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2023 ASCO
2023 American Society of Clinical Oncology Annual Meeting, 2.–6. Juni 2023, Chicago & online
Lungenkarzinom
Überlebensverlängerung durch TKI beim NSCLC und mit Immuntherapie beim Pleuramesotheliom
Wichtige Botschaften zum Lungenkarzinom, die beim ASCO-Kongress in Chicago präsentiert wurden, sind die Überwindung der Blut-Hirn-Schranke durch EGFR- gerichtete Tyrosinkinaseinhibitoren der zweiten Generation, die Notwendigkeit einer verbesserten Patientenselektion für den Einsatz von Immuntherapien und die mögliche Überlebensverlängerung durch eine adjuvante EGFR-gerichtete Therapie.
NSCLC
Adjuvantes Osimertinib verlängert Gesamtüberleben Bei ungefähr einem Drittel der Patienten mit nicht kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) ist der Tumor bei Vorstellung resezierbar. Die adjuvante Therapie mit Osimertinib, einem EGFR-Tyrosinkinaseinhibitor (EGFRTKI), zeigte in der Phase-III-Studie ADAURA einen klinischen Nutzen gegenüber Plazebo. Beim Jahrestreffen der American Society of Clinical Oncology (ASCO) wurden die Ergebnisse zum Gesamtüberleben (OS) präsentiert (1). In der ADAURA-Studie erhielten 682 Patienten mit komplett reseziertem NSCLC im Stadium IB, II und IIIA, mit oder ohne adjuvante Chemotherapie, randomisiert täglich 80 mg Osimertinib oder Plazebo. Die Therapie war für 3 Jahre vorgesehen und wurde bis zum Krankheitsrückfall, der Therapiekomplettierung oder anderen Abbruch-Kriterien verabreicht. Die ADAURA-Studie erreichte ihren primären Endpunkt, eine Verlängerung des krankheitsfreien Überlebens (DFS) bei Patienten im Stadium II-IIIA. Für die gesamte Studienpopulation war der Vorteil durch Osimertinib im Vergleich zu Plazebo signifikant grösser (Hazard Ratio [HR]: 0,27; 95 %-Konfidenzintervall [KI]: 0,21– 0,34). Hirnmetastasen, die mit einer schlechten Prognose einhergehen, wurden unter Osimertinib länger unterdrückt als im Plazebo-Arm (HR: 0,24; 95 %-KI: 0,14–0,42). Unter der adjuvanten Osimertinib-Therapie wurde das Sterberisiko bei den
Patienten (IB-IIIA) um 51 % reduziert (HR: 0,49; 95 %-KI: 0,33–0,73; p = 0,0004). Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 61,7 Monaten (Osimertinib) bzw. 60,4 Monaten (Plazebo) war der Median in beiden Studienarmen noch nicht erreicht. Nach 36 Monaten lebten 94 % der Patienten im Osimertinib-Arm und 86 % der Patienten im Plazebo-Arm, nach 48 Monaten 91 versus 80 % und nach 60 Monaten 85 versus 73 %. Der Vorteil wurde bei allen untersuchten Subgruppen beobachtet, so z.B. unabhängig vom Krankheitsstadium oder einer adjuvanten Chemotherapie. Zum Zeitpunkt des Datenschnitts dieser finalen OS-Analyse hatten 22 % der Patienten im Osimertinib-Arm und 54 % im Plazebo-Arm eine nachfolgende Anti-Tumor-Therapie erhalten. Damit ist ADAURA die erste weltweite Phase-III-Studie, die einen statistisch signifikanten und klinisch relevanten OS-Nutzen für eine zielgerichtete Therapie in dieser Patientenpopulation zeigen konnte, resümierten die Autoren. Osimertinib sei der Therapiestandard für Patienten mit reseziertem EGFR-mutierten NSCLC in den Stadien IB-IIIA.
