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EHA2023
EHA2023 Hybrid Congress, 8.–11. Juni 2023, Frankfurt & virtuell
Multiples Myelom
CAR-T-Zelltherapie erreicht bei stark vorbehandelten Erkrankten bisher längstes progressionsfreies Überleben
Am diesjährigen Kongress der European Hematology Association wurden beim rezidivierten/refraktären Multiplen Myelom sehr gute Resultate zu Ciltacabtagene autoleucel bei stark vorbehandelten Erkrankten vorgestellt. Bei neudiagnostizierten Patienten ging es unter anderem darum, inwiefern sich die minimale Resterkrankung zur Therapiesteuerung eignet.
Wird Daratumumab in Kombination mit einem Proteasominhibitor (PI), einem IMiD oder beidem gegeben, verbessert sich bei Personen mit einem neu diagnostizierten multiplem Myelom (NDMM) die Tiefe und Dauer des Ansprechens, auch bei Erkrankten, die eine autologe Stammzelltransplantation (ASCT) erhalten (1). Bei Patienten unter der gleichen Therapie wiesen in Studien diejenigen ein besseres Outcome auf, die den Status einer negativen minimalen Resterkrankung (MRD) erreichten (2). Inwiefern sich der MRD-Status zur Modulation der Therapie beim NDMM eignen würde, ist jedoch bisher nicht klar. Hier sollte die MASTER-Studie weiterhelfen.
Finale Analyse der MASTER-Studie
In der MASTER-Studie erhielten 123 Personen mit einem NDMM eine Induktionstherapie mit 4 Zyklen Dara-KRd (Daratumumab, Carfilzomib, Lenalidomid, Dexamethason), eine ASCT und eine Konsolidierung mit Dara-KRd (3). Die MRD wurde mittels Next Generation Sequencing am Ende der Induktion, nach der ASCT und nach jeweils vier Zyklen der Konsolidierung (maximal zwei Blöcke à acht Zyklen möglich) untersucht. Primärer Endpunkt der Studie war die Rate an MRD-negativen (< 10-5) Erkrankten. Patienten mit zwei aufeinanderfolgenden negativen MRD-Bewertungen wurden in eine behandlungsfreie MRD-Überwachung aufgenommen. Erkrankte, die nach der Konsolidierung weiterhin MRD-positiv waren, erhielten dagegen eine Erhaltungstherapie mit Lenalidomid. Wie Dr. med. Luciano Costa, Birmingham (USA), bei der Präsentation der finalen Analyse
der Studie betonte, war die Studienpopulation bewusst mit Patienten mit zytogenetischen Hochrisiko-Anomalien (HRCA) angereichert (4). Ein Standardrisiko (0 HRCA) lag bei 53, ein hohes Risiko (1 HRCA) bei 46 und ein ultrahohes Risiko (2+ HRCA) bei 24 Teilnehmern vor. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 42,2 Monate hatten insgesamt 81 % der Patienten eine MRD-Negativität erreicht. Überraschenderweise war dieser Anteil in allen drei Risikogruppen etwa gleich hoch, wie Costa berichtete. Bei 84 Erkrankten (71 %) waren 2 aufeinanderfolgende MRD-Messungen negativ (MRD-SURE) und damit die Voraussetzungen für einen Therapiestopp erfüllt. Das progressionsfreie Überleben (PFS) lag für die Gesamtpopulation nach 3 Jahren bei 88 % (0 HRCA), 79 % (1 HRCA) und 50 % (2+ HRCA). Das Gesamtüberleben (OS) betrug nach 3 Jahren 94, 92 und 75 %. Patienten, die am Ende der Induktionstherapie oder nach der ASCT MRD-positiv waren, wiesen nach 3 Jahren praktisch das gleiche PFS auf wie MRD-negative. «Dies legt nahe, dass die negativen Auswirkungen einer MRDPositivität durch eine MRD-adaptierte Folgetherapie reduziert wird», erläuterte Costa. Das 3-Jahres-PFS für Erkrankte mit anhaltender MRD-Negativität (2 aufeinanderfolgende Messungen von < 10-5 im Abstand von mind. 1 Jahr) betrug 82 % im Vergleich zu 55 % bei den Betroffenen ohne anhaltende MRD-Negativität. Bei den 84 Studienteilnehmern mit MRD-SURE betrug das kumulative 2-Jahres-Risiko einer Progression 9 % (0 HRCA), 9 % (1 HRCA) und 47 % (2+ HRCA) (medianes Follow-up nach Therapiestopp:
32,7 Monate). Bei 23 Patienten musste die Behandlung wiederaufgenommen werden (16 Progress, 7 MRD-positiv ohne Progress), 61 blieben ohne Therapie anhaltend MRD-negativ. Dr. Costas fasste schliesslich zusammen: «Eine Dara-KRdInduktion, ASCT und MRD-modulierte Konsolidierung sowie die Beendigung der Behandlung mit MRD-Überwachung führte bei den meisten Erkrankten mit Standard- oder Hochrisiko-NDMM zu sehr guten Resultaten. Die Behandlung von neu Erkrankten mit ultrahohem Risiko bleibt jedoch weiterhin eine Herausforderung.»
