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2023 ASCO
2023 American Society of Clinical Oncology Annual Meeting, 2.–6. Juni 2023, Chicago & online
Gastrointestinale Entitäten
Lebensqualität erhalten und Gesamtüberleben verlängern
Die Prognose für Patienten mit Leberzell-, Pankreas- und Rektumkarzinom ist nach wie vor schlecht. Studien zu frühen Behandlungen im (neo)adjuvanten Setting zeigen Möglichkeiten für eine Verlängerung des Überlebens bei erhaltener Lebensqualität auf. Eine intensivierte Erstlinientherapie wird beim Pankreas karzinom möglicherweise zum neuen Referenzregime.
Gute Lebensqualität unter Atezolizumab plus Bevacizumab beim Leberzellkarzinom
Derzeit gibt es keine adjuvante Standardbehandlung für Patienten mit Leberzellkarzinom (HCC) nach Resektion oder Ablation mit kurativer Absicht. Mit einer Rückfallrate von mehr als 60 % in 5 Jahren ist das postoperative Rezidivrisiko hoch. Die adjuvante Therapie mit Atezolizumab plus Bevacizumab kann das Rezidivrisiko reduzieren, wie mit den Ergebnissen der Phase-III-Studie IMbrave050 gezeigt wurde. Die Studie erreichte ihren primären Endpunkt, eine signifikante und klinisch relevante Verlängerung des rezidivfreien Überlebens (RFS) im Vergleich zur aktiven Beobachtung (Hazard Ratio [HR]: 0,72; 95 %-Konfidenzintervall [KI]: 0,56–0,93; p = 0,012). Das Sicherheitsprofil der Kombination von Atezolizumab plus Bevacizumab war in der Regel kontrollierbar und entsprach dem bekannten Nebenwirkungsprofil der beiden einzelnen Substanzen und den Symptomen der zugrundeliegenden Erkrankung. Beim ASCO wurde nun die Analyse der in Patientenfragebögen erfassten Lebensqualität präsentiert (1). In beide Studienarme wurden je 334 Patienten eingeschlossen, mit einem medianen Alter von 59–60 Jahren. Etwa 85 % der Studienpopulation waren männlich und 81–82 % asiatischer Herkunft. Ungefähr die Hälfte der Patienten wies einen positiven PDL1-Status auf (≥ 1 %). Bei 62–63 % wurde das HCC durch eine Hepatitis B verursacht. Der BCLC-Status A dominierte bei Diagnosestellung mit 83–86 %.
Die Lebensqualität wurde mit dem auf 15 Fragen reduzierten EORTC QLQC30-Fragebogen IL42 erhoben. In beiden Studienarmen komplettierten > 93 % der Patienten den IL42-EORTCC30 bis Zyklus 17. Die durchschnittlichen Werte für die verschiedenen Lebensqualitätsbereiche waren zu Therapiebeginn in beiden Armen ähnlich und hoch. Die durchschnittliche Änderung ab Therapiebeginn für die generelle gesundheitsbezogene Lebensqualität, die körperliche Kondition, Bewältigung des Alltags sowie emotionale und soziale Funktion war bis Zyklus 17 nicht erheblich und ähnlich in beiden Studienarmen. Gesundheitsbezogene Lebensqualität, körperliche Kondition, Bewältigung des Alltags sowie emotionale und soziale Funktion blieben bis Zyklus 17 erhalten, ohne klinisch relevante Verschlechterungen zu irgendeinem Zeitpunkt. Die Autoren schlussfolgerten, dass die Ergebnisse der Befragung Atezolizumab plus Bevacizumab als adjuvante Therapieoption für Patienten mit Hochrisiko-HCC stützen.
Verlängertes Gesamt überleben mit NALIRIFOX in der Erstlinie beim Pankreaskarzinom
Mit den Ergebnissen der NAPOLI 3-Studie für das Gesamtüberleben (OS) und das progressionsfreie Überleben (PFS) wurde bei Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom ein signifikanter und klinisch relevanter Vorteil durch eine Erstlinientherapie mit NALIRIFOX gegenüber Gemcitabin plus nab-Paclitaxel gezeigt. Diese Evidenz wurde nun beim ASCO vertieft (2).
