Transkript
SCHWERPUNKT
HPV-assoziierte Genitalerkrankungen
Diagnostik und Therapie von VIN und Kondylomen
Bei HPV-assoziierten dysplastischen Veränderungen sollte zwischen differenzierter und klassischer vulvärer intraepithelialer Neoplasie (VIN) unterschieden werden, da sich die beiden Entitäten bezüglich Ätiologie, Pathogenese und Entartungspotenzial unterscheiden. Neben der zwar komplikationsarmen Exzision oder Ablation gewinnen alternative Therapiestrategien zur Behandlung der VIN und Kondylome zunehmend an Bedeutung.
GIAN-PIERO GHISU, ASTRID BAEGE, DANIEL FINK
Vulväre intraepitheliale Neoplasie (VIN)
Allgemeines Die VIN-Inzidenz nimmt besonders bei den 40- bis 49-jährigen Frauen weltweit zu. Die optimale Therapie wird individuell festgelegt und soll in erster Linie die Entstehung eines invasiven Karzinoms verhindern, Beschwerden lindern und nicht zuletzt Anatomie und Funktion des Genitales erhalten. Neben der Sicherheit, mit der eine invasive Erkrankung ausgeschlossen wurde, hängt die Wahl der Therapie von Lokalisation und Ausdehnung der Läsion (Multifokalität), vorgängigen frustranen Therapieversuchen, Symptomen, Allgemeinzustand und Operationsrisiko sowie dem Wunsch nach Erhalt der Sexualfunktion ab. Multifokalität und HPV-Nachweis gelten als signifikante Risikofaktoren für ein Rezidiv; aber auch Nikotinabusus, HIV-Infektionen und Immunsuppression dürften das Rezidivrisiko erhöhen. Unabhängig vom chirurgischen Vorgehen betragen die 3-JahresRezidivraten bei VIN-III nach Vulvektomie 19%, nach lokaler Exzision 22% und nach Laserchirurgie 23% (1). Die klassische und die differenzierte VIN bilden zwei verschiedene Entitäten, die sich bezüglich Ätiologie, Pathogenese und Entartungspotenzial unterscheiden. Dies sollte bei der Therapiewahl berücksichtigt werden (Abbildung 1) (2). Die Raten okkulter Karzinome bei histologisch gesicherter VIN-III liegen zwischen 3 und 22% (!) (1, 3), weshalb hier die lokale Exzision bevorzugt wird. Bei der (klassischen) VIN kommen in ausgewählten Fällen medikamentöse Therapien im off-label-use zum Einsatz. Im Idealfall werden dadurch auch nicht klinisch fassbare Läsionen therapiert und eine HPV-Clearance erreicht. Die operative Behandlung bei Multifokalität oder bei Ein-
bezug besonders empfindlicher Areale – zum Beispiel der Klitoris – muss gelegentlich in mehreren Etappen erfolgen. Dies kann Sensibilitätsstörungen und/oder Mutilationen zur Folge haben. In diesen Situationen gewinnen konservative Therapieoptionen an Bedeutung.