Patienten mit Hirnmetastasierung: Längeres PFS durch Zorifertinib Auch Zorifertinib, ein EGFR-TKI, der speziell entwickelt wurde, um die BlutHirn-Schranke zu überwinden, zeigt Aktivität bei Patienten mit Hirnmetastasierung. Mehr als die Hälfte der NSCLC-Patienten mit aktivierender EGFR-Mutation (EGFRm+) zeigen im
Verlauf der Erkrankung Metastasen im Gehirn. In der randomisierten, kon trollierten, offenen Phase-III-Studie EVEREST wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Zorifertinib gegenüber den Erstlinien EGFR-TKI Gefitinib oder Erlotinib bei Patienten mit fortgeschrittenem EGFR-mutierten NSCLC und nicht behandelter Hirnmetastasierung untersucht. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS)(2). In der asiatischen Studie erhielten 439 Patienten Zorifertinib oder die Kontrollmedikation. Das mediane Alter der Patienten lag bei 58 bzw. 59 Jahren, 64 % waren Frauen und 29 % (vormals) Raucher. 91 % der Patienten wurden in chinesischen Zentren rekrutiert, die restlichen Patienten in Südkorea, Taiwan und Singapur. Mit einem medianen PFS von 9,6 versus 6,9 Monaten und einer Hazard Ratio von 0,72 (95 %-KI: 0,58–0,89; p = 0,0024) erreichte die Studie ihren primären Endpunkt. Intrakranial wurde ein PFS von median 15,2 versus 8,3 Monaten beobachtet (HR: 0,47; 95 %-KI: 0,35– 0,62; p < 0,0001). Angesprochen hatten 68,6 % der Patienten im ZorifertinibArm versus 58,4 % im Kontrollarm. Die mediane Dauer des Ansprechens betrug 8,2 versus 6,8 Monate (HR: 0,80; 95 %-KI: 0,61–1,05; p = 0,0997). Intrakranial sprachen 75,0 versus 64,2 % der Patienten an, mit einer DOR von 12,4 versus 7,0 Monaten (HR: 0,52; 95 %-KI: 0,35–0,77; p = 0,0009). Kein Vorteil mit Pembrolizumab bei TKI-resistenten, EGFRm+, metastasierten Tumoren Durch die zusätzliche Gabe von Pembrolizumab zur Chemotherapie konnten PFS und OS bei Patienten mit TKIresistentem, EGFRm+, metastasiertem, nicht squamösem NSCLC in der PhaseIII-Studie KEYNOTE-789 nicht signifikant verlängert werden (3). Die randomisierte, plazebokontrollierte Studie 12 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3/2023 2023 ASCO 2023 American Society of Clinical Oncology Annual Meeting, 2.–6. Juni 2023, Chicago & online untersuchte die zusätzliche Gabe von Pembrolizumab zu Pemetrexed und Platin. Eingeschlossen wurden 492 Patienten mit nicht squamösem NSCLC und EGFR del19 oder L858R-Mutation. Zu den Einschlusskriterien gehörte ein Progress nach einem Erst- oder Zweitgenerations- EGFR Tyrosinkinaseinhibitor (EGFR TKI) ohne T790M-Mutation oder mit T790M-Mutation und Osimertinib-Versagen sowie Osimertinib-Versagen in der ersten Therapielinie unabhängig vom T790M-Mutationsstatus. Die beiden primären Studienendpunkte waren PFS und OS. Die Patienten beider Studienarme waren median 62 bzw. 64 Jahre alt und in 34 % der Fälle (ehemalige) Raucher. Bei 21 % lag ein PD-L1 TPS ≥ 50 % und bei 21 bzw. 19 % der Patienten hatten bei Studieneinschluss Hirnmetastasen. Mit einem p-Wert von 0,0122 wurde die präspezifizierte Signifikanzgrenze von 0,0117 für das PFS nicht erreicht. Im Median betrug das PFS 5,6 Monate im Pembrolizumab-Arm versus 5,5 Monate im Plazebo-Arm (HR:0,80; 95 %-KI: 0,65–0,97). Die PFS-Rate betrug 42,8 versus 34,6 % nach 6 Monaten, 14,0 versus 10,2 % nach 12 Monaten und 4,7 versus 3,5 % nach 24 Monaten. Auch beim zweiten primären Endpunkt wurde die Signifikanzgrenze nicht erreicht. Mit einer Hazard Ratio von 0,84 (95 %-KI: 0,69–1,03; p = 0,0362) war das OS in beiden Studienarmen nicht signifikant verschieden. Das mediane OS betrug 15,9 versus 14,7 Monate. Nach 12 Monaten