In der NAPOLI 3-Studie erhielten insgesamt 770 Patienten mit bestätigtem Adenokarzinom des Pankreas, die bisher keine Behandlung für die metastasierte Erkrankung erhalten hatten, randomisiert das NALIRIFOX-Regime (liposomales Irinotecan, 5-FU/LV, Oxaliplatin) oder Gemcitabin plus nab-Paclitaxel. Als primärer Endpunkt wurde das OS untersucht. Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 16,1 Monaten hatten 85,1 % der Patienten im NALIRIFOXArm versus 96,1 % im Kontrollarm die Therapie abgebrochen, in beiden Studienarmen hauptsächlich aufgrund einer fortschreitenden Erkrankung. 14,1 % der Patienten hatten die Behandlung mit NALIRIFOX sowie 23,8 % mit Gemcitabin plus nab-Paclitaxel aufgrund von Nebenwirkungen abgebrochen. Im Median lebten die Patienten der ITTPopulation 11,1 versus 9,2 Monate (HR: 0,83; 95 %-KI: 0,70–0,99; p = 0,04). Nach 12 Monaten waren 45,6 versus 39,5 %, nach 18 Monaten 26,2 versus 19,3 % der Patienten noch am Leben. Ein Vorteil für das NALIRIFOX-Regime wurde für alle untersuchten Subgruppen bestätigt. Für das PFS wurde ein Median von 7,4 versus 5,6 Monate beobachtet (HR: 0,69; 95 %-KI: 0,58–0,83; p < 0,0001). Nach 12 Monaten lebten 27,4 versus 13,9 % und nach 18 Monaten 11,4 versus 3,6 % der Patienten ohne Progress. Auch für das PFS konnte der Vorteil in allen untersuchten Subgruppen beobachtet werden. Die Ansprechrate betrug 41,8 versus 36,2 %, mit einer Remissionsdauer von median 7,3 versus 5,0 Monaten. Unter einer medianen Dauer der Studienmedikation von 24,3 versus 17,6 Wochen wurde vergleichbar häufig über Nebenwirkungen Grad ≥ 3 (87,0 vs. 86,0 %), therapieassoziierte Nebenwirkungen Grad ≥ 3 (70,8 vs. 68,1 %) und klinisch relevante Nebenwirkungen (54,3 vs. 51,5 %) berichtet. Es wurden keine neuen Sicherheitssignale beob- 14 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3/2023 2023 ASCO 2023 American Society of Clinical Oncology Annual Meeting, 2.–6. Juni 2023, Chicago & online achtet. Damit sei NALIRIFOX ein neues Referenzregime für die Erstlinienbehandlung von Patienten mit metastasiertem Adenokarzinom des Pankreas, resümierten die Autoren. Neoadjuvantes FOLFOX beim lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinom Die meisten Patienten, die unter einem Rektumkarzinom mit mittlerem Risiko leiden, können eine kurativ intendierte Therapie ohne Chemoradiatio des Beckens erhalten, wie die PROSPECTStudie ergab (3). Damit könnte Patienten Langzeittoxizität erspart bleiben – eine der Motivationen für die Durchführung der im Jahr 2011 konzipierten Studie. In der PROSPECT-Studie erhielten insgesamt 1128 Patienten mit einem Rektumkarzinom der Stadien cT2N+, cT3N- oder cT3N+ randomisiert eine Becken-Chemoradiatio (5040cGy in 5,5 Wochen) oder 6 Zyklen FOLFOX mit der Möglichkeit der Chemoradiatio bei einem Ansprechen < 20 % oder Unverträglichkeit von FOLFOX. Nach der Resektion wurde eine adjuvante Chemotherapie mit FOLFOX oder CAPOX angeschlossen. Der primäre Studienendpunkt war die Nichtunterlegenheit bezüglich des krankheitsfreien Überlebens (DFS). Die Patienten waren median 57 Jahre alt und häufiger Männer (63 bzw. 68 %). Etwa die Hälfte der Tumoren war im Stadium cT3N+, 11 % bzw. 7 % im Stadium cT2N+. Nach einer medianen Auf einen Blick ■ Die Lebensqualität von Patienten mit Hochrisiko-Leberzellkarzinom bleibt unter adjuvantem Atezolizumab plus Bevacizumab während der ersten 17 Zyklen erhalten und ist bei aktiver Beobachtung vergleichbar. ■ NALIRIFOX ist ein neues Referenzregime für die Erstlinientherapie beim metastasierten Pankreas karzinom. In der NAPOLI 3-Studie wurde bei besserer Sicherheit eine höhere Effektivität als unter Gemcitabin plus n ab-Paclitaxel beobachtet. ■ Neoadjuvantes FOLFOX mit selektiver Chemoradiatio ist eine sichere und effektive Therapieoption für Patienten mit einem cT2N+, cT3N- oder cT3N+ Rektumkarzinom. Nachbeobachtungszeit von 58 Monaten zeigte sich zwischen den beiden Studienarmen kein Unterschied bezüglich des DFS. Mit der neoadjuvanten FOLFOX-Therapie lebten nach 5 Jahren 80,8 versus 78,6 % der Patienten mit Chemoradiatio krankheitsfrei (HR: 0,92; 95 %-KI: 0,74–1,14). Die Rate an Patienten ohne Lokalrezidiv lag nach 5 Jahren bei 98,2 versus 98,4 % (HR: 1,18; 95 %-KI 0,44-3,16), das OS bei 89,5 versus 90,2 % (HR: 1,04; 95 %-KI: 0,74–1,44). Ein pathologisch komplettes Ansprechen erreichten 22 versus 24 % der Patienten. 