Diagnostik Das Kolposkop zur Vulvauntersuchung (Vulvoskopie) dient als fokussierende Lichtquelle, ermöglicht eine adäquate Vergrösserung und somit die optimale Beurteilung potenzieller Läsionen. Nicht eindeutig als benigne einstufbare Veränderungen sollten vor einer Therapieeinleitung stets biopsiert werden (4). Die Anwendung von verdünnter Essiglösung (3–5%) kann die ätiologische Zuordnung einer Läsion erleichtern. Essigpositive Reaktionen im Vulvabereich (speziell vestibulär gelegene) gelten allerdings als unspezifisch und können zu Fehlinterpretationen verleiten. Die vorwiegend keratinisierten Vulvaareale erfordern sowohl grössere Mengen an Essiglösung als auch eine verlängerte Wirkungsdauer zur Erzielung des Maximaleffektes. Die Anwendung einer essiggetränkten Gaze während fünf Minuten vor der kolposkopischen Beurteilung kann hilfreich sein (5). Bei Fissuren, Ulzerationen oder denudiertem Epithel sind solche Prozeduren mit viel Unbehagen für die Patientin verbunden und daher möglichst zu unterlassen. Die Lugolsche Lösung findet bei keratinisiertem Epithel keine Anwendung. Bei erhabenen oder verrukösen Veränderungen dienen Biopsiezangen zur Gewebeprobengewinnung, während makulöse Läsionen spindelförmig exzidiert oder – falls klein – mittels Punch-Biopsie entfernt respektive biopsiert werden. Ulzeröse und vesikuläre Veränderungen sowie
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Atrophien oder Narben sollten am Rand mit einem Anteil des angrenzenden, gesund erscheinenden Epithels biopsiert werden: Zentral entnommene Biopsien zeigen hier nicht selten nur Nekrose, Granulationsgewebe, Fibrin oder eine unspezifische Entzündung. Papuläre Läsionen, speziell wenn pigmentiert, sollten im auffälligsten Bereich biopsiert werden. Einige Minuten vor jeder Hautbiopsie erfolgt eine Lokalanästhesie mit beispielsweise 1 bis 2 ml 1- bis 2%iger Lidocainlösung (ev. mit Adrenalin als Vasokonstriktor 1:200 000 versetzt). Der Zusatz von Natriumbikarbonat (1 ml auf 9 ml Lidocain mit Adrenalin) vermindert den Injektionsschmerz. Besonders empfindliche Areale können vor der Injektion mit einem zusätzlichen topischen Anästhetikum vorbehandelt werden. Klitorisbiopsien sollten ohne Adrenalin unter Verwendung eines möglichst kleinen Punchs (2 mm) erfolgen. Zur Blutstillung bewähren sich Silbernitrat oder eine Einzelknopfnaht mit selbstresorbierbarem Nahtmaterial.
Chirurgische Therapie Eine hochgradige, differenzierte VIN sollte bevorzugt exzidiert werden. Um das Rezidivrisiko weitestgehend zu reduzieren, ist die Entfernung im Gesunden anzustreben. Empfehlungen zum idealen Sicherheitsabstand sind derzeit nicht ausreichend evidenzbasiert. Verschiedene Leitlinien empfehlen analog zum Vulvakarzinom einen Sicherheitsabstand von 1 cm, wobei ein befundadaptiertes Vorgehen erfolgen sollte. Zu berücksichtigen ist dabei die fixationsbedingte Schrumpfung des Gewebes (bis zu 15%). Bezüglich Exzisionstiefe ist in der Regel die Entfernung der betroffenen Epidermis ausreichend. Hautanhangsgebilde wie Haare befinden sich unterhalb der Epidermis, weshalb die Exzisionstiefe entsprechend angepasst werden muss. Die Mitentfernung von wenig Dermis erlaubt es zudem, ein allfälliges okkultes Karzinom aufzudecken. Ausgedehnte, multifokale, konfluierende Läsionen können chirurgisch oft nur durch eine Skinning-Vulvektomie behandelt werden und erfordern zum Wundverschluss gelegentlich ein Hauttransplantat.
Lasertherapie Die Lasertherapie hat sich in den letzten 20 Jahren etabliert und gilt in der Mehrheit der medizinischen Einrichtungen als Methode der Wahl zur Behandlung der VIN. Vor allem bei multifokalen und ausgedehnten Läsionen erbringt diese Therapiemethode wesentliche Vorteile. In vier Fünftel der Fälle ist eine einmalige Behandlung ausreichend. Da keine histologische Beurteilung möglich ist, muss eine Invasion durch eine akkurate Kolposkopie und gegebenenfalls mehrere Biopsien vorgängig ausgeschlossen werden. Unter kolposkopischer Kontrolle ist im nicht
Di erenziert
Klassisch
Ältere Frau
Jüngere Frau
Normales Epithel
Lichen sclerosus
Di erenzierte VIN
p14, p53, ?
