margarine) oder einer Ölin-Wasser-Emulsion (z.B. Mayonnaise).
Die Molekülstruktur von Emulgatoren besteht meist aus einer langgestreckten apolaren Kohlenwasserstoffkette (lipophil) und einem polaren Carboxylsäurenende (hydrophil). Beim Prozess des Emulgierens lagert sich der Emulgator in die Grenzschicht zwischen den beiden unlöslichen Phasen ein und dient als Lösungsvermittler (3).
Lecithine (E322) Die am häufigsten verwendeten und schon bei den alten Griechen bekannten Emulgatoren sind die Lecithine. Chemisch handelt es sich bei den Lecithinen um Phospholipide, bestehend aus Fettsäurediestern von Glycerol, Phosphorsäure und Cholin. Lecithine werden aus Eigelb (altgr. lekithos = Eidotter) gewonnen, heute jedoch fast ausschliesslich aus Soja (5). Sie kommen in einer Vielzahl von Produkten zum Einsatz, unter anderem in Margarinen, Halbfettprodukten, Schokolade, Kuchen, Teigwaren und Instantpulver für Milchmischgetränke. Obwohl das Sojalecithin selbst nicht allergen ist, kann es durch Rückstände von Sojaprotein potenziell zu allergischen Reaktionen kommen. Deshalb ist Sojalecithin deklarationspflichtig (9), und diagnostizierte Sojaallergiker sollten den Emulgator meiden (17).
Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren (E471) Speisefette sind chemisch gesehen Triacylglyceride, das heisst Ester aus dem
Tabelle: Die in der Schweiz zugelassenen modifizierten Stärken (1)
E1410 E1412 E1413 E1414 E1420 E1422 E1440 E1442 E1450 E1451 E1452
Monostärkephosphat Distärkephosphat Phosphatiertes Distärkephosphat Azetyliertes Distärkephosphat Azetylierte Stärke Azetyliertes Distärkeadipat Hydroxypropylstärke Hydroxypropyldistärkephosphat Stärkenatriumoctenylsuccinat Azetylierte oxidierte Stärke Stärkealuminiumoctenylsuccinat
dreiwertigen Alkohol Glycerol und drei Fettsäuren. Bei den Monoglyceriden und Diglyceriden bleiben eine beziehungsweise zwei Hydroxylgruppen des Glycerols unverestert. Dadurch haben diese Verbindungen ein hydrophiles und ein lipophiles Ende und können, wie oben beschrieben, Wasser-Öl-Gemische emulgieren (5). Verwendet werden diese Zusatzstoffe zum Beispiel in Speisefetten und -ölen, Rahm, Brot, Backwaren, Teigwaren und fetthaltigen Brotaufstrichen (1). In Konfitüren verhindern sie durch ihre Oberflächenaktiviät die Schaumbildung bei der Herstellung (7).
Säureveresterte Mono- und Diglyceride (E472a–f) Durch Veresterung von Mono- beziehungsweise Diglyceriden mit essbaren Säuren, wie Essigsäure (E472a), Milchsäure (E472b), Zitronensäure (E472c) oder Weinsäure (E472d), entstehen Verbindungen, die hydrophiler sind als die Monooder Diglyceride. Dadurch können sie, angepasst an den prozentualen Wasser- beziehungsweise Ölanteil einer Emulsion, eingesetzt werden (5). Weitere Zusatzstoffe dieser Art sind die Mono- und Diacetylweinsäureester (E472d) sowie die gemischten Essig- und Weinsäureester von Mono- und Diglyceriden von Speisefettsäuren (E472e). Ihr Einsatzbereich liegt unter anderem bei Brot, Back- und Dauerbackwaren, Schokolade und Schokoladenerzeugnissen und mit Mengenbegrenzung in Säuglingsanfangs- und -folgenahrungen (1).
Zuckerester von Speisefettsäuren (E473) und Zuckerglyceride (E474) Zucker sind chemisch gesehen Mehrfachalkohole und lassen sich deshalb ebenso wie Glycerol mit Fettsäuren verestern. Zur Herstellung solcher Zuckerester dient meist Saccharose, aus der primär Monofettsäureester, aber auch ein kleiner Anteil an Di- und Trifettsäureestern entstehen (5). Zuckerglyceride entstehen durch Umesterung von Speisefetten mit Zucker. Dabei treten an die Stelle von einer oder mehreren Fettsäuren Saccharosemoleküle. Zuckerester und Zuckerglyceride werden sehr vielfältig mengenbegrenzt ein-
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gesetzt. Sie wirken stark emulgierend und beeinflussen die Kleister- und Rieseleigenschaften von Mehl und die Fliessfähigkeit von Schokolade (7).
Sorbitanfettsäureester (E491–E495) und Polyoxyethylensorbitanfettsäureester (E432–E436) Diese technologisch interessanten Zusatzstoffe entstehen durch eine komplexe Reaktion von verschiedenen Speisefettsäuren mit Sorbitol, einem Zuckeralkohol. Das Sorbitol wird dabei in Gegenwart von Säuren erhitzt und bildet zunächst unter Wasserausschluss einen 5er- oder 6-erRing (= Sorbitanhydrid oder Sorbitan), um anschliessend mit einer entsprechenden Fettsäure zu verestern (2). Als Fettsäuren kommen Stearinsäure (E491, E492), Laurinsäure (E493), Oleinsäure (E494) oder Palmitinsäure (E495) zum Einsatz. Bei den Polysorbitanfettsäureestern (E432– E436) findet eine Copolymerisation von Sorbitol mit Fettsäuren und anschliessender Reaktion mit Ethylenoxid statt. Pro Molekül Sorbitanfettsäureester der genannten Fettsäuren lagern sich 20 Moleküle Ethylenoxid an (2). Sowohl die Sorbitanfettsäureester als auch die Polysorbitanfettsäureester wirken stark emulgierend und stabilisieren die Kristallstruktur von Fetten und mit Luft aufgeschlagene Lebensmittel wie luftige Desserts oder Eiscreme (5). Dabei sind sie hitzestabil und können deshalb auch in cremigen Fertigsaucen und -suppen zum Einsatz kommen. Weiter werden sie zum Emulgieren von Aromastoffen und gegen
das Spritzen von erhitzter Margarine verwendet (2). Dabei dürfen sie nur mengenbegrenzt zugesetzt werden (1).
Fazit
Stabilisatoren sind Zusatzstoffe, die aufgrund der durch sie erreichten strukturellen Variabilität von Endprodukten in der Lebensmittelindustrie schwer wegzudenken sind. Viele von ihnen sind Natursubstanzen, was nicht heisst, dass empfindliche Personen ihnen gegenüber nicht allergische oder allergieähnliche Symptome entwickeln können. Aufgrund der Deklarationspflicht in der Zutatenliste, einer Mengenbegrenzung für viele naturidentische oder synthetische Verbindungen sowie regelmässiger Evaluationen durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kann das Gesundheitsrisiko für die Allgemeinbevölkerung jedoch als minimal bezeichnet werden.
Korrespondenzadresse: Steffen Theobald, Dipl. oec. troph. Berner Fachhochschule für Gesundheit Studiengang Ernährung und Diätetik Murtenstr. 19, 3008 Bern E-Mail: steffen.theobald@bfh.ch
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