Bisher längstes PFS
Munshi et al. stellten die finalen Resultate der Phase-Ib/II-Studie CARTITUDE-1 vor, in deren Rahmen 97 stark vorbehandelte rezidivierte/refraktäre MM-Erkrankte (im Median 6 Vortherapien) mit dem CAR-TZell-Produkt Ciltacabtagene autoleucel (Cilta-cel) behandelt wurden (5). Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 33,4 Monaten betrug das mediane PFS 34,9 Monate, mit einer geschätzten 36-Monats-PFS-Rate von 47,5 % (Tabelle). Damit wurde mit einer einzigen Cilta-celInfusion ein längeres PFS als mit irgendeiner anderen dokumentierten Therapie in dieser Patientengruppe erreicht. Das mediane OS wurde nicht erreicht, mit einer geschätzten Überlebensrate von 62,9 % nach 36 Monaten. Von 49 MRD-auswertbaren Patienten hatten 26 eine MRD-Negativität von ≥ 12 Monaten, davon wiesen 20 ein MRD-negatives komplettes Ansprechen (CR) oder besser auf. Das mediane PFS wurde in diesen Untergruppen nicht erreicht (Tabelle).
Cilta-cel beim Lenalidomid-refraktären Myelom
Am Kongress ebenfalls vorgestellt wurden die ersten Resultate der Phase-IIIStudie CARTITUDE-4 zu Cilta-cel (n =
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Auf einen Blick
thason [PVd] oder Daratumumab, Pomalidomid und Dexamethason [DPd], n = 211) bei Lenalidomid-refraktären Erkrankten mit einer bis drei Vortherapien (6). Nach einem medianen Follow-up von 16 Monaten ergab die Studie für Cilta-cel ein um 74 % reduziertes Risiko für Progression/Tod (Hazard Ratio [HR]: 0,26; 95 %-Konfidenzintervall [KI]: 0,18–0,38; p < 0,0001). Cilta-cel führte zudem zu einer
■ Eine Dara-KRd-Induktion, ASCT und MRD-modulierte Konsolidierung sowie die Beendigung der Behandlung mit MRD-Überwachung führte bei den meisten Erkrankten mit Standard- oder Hochrisiko-NDMM zu sehr guten Resultaten (4).
■ Bei stark vorbehandelten Erkrankten mit einem RRMM führte eine einzige Cilta-cel-Infusion zu einem längeren PFS als irgendeine andere dokumentierte Therapie in dieser Patientengruppe (5).
■ Die Resultate der Studie CARTITUDE-4 unterstreichen das Potenzial von Cilta-cel, zu einem neuen Therapiestandard bei Lenalidomid-refraktären Myelom-Patienten nach dem ersten Rezidiv zu werden (6).
■ Eine Analyse der KarMMa-3-Studie unterstützt den Einsatz von Ide-cel beim Triple-class-exponierten RRMM, unabhängig von allfällig vorliegenden Hochrisikosituationen (8).
signifikant besseren Gesamtansprech-
rate (ORR: 85 vs. 67 %), zu einer signifikant drei verfügbaren Substanzklassen (PI, gig von der Ursache des erhöhten Risi-
höheren Rate eines kompletten Anspre- IMiD und Anti-CD38-Antikörper). Sie kos. Gemäss Studienautoren unterstüt-
chens oder besser (73 vs. 22 %) sowie zu sind «Triple-Class Exposed» (TCE). In der zen diese Ergebnisse den Einsatz von
einer signifikant höheren Rate einer KarMMa-3-Studie führte Idecabtagene Ide-cel bei Personen mit TCE RRMM,
MRD-Negativität (61 vs. 16 %) (p jeweils < vicleucel (Ide-cel) im Vergleich zur Stan- einschliesslich Erkrankten mit einer
0,0001). Bei 97 % der Teilnehmenden dardtherapie (SOC) bei Personen mit schwer behandelbaren Hochrisiko-
unter Cilta-cel und 94 % unter Standard- einem TCE RRMM zu einem signifikant Krankheit.
n
therapie kam es zu einer Nebenwirkung besseren PFS und ORR (7). In der von
vom Grad 3/4, v. a. Infektionen (27 und Patel et al. präsentierten Analyse wurde
Therese Schwender
25 %) und Zytopenien (94 und 86 %). Unter Cilta-cel trat bei 76 % der Erkrankten zudem ein Cytokine-Release-Syndrom auf. Es starben 39 bzw. 46 Patienten (14 bzw. 30 aufgrund einer Progression). Die Studienautoren kamen zum Schluss, dass die Resultate das Potenzial von Cilta-cel unterstreichen, zu einem neuen Therapiestandard bei Lenalidomid-refraktären Myelom-Patienten nach dem ersten Rezidiv zu werden.