(Verhornendes) Plattenepithelkarzinom
● Unifokal ● Hochgradiges Potenzial zur malignen Entartung ● Lokale Exzision = Therapie der Wahl ● Gilt als Vorstufe des HPV-negativen Plattenepithel-
karzinoms
Normales Epithel
HPV
Klassische VIN
p16, (p14)
Nicht verhornendes Plattenepithelkarzinom
● Häu gste Form: ca. 90–98% ● HPV High-risk-Positivität in bis 90% ● Meist junge Frauen ● In bis zu 50% multifokal oder multizentrisch ● Mit nichtverhornendem Plattenepithelkarzinom
assoziiert
Abbildung 1: Einteilung der Vulvären intraepithelialen Neoplasie (VIN) (adaptiert nach [2])
Epidermis Dermis
Subcutis
0,5–1,5 mm
0,03–0,2 mm
Evaporisatio: Läsion Reid-Stadium
Epidermis I
Kondylome
Technik
Rasche Laserbewegungen 2 mm Spot 10–30 Watt
Str. papillare II
Unbehaarte Stellen, intravaginal
Variabel 1–2 mm Spot 10–30 Watt
Str. reticulare Behaarte III Stellen
Variabel
Subcutis (IV)
Variabel
0,5–3,0 mm
Faszien, Sehnen, Knochen
Abbildung 2: Lasertherapie bei VIN (Reid-Stadien) (adaptiert nach [6])
behaarten Bereich eine Ablationstiefe von 1 mm, in behaarten Regionen von 3 mm anzustreben (Abbildung 2) (6). Letztere Empfehlung wird durch die Tatsache begründet, dass Haarwurzeln in 2,5 mm Tiefe liegen und sich hier ebenfalls dysplastisch veränderte Zellen befinden können (siehe Abschnitt Chirurgische Therapie). Laseranwendungen mit Zerstörung der Hautanhangsgebilde heilen vernarbend, wodurch das kosmetische Ergebnis häufig für die Patientin weniger zufriedenstellend ausfällt.
Medikamentöse Therapie Imiquimod Die Wirksamkeit des Immunmodulators Imiquimod zur Behandlung der VIN wurde in randomisierten Studien untersucht und bestätigt. Unterschiedliche Einschlusskriterien – etwa bezüglich VIN-Grads, Fokalität sowie Applikationsart/-dauer und Follow-ups – erschweren jedoch den Studienvergleich. Der Wirkstoff bewährt sich sowohl als Alternative zur Operation als auch im neoadjuvanten Einsatz (zur Verkleinerung einer ausgedehnten Läsion vor chirurgischer Intervention). Die Rate kompletter Remissionen wird mit 35 bis 81%, jene partieller Remissionen mit 10 bis 46% angegeben, auch wenn aufgrund des fast aus-
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schliesslichen Vergleichs mit Plazebo und der stets kurzen Follow-up-Dauer diese Zahlen mit Vorbehalt zu beurteilen sind. In einer prospektiven Studie, welche eine Therapie von Imiquimod versus Exzision bei VIN-II und -III evaluierte, war die Rezidivrate im operierten Kollektiv höher. Allerdings zeigte die Summe der Patientinnen mit partiellem Ansprechen und solcher mit Rezidiven einen signifikanten Unterschied zugunsten der chirurgisch behandelten Gruppe. Die Rate kompletter Remissionen war in der operierten Gruppe ebenfalls höher (7). Im ausgewählten Fall (z.B. nicht hochgradige, multifokale VIN) stellt Imiquimod im off-label-use eine effektive und sichere Behandlungsoption dar. Die korrekte Applikation ist dabei essenziell; die Creme sollte vorzugsweise dreimal wöchentlich während 16 Wochen aufgetragen und 6 bis 10 Stunden nach Applikation abgewaschen werden. Die regelmässige Anwendung von Pflegeprodukten reduziert die häufigen lokalen Nebenwirkungen. Bis zu zwei Drittel der Anwenderinnen entwickeln milde bis mässig ausgeprägte Erytheme oder Erosionen, weshalb die Applikationsfrequenz nicht selten angepasst werden muss. Eine sukzessive Dosissteigerung von einmal wöchentlich auf dreimal wöchentlich kann die Verträglichkeit verbessern, allerdings zeigte sich, dass etwa ein Drittel der Patientinnen die dreiwöchentliche Anwendung nicht toleriert. Die vorgängige Aufklärung über die möglichen Nebenwirkungen verbessert die Compliance.
