Transkript
CongressSelection
Multiple Tuberkulose-Resistenzen: Bedrohliche Entwicklung in Osteuropa
Laut der Weltgesundheitsbehörde WHO leiden weltweit bereits eine halbe Million Menschen an einer multiresistenten Tuberkulose (MDR-TB). Sie nimmt vor allem in Asien, Osteuropa und Südafrika bedrohliche Formen an. Gut jeder Zehnte von ihnen soll an einer «extensively drug resistant tuberculosis» (XDR) erkrankt sein. Am ERS wurden neue Daten vorgestellt.
S pitzenreiter unter den 18 im Osten am meisten betroffenen Ländern sind Moldavien (119 TB-Fälle/ 100 000 Einwohner), Kasachstan (113), Georgien (105), Kirgistan (103), Rumänien (79) und Russland (79), am Ende stehen Armenien (41), Lettland (39), Bulgarien (29), Estland (22) und die Türkei (20) (1). Auch in Weissrussland sind laut WHO 49 von 100 000 Menschen mit TB infiziert. Die dortigen Experten gehen jedoch von rund 10 000 TB-Infizierten aus. Während die TB-Inzidenzen in dem ehemaligen Sowjetland seit Jahren rückläufig sind, nahm die Zahl der HIV-Infizierten auf zuletzt 1223 Neuinfektionen im Jahr 2012 stetig zu, berichtete Dr. Alena Skrahina aus Minsk. Entsprechend kontinuierlich stieg die Zahl der Doppelinfektionen: Rund jeder fünfte HIV-Infizierte leidet heute in Weissrussland auch an TB. Beunruhigend ist die hohe Zahl an Resistenzen. So sind 46 Prozent der TB-Erkrankten gegen Erstlinien-Medikamente resistent und 12 Prozent gegenüber Zweitlinien-Substanzen. Als resistent gelten die Erreger, wenn sie gegen eines der First-line-Antibiotika Isoniazid, Pyrazinamid, Rifampicin, Ethambutol oder Streptomycin unempfindlich sind. Liegt eine Multiresistenz vor (MDR), wirken mindestens Isoniazid und Rifampicin nicht mehr gegen die Mykobakterien. Bei einer extremen Resistenz (extensively drug resistant tuberculosis [XDR]) sind die Keime resistent gegen Fluorochinolone, Isoniazid, Rifampicin sowie gegen die injizierbaren Aminoglykoside (Kanamycin, Amikacin) oder/und Capreomycin.
Bescheidene Heilungsrate In Weissrussland wollte man mehr zur Verbreitung von MDR-Resistenzen erfahren und hat mehrere nationale Register aus der Region Gomel im Südosten des Landes ausgewertet. Von den dort dokumentierten 436 in Jahren 2009 bis 2010 behandelten MDR-Fällen waren 84 Prozent männlich. Eine zusätzliche HIV-Infektion wiesen 15 Prozent auf. 136 der MDR-Patienten hatten zuvor noch nie Kontakt zu Anti-TB-Medikamenten gehabt. Zudem litten insgesamt 6 Prozent unter einer bekannten XDR-Tuberkulose. Der Behandlungserfolg war insgesamt ernüchternd:
135 Patienten (35%) starben (zwei Drittel davon an pulmonalen Ursachen mit direkter Assoziation zur TB-Erkrankung, ein Viertel an AIDS), und bei 13 Prozent war die Therapie gescheitert, die Betroffenen aber noch am Leben. Von 18 Prozent konnten im Follow-up keine Angaben mehr erhalten werden. Bei 21 Prozent wurde ein Therapieansprechen beobachtet, aber nur ganze 12,5 Prozent durften als vollkommen geheilt entlassen werden.
Prädiktoren für schlechten Verlauf In einer internationalen Studie wurden unter französicher Leitung die Daten von knapp 2000 MDR-TB-Patienten, vornehmlich aus Osteuropa, retrospektiv analysiert (2). 1092 (55%) dieser Menschen zeigten Resistenzen gegenüber First-line-Medikamenten, 442 wiesen (22%) eine Vorstufe zur extremen Multiresistenz (pre-XDR) auf, 47 (2,4%) eine zusätzliche Ofloxacin-Resistenz, und 44 (2,2%) litten an einer XDR-Tuberkulose. Patienten ohne Resistenzen gegenüber den Zweitlinienmedikamenten konnten zu 79 Prozent erfolgreich therapiert werden, XDR-Betroffene dagegen nur zu 37 Prozent. Als unabhängige Prädiktoren für einen schlechten Krankheitsverlauf galten: frühere Gefängnisaufenthalte (OR = 1,9), eine medikamentöse TB-Behandlung in der Vergangenheit mit First-line- (OR = 2,0) oder Second-line-Medikamenten (OR = 3,2), ein BMI < 18,5 kg/m2 (OR = 2,2), hoher Bakterienload (OR = 2,3), Resistenz gegenüber Fluoroquinolonen (OR = 5,6), Verschreibung von Capreomycin anstatt Kanamycin (OR = 1,5) als Second-lineSubstanz und Behandlungsabbruch aufgrund von unerwünschten Nebenwirkungen (OR = 1,8). Wurden in einer vergangenen Behandlung Ethionamide verwendet, hatten die MDR-Betroffenen höhere Chancen auf einen zukünftigen Heilungserfolg als bei einer früheren Ethambutol-Therapie.
Klaus Duffner
Referenzen: 1. Skrahina A et al.: Treatment outcomes and deaths among multidrug-resistant tuberculosis (MDR-TB) patients in Gomel region, Belarus – 2009–2010. Abstract 191, ERS 2013, Barcelona. 2. Bonnet M et al.: Effectiveness of the WHO regimen for treatment of multidrug resistant tuberculosis (MDR-TB). Abstract 190, ERS 2013, Barcelona.
18 Pneumologie ERS 2013