82 bzw. 83 % der Teilnehmer konnten eine adjuvante Therapie erhalten. Nur 9 % der Patienten im FOLFOX-Arm erhielten ebenfalls eine Chemoradiatio im neoadjuvanten Setting. Die Patienten berichteten tendenziell eine bessere Lebensqualität unter FOLFOX als unter Chemoradiotherapie; der Unterschied erreichte aber nicht die statistische Signifikanzgrenze. Die PROSPECT-Studie wurde 2011 konzipiert und rekrutierte von 2012 bis 2018. Obwohl sich seit Studienbeginn die Säulen der Therapie (Chemotherapie, Operation, Screening, Bildgebung) wei- terentwickelt haben, könne aus den Ergebnissen der PROSPECT-Studie abgeleitet werden, dass neoadjuvantes FOLFOX mit selektiver Chemoradiatio eine sichere und effektive Therapieop- tion für Patienten mit cT2N+, cT3N- oder cT3N+ Rektumkarzinom sei, schlossen die Autoren. n Ine Schmale Referenzen: 1. Kudo M et al.: Efficacy, safety and patient reported outcomes from the phase III IMbrave050 trial of adjuvant atezolizumab + bevacizumab vs active surveillance in patients with hepatocellular carcinoma (HCC) at high risk of disease recurrence following resection or ablation. ASCO 2023, Abstr. #4002. 2. O’Reilly EM et al.: Liposomal irinotecan + 5-fluorouracil/leucovorin + oxaliplatin (NALIRIFOX) versus nab-paclitaxel + gemcitabine in treatment-naive patients with metastatic pancreatic ductal adenocarcinoma (mPDAC): 12- and 18-month survival rates from the phase 3 NAPOLI 3 trial. ASCO 2023, Abstr. #4006. 3. Schrag D et al.: Preoperative chemotherapy with selective chemoradiation versus chemoradiation for locally advanced rectal cancer: The PROSPECT trial (Alliance N1048). ASCO 2023, Abstr. #LBA2. This medicinal product is subject to additional monitoring. For further information, see professional information MINJUVI on www.swissmedicinfo.ch. MINJUVI (tafasitamab), 200 mg powder for concentrate for solution for infusion. I: MINJUVI is indicated in combination with lenalidomide followed by MINJUVI monotherapy for the treatment of adult patients with relapsed or refractory diffuse large B-cell lymphoma (DLBCL) after at least one line of systemic CD20-targeted antibody therapy who are not eligible for autologous stem cell transplantation (ASCT). P: MINJUVI must be administered by a healthcare professional experienced in treatment of cancer patients. The recommended dose is 12 mg of MINJUVI per kg body weight administered as an intravenous infusion. On cycles 1-3: Administer on days 1, 8, 15 and 22 with an additional dose on day 4 of cycle 1. From cycle 4 onwards: Administer on day 1 and 15 of each cycle. In addition, patients should self-administer lenalidomide capsules at the recommended starting dose of 25 mg daily on days 1 to 21 of each 28-day cycle for a maximum of 12 cycles. Dose adjustments due to adverse reactions are needed. CI: Hypersensitivity to tafasitamab or any of the excipients. W/P: Infusion-related reactions may occur. Patients should be monitored closely throughout infusion. Treatment can cause serious and/or severe myelosuppression. Monitor complete blood counts throughout treatment and prior to administration of each treatment cycle. Withhold MINJUVI based on the severity of the adverse reaction. Fatal and serious infections occurred. Monitor patients for symptoms and signs of progressive multifocal leukoencephalopathy (PML); suspend treatment in case of suspected PML. Administer MINJUVI to patients with an active infection only if the infection is treated appropriately and well controlled. Monitor patients closely for tumor lysis syndrome. QTc prolongation and syncopes have been observed during treatment with MINJUVI. MINJUVI can cause fetal harm. Women of childbearing potential should be advised not to become pregnant during treatment. IA: No interaction studies have been performed for tafasitamab. UE: The most common adverse reactions (≥ 20%) were infections, asthenia, neutropenia, anaemia and diarrhea. The most common serious adverse reactions (≥ 3 %) were febrile neutropenia and pneumonia. For further information on UE, see www.swissmedicinfo.ch. Dispensing cat.: A. Revision date: March 2023. Marketing authorisation holder: Incyte Biosciences International Sàrl, CH-1110 Morges. MINJUVI is under license from MorphoSys AG. Refer to www.swissmedicinfo.ch for detailed information. Relapsed or refractory diffuse large B-cell lymphoma (DLBCL) in combination with lenalidomide Prior to the start of treatment, cost approval by the health insurance must be obtained after consultation with the trusted physician. MINJUVI® is reimbursed in combination with lenalidomide and then as monotherapy in adult patients with relapsed or refractory diffuse large B-cell lymphoma (DLBCL) after at least one line of systemic CD20-targeted antibody therapy who are not eligible for stem cell transplantation (ASCT). Treatment with MINJUVI® is reimbursed until disease progression or unacceptable toxicity occurs. Abbreviations: PI: Professional Information; R/R DLBCL: relapsed or refractory diffuse large B-cell lymphoma; NTE: non-transplant eligible © 2023 Incyte Biosciences International Sàrl, 1110 Morges. All rights reserved. SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 3/2023 15