Andere konservative Therapien Der Einsatz von 5-Fluoruracil, Cidofovir oder die fotodynamische Therapie, bei der ein Fotosensibilisator und Licht zum Einsatz kommen, wurden zur Behandlung der VIN ebenfalls untersucht. Kleine Fallzahlen und ein kurzes Follow-up sowie hohe Kosten der fotodynamischen Therapie haben zur Folge, dass diese Therapieoptionen in der Primärbehandlung der VIN bisher kaum Einsatz finden.
Condylomata acuminata
Allgemeines Die Prävalenz der Kondylome wird in der sexuell aktiven Bevölkerung auf 1 bis 2% geschätzt. Mehr als 90% der Läsionen werden durch Infektionen mit Lowrisk-HPV-6 und -11 verursacht, knapp ein Drittel der Läsionen davon heilt spontan ab. Häufig liegen Koinfektion mit High-risk-HPV-Subtypen vor. Bei einem Viertel der Patientinnen mit Vulvakondylomen findet sich eine vaginale oder zervikale Infektion und bei der Hälfte dieser Frauen wiederum eine zervikale intraepitheliale Neoplasie (CIN) oder eine vaginale intraepitheliale Neoplasie (VAIN). Eine Kolposkopie bei vulvärer Lokalisation, eine Urethroskopie bei periurethraler und eine Anoskopie bei perianaler Lokalisation sollten daher grosszügig indiziert werden.
Neben der individuellen Erfahrung mit einer bestimmten Therapiemodalität und der Berücksichtigung der Compliance hängt die Wahl der geeigneten Behandlung von Grösse, Ausdehnung, Patientinnenwunsch und Praktikabilität der Therapie ab (Abbildung 3) (8). In unkomplizierten Fällen gilt die konservative Selbsttherapie bei Kondylomen als Methode der Wahl. Die hohe Rezidivneigung bei Immunsupprimierten oder die Beschränkung auf physikalische Methoden bei Schwangeren beeinflussen die Therapiewahl ebenfalls. Podophyllotoxin, Imiquimod und seit 2012 Grünteepolyphenole sind für die Selbsttherapie externer genitaler und perianaler Warzen zugelassen. Aufgrund der erhöhten Versagerrate bei Selbstapplikation sollte die Therapie zu Beginn unter ärztlicher Verlaufskontrolle erfolgen.
Lasertherapie Bei ausgedehntem und multifokalem Kondylombefall oder auch in der Schwangerschaft kommt die Lasertherapie häufig zum Einsatz. Auch vaginale oder zervikale Läsionen können damit behandelt werden. Da die Kondylome oberflächlich lokalisiert sind, ist eine Evaporisationstiefe von etwa 0,2 mm in der Regel ausreichend (Abbildung 2) (6). Die Behandlung sollte daher unter kolposkopischer Kontrolle erfolgen, um das Risiko der Narbenbildung (bis 28 %!) so gering wie möglich zu halten. Über das Risiko der Nabenbildung, Schmerzen, Hypopigmentierung und selten Vulvodynie sollte die Patientin aufgeklärt werden.
Selbsttherapie Podophyllotoxin Der Mitosehemmer eignet sich zur Therapie kleiner Warzen auf keratinisiertem Grund ≤ 10 cm2. Anwendungen in der Schwangerschaft, unter Okklusion (ausgeprägte Resorption), auf nicht verhornendem Epithel oder innerlich sollten vermieden werden. Die 0,5%ige Lösung oder das Liniment wird zweimal täglich direkt auf die Läsion während 3 aufeinander folgender Tage aufgetragen; nach 4 Tagen Pause kann die Prozedur wiederholt und im Idealfall bis zur kompletten Abheilung der Warzen fortgeführt werden (9). Je nach Ausprägung der Kondylome dauert dies bis zu 4 Wochen. Das Präparat wird im Allgemeinen gut toleriert, führt gelegentlich zu Irritationen und in seltenen Fällen zu Ulzerationen. Die Erfolgsrate liegt zwischen 45 und 80% (10–12), die Rezidivrate je nach Studie zwischen 0 und 90%.
