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STUDIE REFERIERT
Medikamentöse Schlaganfallprävention bei Senioren
NOAK bei über 80-Jährigen im Vorteil
Zur Vorbeugung von Schlaganfällen bei Patienten mit Vorhofflimmern gelten nicht Vitamin-K-abhängige orale Antikoagulanzien (NOAK) als den Vitamin-K-Antagonisten mindestens ebenbürtig. Doch welche Strategie ist bei Hochbetagten die wirksamste und sicherste?
Age and Ageing
Mit der gestiegenen Lebenserwartung haben die Prävalenz und die Inzidenz von Vorhofflimmern (VFH) und -flattern stark zugenommen. Weltweit sind etwa 15 Prozent der Bevölkerung im Alter ab 80 Jahren davon betroffen, was die Gesundheitssysteme aufgrund des bei VHF deutlich erhöhten Thrombembolie- und mithin Schlaganfallrisikos vor grosse Herausforderungen stellt. Die vor rund 10 bis 15 Jahren zur Vorbeugung von Blutgerinnseln und zur Schlaganfallprävention auf den Markt gekommenen NOAK (Apixaban, Dabigatran, Edoxaban, Rivaroxaban) konnten ihre gegenüber den Vitamin-K-Antagonisten (VKA), den herkömmlichen antithrombotischen Substanzen, nicht unterlegene Wirksamkeit und Sicherheit jeweils in grossen randomisierten, kontrollierten Studien (RCT) nachweisen. Von den in diese Studien eingeschlossenen VHF-Patienten waren allerdings nur knapp 20 Prozent 80 oder mehr Jahre alt. In dieser Altersgruppe ist das Schlaganfallrisiko auch ohne VHF schon aufgrund einer vermehrten Arterienverkalkung erhöht. Dennoch werden alte Menschen häufig nur unzureichend antithrombotisch behandelt, da ein gleichzeitig erhöhtes Blutungsrisiko und eine instabilere Pharmakokinetik von Antikoagulanzien einer entsprechenden Therapie häufig entgegenstehen. Da es an direkten Vergleichen zwischen verschiedenen NOAK und anderen Antikoagulanzien aus RCT fehlt, ist eine optimale Strategie zur Schlaganfallprophylaxe bei VHF-Patienten ab 80 Jahren bis anhin nicht etabliert. Ziel eines kürzlich erschienenen systematischen Reviews mit Metaanalyse war es daher, die aus RCT und Observationsstudien (OS) verfügbaren Daten zur VHF-Therapie bei Senioren zusammenzutragen
und eine vergleichende Analyse der Wirksamkeit und Sicherheit der eingesetzten NOAK und VKA vorzunehmen und in einem zweiten Schritt die Beständigkeit des Therapieeffekts in dieser sehr betagten Kohorte altersstratifiziert zu überprüfen. Zudem wurde mittels Netzwerkmetaanalyse (NMA) ein Modell entwickelt, welches diverse Therapiestrategien einschloss, um möglichst optimale Behandlungsstrategien zu ermitteln. Neben NOAK und VKA gingen in diese Analyse auch die Ergebnisse aus Untersuchungen mit Acetylsalicylsäure und nicht oralen Antikoagulanzien ein.
Apixaban und Edoxaban ragen heraus
Von den über 7000 per Literaturrecherche identifizierten einschlägigen Publikationen fanden schliesslich 53 Studien Eingang in die finale Analyse. Als primärer Wirksamkeits- und Sicherheitsendpunkt wurde das Auftreten von Schlaganfällen beziehungsweise systemischen Embolien (SSE) und MajorBlutungen (MB) definiert, weitere Ereignisse von Interesse waren ischämische Insulte, Sterblichkeit jedweder Ursache, intrakranielle Hämorrhagien (ICH) oder gastrointestinale Blutungen. Für den Vergleich von NOAK und VKA ergab sich bei Betrachtung der Daten aus RCT ein unter NOAK signifikant niedrigeres Risiko für SSE (relatives Risiko [RR]: 0,85; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,73–0,99). Das Risiko für MB war mit NOAK bei Zugrundelegung der RCT-Daten zwar ebenfalls geringer als mit VKA (RR: 0,86; 95%KI: 0,61–1,22), statistische Signifikanz erreichte dieser Unterschied jedoch nur in den OS (RR: 0,88; 95%-KI: 0,79– 0,99) und bei der kombinierten Auswertung der Daten der Gesamtpopulation (RCT + OS; RR: 0,88; 95%-KI:
0,79–0,98). Die sekundären Endpunkte
betreffend, waren NOAK gegenüber
VKA hinsichtlich des Risikos für ICH
im Vorteil (RR: 0,38; 95%-KI: 0,28–
0,52). Ausserdem war sowohl in den
OS (RR: 0,82; 95%-KI: 0,72–0,94) als
auch in der Gesamtpopulation (RR:
0,85; 95%-KI: 0,75–0,96) unter NOAK
eine geringere Sterblichkeit jedweder
Ursache zu verzeichnen als unter VKA.
In der altersstratifizierten Analyse be-
stätigte sich, dass die Vorteile der
NOAK gegenüber den VKA hinsicht-
lich der Verminderung des Risikos von
SSE und ICH selbst in den Altersgrup-
pen ab 85 und ab 90 Jahren bestehen
bleiben.
Die Auswertung der NMA ergab, dass
sämtliche Antikoagulanzien (Apixa-
ban, Dabigatran, Edoxaban, Rivaroxa-
ban und VKA) das SSE-Risiko im Ver-
gleich mit Plazebo signifikant senken
(RR: 0,25, 0,27, 0,33, 0,34 bzw. 0,36).
Zwar zeigte sich in allen Behandlungs-
gruppen ein höheres Risiko für MB als
unter Plazebo, jedoch erwiesen sich
Edoxaban (RR: 1,87; 95%-KI: 0,77–
4,53) und Api (RR: 2,40; 95%-KI:
0,79–7,27) hier allen anderen unter-
suchten antithrombotischen Substan-
zen überlegen, wenn auch ohne statisti-
sche Signifikanz.
Aus den Ergebnissen ihrer Analysen
schliessen die Autoren, dass NOAK bei
VHF-Patienten ab 80 Jahren wirksamer
und sicherer sind als VKA. Dabei sind
Edoxaban und Apixaban aufgrund des
geringeren MB-Risikos möglicherweise
zu bevorzugen.
RABE s
Quelle: Lee KH, Chen YF, Yeh WY, et al. Optimal stroke preventive strategy for patients aged 80 years or older with atrial fibrillation: a systematic review with traditional and network meta-analysis. Age Ageing. 2022 Dec 5;51(12):afac292.
Interessenlage: Die Autoren der referierten Metaanalyse deklarieren keinerlei Interessenkonflikte.
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ARS MEDICI 17 | 2023