KarMMa-3-Resultate zu Hochrisikopatienten
Durch verbesserte Behandlungsschemata kommen rezidivierte/refraktäre Myelom-Erkrankte (RRMM) immer früher im Therapieverlauf in Kontakt mit allen
nun die Wirksamkeit (PFS, ORR und Rate eines kompletten Ansprechens [CRR]) von Ide-cel vs. SOC in verschiedenen Hochrisikogruppen bewertet, darunter Erkrankte mit zytogenetischen Anomalien, im R-ISS Stadium III, mit hoher Tumorlast, mit extramedulären Plasmozytomen sowie mit Triple-class refraktären Erkrankungen (refraktär gegenüber jeweils ≥ 1 IMiD/PI/Anti-CD38-Antikörper) (8). Die Analyse ergab, dass mit Ide-cel behandelte Patienten ein geringeres Risiko für Krankheitsprogression oder Tod und eine höhere Wahrscheinlichkeit für ein Gesamtansprechen (mit höheren CRR) aufwiesen im Vergleich zu Erkrankten mit SOC-Therapien, und zwar unabhän-
Tabelle
Resultate der finalen Analyse der CARTITUDE-1-Studie zu Ciltacabtagene autoleucel bei stark vorbehandelten rezidivierten/refraktären Myelom-Erkrankten (5)
Referenzen: 1. Moreau P et al.: Bortezomib, thalidomide, and dexa-
methasone with or without daratumumab before and after autologous stem-cell transplantation for newly diagnosed multiple myeloma (CASSIOPEIA): a randomised, open-label, phase 3 study. Lancet 2019;394:29-38. 2. Jasielec JK et al.: Carfilzomib, lenalidomide, and dexamethasone plus transplant in newly diagnosed multiple myeloma. Blood 2020;136:2513-2523. 3. Costa L et al.: Daratumumab, Carfilzomib, Lenalidomide, and Dexamethasone With Minimal Residual Disease Response-Adapted Therapy in Newly Diagnosed Multiple Myeloma. J Clin Oncol 2022;40:2901-2912. 4. Costa L et al.: Quadruplet induction therapy, ASCT and MRD-modulated consolidation and treatment cessation in newly diagnosed multiple myeloma: final analysis of the MASTER trial. EHA 2023, Abstract S203. 5. Munshi M et al.: CARTITUDE-1 final results: phase 1b/2 study of ciltacabtagene autoleucel in heavily pretreated patients with relapsed/refractory multiple myeloma. EHA 2023, S202. 6. Einsele H et al: First Phase III results from CARTITUDE-4: Cilta-cel versus standard of care (PVD or DPD) in lenalidomide-refractory multiple myeloma. EHA 2023, S100. 7. Rodriguez-Otero P et al.: Ide-cel or Standard Regimens in Relapsed and Refractory Multiple Myeloma. N Engl J Med 2023;388:1002-1014.
Subgruppen Alle Patienten ≥CR
n PFS, median (95% CI), mo 30-Monate-PFS-Rate 36-Monate-PFS-Rate
97 34,9 (25,2 – NE)
54,2 %
47,5 %
76 38,2 (34,9 – NE)
66,8 %
59,8 %
8. Patel K et al.: Idecabtagene vicleucel vs. standard regimens in patients with triple class exposed relapsed and refractory multiple myeloma: A KarMMa-3 analysis in high risk subgroups. EHA 2023, S195.
12 Monate anhaltende 26 NR (NE – NE) MRD-Negativitäta
74,9 %
NE
12 Monate anhaltende 20 NR (NE – NE) MRD-Negativität CRa
78,5 %
NE
a ≥ 2 MRD-negative Bewertungen im Abstand von 6 oder 12 Monaten, ohne MRD-positive Proben in diesem Intervall. CR: komplettes Ansprechen; MRD: minimale Resterkrankung (10-5); NE: nicht abschätzbar; NR: nicht erreicht; PFS: progressionsfreies Überleben.
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3/2023
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