lebten 61,6 versus 59,4 % der Patienten, nach 24 Monaten 30,6 versus 26,4 % und nach 36 Monaten 14,6 versus 11,4 %. Ein Ansprechen wurde bei 29,0 versus 27,1 % der Patienten gesehen; median dauerte dieses 6,3 versus 5,6 Monate. Es wurden keine neuen Sicherheitssignale beobachtet. Auf einen Blick ■ In der Studie ADAURA wurde zum ersten Mal ein statistisch signifikanter und klinisch relevanter Therapievorteil für resezierbare NSCLC-Patienten unter einer adjuvanten Behandlung mit einem EGFR-TKI (Osimertinib) gezeigt. ■ Patienten mit Hirnmetastasierung profitieren von dem speziell dafür entwickelten EGFR-TKI Zorifertinib. Das Risiko für einen Tumorprogress wurde um 28 % reduziert. ■ Die zusätzliche Gabe von Pembrolizumab zu einer Chemotherapie konnte das progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben von intensiv vorbehandelten, TKI-resistenten NSCLC- Patienten nicht signifikant verbessern. ■ Bei Patienten mit Pleuramesotheliom wurde durch Pembrolizumab zu einer Chemotherapie das Gesamtüberleben verlängert. Der Vorteil war grösser bei Patienten mit nicht epithelialer Histologie. Pleuramesotheliom Pembrolizumabverlängert OS und PFS In der Behandlung des Pleuramesothelioms könnte die zusätzliche Gabe von Pembrolizumab hingegen eine therapeutische Option werden (4). In der Phase-III-Studie IND227 erhielten 440 Patienten mit fortgeschrittenem Pleuramesotheliom randomisiert eine platinhaltige Chemotherapie mit Pemetrexed (CP) oder CP plus Pembrolizumab (CPP). Primärer Endpunkt war das OS. Die Patienten waren median 71 Jahre alt und in 56–60 % der Fälle Asbest ausgesetzt. 53–58 % waren Raucher. Die Zeit von der Diagnose bis zur Randomisierung betrug median 1,8 Monate. 59–61 % der Patienten waren PD-L1-positiv. 1–4 % hatten bereits eine (neo) adjuvante Chemotherapie erhalten. Das mediane OS betrug 17,3 Monate unter CPP versus 16,1 Monate unter CP (HR: 0,79; 95 %-KI: 0,64–0,98; p = 0,0324). Nach 2 Jahren lebten 39 versus 17 % der Patienten, nach 3 Jahren 25 versus 17 %. Bezüglich des PFS wurde ein Median von 7,13 versus 7,16 Monaten beobachtet (HR: 0,80; 95 %-KI: 0,65–0,99; p = 0,0372). Die PFS-Raten nach 1 und 2 Jahren lagen bei 26 versus 17 % bzw. 9 versus 4 %. Ein Ansprechen wurde bei 93 versus 85 % der Patienten gesehen, mit einer Dauer von median 5,8 versus 5,5 Monaten. In explorativen Analysen zeigte sich ein grösserer Vorteil durch die zusätz- liche Gabe von Pembrolizumab für Patienten mit nicht epithelialer Histo- logie (medianes OS: 12,3 vs. 8,2 Monate; HR: 0,57; 95 %-KI: 0,36–0,89) als bei epithelialer Histologie (media- nes OS: 19,8 vs. 18,2 Monate; HR: 0,89; 95 %-KI: 0,7–1,13). n Ine Schmale Referenzen: 1. Herbst RS et al.: Overall survival analysis from the ADAURA trial of adjuvant osimertinib in patients with resected EGFR mutated (EGFRm) stage IB–IIIA nonsmall cell lung cancer (NSCLC). ASCO 2023, Abstr. #LBA3. 2. Wu YL et al.: Randomized phase 3 study of first-line AZD3759 (zorifertinib) versus gefitinib or erlotinib in EGFR-mutant non-small cell lung cancer with central nervous system (CNS) metastasis. ASCO 2023, Abstr. #9001. 3. Yang JCH et al.: Pemetrexed and platinum with or without pembrolizumab for tyrosine kinase inhibitorresistant, EGFR-mutant, metastatic nonsquamous NSCLC: Phase 3 KEYNOTE-789 study. ASCO 2023, Abstr. #LBA9000. 4. Chu QS et al.: IND227 phase III study of cisplatin/ pemetrexed with or without pembrolizumab in patients with malignant pleural mesothelioma: A CCTG, NCIN, and IFCT trial. ASCO 2023, Abstr. #LBA8505. SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3/2023 13