Imiquimod Durch die lokale Immunstimulation wirkt Imiquimod auch in der Umgebung des unmittelbaren Applikationsortes. Dadurch werden subklinische Läsionen mitbehandelt; der Wirkstoff eignet sich daher auch
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Selbsttherapie
Ärztliche Therapie
Mehrere Sitzungen Ohne Anästhesie
Eine Sitzung Mit Anästhesie
Podophyllotoxin Imiquimod
Grüntee-Polyphenole
Kryotherapie Trichloressigsäure
Ablative Verfahren CO2-Laser
Abbildung 3: Kondylome: Therapiekonzept (adaptiert nach [8])
zur Therapie ausgedehnter Befunde. In der Schwangerschaft ist das Medikament nicht zugelassen. Im off-label-use kann es auch zur Therapie zervikaler, vaginaler, urethraler oder rektaler Kondylome eingesetzt werden. Die 5%ige Creme wird im Idealfall dreimal pro Woche appliziert und jeweils nach 8 Stunden abgewaschen (8); eine Behandlungsdauer von bis zu 16 Wochen ist zur vollständigen Eliminierung der Kondylome notwendig. Erytheme, Ulzerationen und Unbehagen am Applikationsort sowie in der Periläsionärregion gehören zu den häufigsten Nebenwirkungen. Die Erfolgsrate liegt bei 40 bis 80%. Die geringe Rezidivrate von 10 bis 20% wird durch den regionalen Effekt auf das Immunsystem erklärt.
Grüntee-Extrakte Die standardisierten Extrakte mit antiviraler und antioxidativer Wirkung weisen eine Erfolgsrate von 54% und eine Rezidivrate (Follow-up nach 12 Wochen!) von 7% (13) auf. Die Therapie wird gut toleriert; allerdings berichten bis zu 87% der Anwenderinnen über lokale Irritationen, neben – seltener – Erythemen, Pruritus, Brennen, Ulzerationen, Ödemen oder Verhärtungen. Die 15%ige Salbe wird dreimal täglich auf jede Warze aufgetragen. Die Prozedur wird bis zu 16 Wochen täglich wiederholt (8). Ein Abwaschen der Substanz ist nicht notwendig. Bei immunkompromittierten Patientinnen, bei Herpes-simplex-Infektion und bei Schwangeren wird das Präparat nicht empfohlen.
Ärztliche Therapie Podophyllin-Harze, 10–25% Auf dem Markt finden sich Harze verschiedener verwandter Pflanzen mit jeweils stark variierenden Podophyllinkonzentrationen. Aufgrund der möglichen ausgeprägten Resorption können die Präparate zu schwersten systemischen Nebenwirkungen mit zum Teil letalem Ausgang führen (14). Sie sollten daher nicht mehr verwendet, und das besser steuerbare Podophyllotoxin sollte vorgezogen werden.
Bi-/Trichloressigsäure, 70–90% Diese kostengünstige Substanz kann zur Behandlung einzelner Warzen auch bei Schwangeren eingesetzt werden. Eine vaginale, anale und ektozervikale (ausserhalb der Transformationszone) Anwendung ist möglich, wobei hier die Tiefenwirkung schwieriger abzuschätzen ist. Aufgrund der niedrigen Viskosität gelingt die gezielte Applikation am besten mit dem Ende eines Wattestäbchens. Eine unsachgemässe Verwendung kann zu ausgedehnten und tiefen Verätzungen führen. Die Substanz muss nicht abgewaschen werden und führt zu einer Exsikkation der Läsion mit konsekutiver Abschilferung. Während 5 bis 10 Minuten nach der Anwendung kann ein leichtes bis mittelschweres Brennen verspürt werden. Entsteht eine Erosion, können die Symptome allerdings auch mehrere Wochen persistieren. Kleine Warzen verschwinden oft nach einer Applikation, grössere oder stark keratinisierte erfordern meist mehrere Anwendungen, welche in der Regel alle 2 Wochen erfolgen sollten (8). Die Ansprechrate wird mit 50 bis 100% (10, 15), die Rezidivrate mit 5 bis 50% angegeben.
Kryotherapie
Die Vereisung der Warzen unter Verwendung von
flüssigem Stickstoff ist zur gezielten Behandlung ein-
zelner Läsionen geeignet. Bei korrekter Technik sind
die Nebenwirkungen vernachlässigbar; Ulzerationen,
Schmerzen und Depigmentierung sind allerdings
möglich. Oft reicht eine einmalige Anwendung aus.
