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STUDIE REFERIERT
Moderne Diabetesmedikamente
GLP-1-RA verbessern offenbar auch die Physis
Neuere Antidiabetika wie GLP-1-Rezeptor-Agonisten und SGLT2- oder DPP-4-Hemmer regulieren nicht nur den Blutzuckerspiegel, sondern sie haben auch positive kardiometabolische Effekte. Inwieweit sich dies auf die körperliche Funktion bei Diabetespatienten auswirkt, wurde in einer aktuellen Metaanalyse untersucht.
Diabetic Medicine
Die moderne Diabetestherapie zielt nicht mehr nur auf die Senkung des Blutzuckers ab. Inzwischen wird mehr und mehr ein ganzheitlicher Behandlungsansatz verfolgt, bei dem etwa auch die allgemeine körperliche Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität im Fokus stehen, welche gerade bei älteren Diabetespatienten durch die mit der Erkrankung assoziierten Komplikationen häufig stark beeinträchtigt sein können. Zu dieser Entwicklung haben sicherlich die seit einigen Jahren breit verfügbaren neueren glukosesenkenden Medikamente wie die GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1-RA; GLP: glucagon-like peptide) sowie die SGLT2- (SGLTi; SGLT2: sodium-glucose linked transporter 2) und die DPP-4-Inhibitoren (DPP4i; DPP: Dipeptidylpeptidase) beigetragen. Mit diesen Wirkstoffen liessen sich bei Diabetespatienten in der Vergangenheit neben einer substanziellen Glukosesenkung signifikante positive Effekte hinsichtlich einer klinisch relevanten Reduktion von Körpergewicht und des Schutzes von Herz, Kreislauf und Nieren erzielen. Beides hat möglicherweise einen erheblichen Anteil an der Verbesserung der physischen Funktion, definiert als die Fähigkeit zur selbstständigen Verrichtung alltäglicher Aktivitäten wie Treppensteigen oder Sitzen auf beziehungsweise Aufstehen von einem Stuhl, welche wiederum den Grad der Lebensqualität massgeblich mitbestimmt. Trotz der zahlreichen nachgewiesenen pleiotropen kardiometabolischen Effekte der modernen Antidiabetika ist ihre Gesamtauswirkung auf die körperliche Funktion bei Diabetespatienten noch weitgehend unklar. Aus diesem Grund war es das Ziel eines aktuellen
systematischen Reviews mit Metaanalyse, Daten aus randomisierten, kontrollierten Studien (RCT) zu dieser Fragestellung zusammenzutragen und auszuwerten und dadurch eventuell zur klinischen Konsensbildung hinsichtlich der Therapieauswahl für Diabetespatienten mit beeinträchtigter physischer Funktion beizutragen. Nach entsprechender Literaturrecherche und Abgleich mit den Auswahlkriterien konnten letztlich 11 RCT (durchschnittliche Follow-up-Dauer: 40 Monate) mit insgesamt knapp 7000 Individuen (mittleres Alter: 61 Jahre, durchschnittliche Diabetesdauer: 11,9 Jahre) für die Datenanalyse herangezogen werden, von denen 9 Studien GLP-1-RA (Semaglutid, Liraglutid, Dulaglutid, Exenatid) und je 1 SGLT2i (Dapagliflozin) und DPP4i (Sitagliptin) untersucht hatten. Primärer Endpunkt war eine jeweils zu Studienende mittels diverser subjektiver Fragebögen (SF-36 [ShortForm, 36 Items; verwendet in 5 RCT], IWQOL-Lite [Impact of Weight on Quality of Life-Lite; 4 RCT], APPADL [Ability to Perform Physical Activities of Daily Living; 1 RCT]) oder objektiver Tests (6-Minuten-Gehtest [6-MGT; 1 RCT], maximale Sauerstoffaufnahme [VO2max; 3 RCT]) erfasste Veränderung der körperlichen Funktion in der Interventionsgruppe gegenüber Plazebo.
Zu wenig Daten für SGLT2i und DPP4i verfügbar
Die gepoolte Metaanalyse der Daten ergab im Vergleich mit Plazebo eine Verbesserung der körperlichen Funktion unter modernen Antidiabetika, hauptsächlich GLP-1-RA, von 0,12 (95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,07– 0,17) Punkten. Diese Ergebnisse waren
konsistent bei gesonderter Auswertung der Daten hinsichtlich der in den RCT jeweils verwendeten subjektiven Fragebögen (SF-36 [immer GLP-1-RA untersucht] und IWQOL-Lite [mit 1 Ausnahme immer GLP-1-RA untersucht]) mit geschätzten Behandlungsdifferenzen von 0,86 (95%-KI: 0,28–1,45) respektive 3,72 (95%-KI: 2,30–5,15) zugunsten der modernen Antidiabetika. Bei der Auswertung der mittels objektiver Tests erfassten Daten (6-MGT, VO2max) ergaben sich dagegen für die verschiedenen Antidiabetikaklassen keinerlei signifikante Wirksamkeitsunterschiede zwischen Interventions- und Plazebogruppen. Die Autoren schlussfolgern aus den Ergebnissen ihrer Metaanalyse, dass GLP1-RA, vor allem solche mit hoher Effektivität hinsichtlich Gewichtsreduktion, potenziell zur Verbesserung der physischen Funktion beitragen und deshalb bei bestimmten Patienten zu bevorzugen sein könnten. Ähnliches liess sich für SGLT2i und DPP4i aus den Daten nicht ablesen. Letztere wurden bis anhin in diesem Kontext allerdings kaum untersucht. Dies und die Tatsache, dass die Beurteilung der körperlichen Funktion mangels anerkannter Goldstandards zu ihrer Erfassung allgemein als kompliziert gilt, macht es allerdings schwierig, endgültige Schlüsse aus ihrer Metaanalyse zu ziehen, wie die Autoren einschränkend zu bedenken geben.RABE s
Ahmad E et al.: Impact of novel glucose-lowering therapies on physical function in people with type 2 diabetes: A systematic review and meta-analysis of randomised placebo-controlled trials. Diabet Med. 2023;40(6):e15083.
Interessenlage: Ein Teil der Autoren der referierten Studie erklärt, Forschungsunterstützung und diverse Honorare von pharmazeutischen Unternehmen erhalten zu haben.
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ARS MEDICI 13 | 2023