Bei Bedarf kann die Prozedur alle 1 bis 2 Wochen bis
zum Verschwinden der Warzen wiederholt werden.
Die Erfolgsrate liegt bei 79 bis 88%, die Rezidivrate
bei 25 bis 39%. Eine Anwendung in der Schwanger-
schaft ist unbedenklich. Die Kryoglobulinämie gilt als
Kontraindikation.
I
Dr. med. Gian-Piero Ghisu (Korrespondenzadresse, Erstautor) Klinik für Gynäkologie UniversitätsSpital Zürich 8091 Zürich E-Mail: gian-piero.ghisu@usz.ch
KoautorInnen: Dr. med. Astrid Baege Klinik für Gynäkologie UniversitätsSpital Zürich
Prof. Dr. med. Daniel Fink Klinik für Gynäkologie UniversitätsSpital Zürich
Quellen: 1. van Seters M, van Beurden M, de Craen AJ.: Is the assumed natural history of vulvar intraepithelial neoplasia III based on enough evidence? A systematic review of 3322 published patients. Gynecol Oncol. 2005; 97(2): 645–51. 2. Horn LC.: Pathologie der Präkanzerosen und der Karzinome von Vulva und Vagina sowie morphologische Prognosefaktoren. Onkologe 2009; 5: 15–27. 3. Modesitt SC et al.: Vulvar intraepithelial neoplasia III: occult cancer and the impact of margin status on recurrence. Obstet Gynecol. 1998; 92(6): 962–66.
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4. Wilkinson EJ, Stone IK.: Atlas of Vulvar disease. Baltimore/MD: Williams and Wilkins 1995. 5. Mayeaux J, Thomas Cox J.: Modern Colposcopy, Textbook & Atlas. 3rd edition. 2012. 6. Reid R et al.: Superficial laser vulvectomy: II. The anatomic and biophysical principles permitting accurate control over the depth of thermal destruction with the CO2 laser. Am J Obstet Gynecol 1985; 152: 261. 7. Frega A et al.: Imiquimod 5% cream versus cold knife excision for treatment of VIN 2/3: a five-year follow-up. Eur Rev Med Pharmacol Sci. 2013; 17(7): 936–40. 8. Workowski KA, Berman S.: Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Sexually transmitted diseases treatment guidelines, 2010, MMWR Recomm Rep 2010; 59(RR-12): 1–110. 9. Gunter J.: Genital and perianal warts: new treatment opportunities for human papillomavirus infection. Am J Obstet Gynecol 2003; 189 (3suppl): S3–11. 10. Beutner KR et al.: Genital warts and their treatment. Clin Inf Dis 1999; 28: S37–56. 11. Greenberg MD et al.: A double-blind, randomized trial of 0.5% podofilox and placebo for the treatment of genital warts in women. Obstet Gynecol 1991; 77: 735–39. 12. Beutner KR et al.: Patient-applied podofilox for treatment of genital warts. Lancet 1989; 1: 831–34. 13. Tatti S et al.: Polyphenon E: a new treatment for external anogenital warts. Br J Dermatol. 2010; 162(1): 176–84. 14. Mayeaux EJ Jr, Dunton C.: Modern management of external genital warts. J Low Genit Tract Dis 2008; 12(3): 185–92. 15. Abdullah AN, Walzman M, Wade A.: Treatment of external genital warts comparing cryotherapy (liquid nitrogen) and trichloroacetic acid. Sex Transm Dis 1993; 30: 544–45.
Interessenkonflikte: keine.
Merkpunkte
I Die klassische HPV-abhängige VIN und die differenzierte, nicht HPV-abhängige VIN unterscheiden sich in Ätiopathogenese und malignem Potenzial.
I Die Rate okkulter Karzinome bei histologisch gesicherter VIN-III liegt zwischen 3 und 22%, weshalb eine möglichst korrekte Diagnosesicherung bei der Wahl einer ablativen oder medikamentösen Therapie zu berücksichtigen ist.
I Mögliche Therapien bei Kondylomen umfassen durch die Patientin selbst applizierte Substanzen, ärztlich zu erfolgende konservative Behandlungen und ablative Verfahren.
I Sowohl bei der VIN als auch bei den Kondylomen muss die ideale Therapiestrategie individuell festgelegt werden.
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