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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Wundinfektionen nach OP
Auslöser sind häufig Darmbakterien
Verursacher postoperativer Wundinfektionen sind in einem Grossteil der Fälle Bakterien aus dem Darm der Patientinnen und Patienten selbst, wie ein Forschungsteams des Inselspitals Bern und der Universität Würzburg mit einer neuen Studie nachgewiesen hat. Selbst ohne Verletzung des Darms während der Operation sind die Bakterien des gastrointestinalen Mikrobioms postoperativ in der Lage, die Darmbarriere zu überwinden und sich über die Blutund Lymphbahnen im ganzen Körper zu verteilen. Bekanntermassen ist das Mikrobiom des Darms von entscheidender Bedeutung für die Verdauung; es beseitigt Krankheitserreger und trainiert das Immunsystem. Das gilt jedoch nur so lange, wie diese Bakterien nicht die sogenannte Darmbarriere überwinden und sich im Körper ausbreiten. Genau dies kann jedoch nach einem operativen Eingriff passieren. Bei fast 4000 Patientinnen und Patienten mit Begleitinfektionen nach grösseren chirurgischen Eingriffen zeigte sich, dass es sich in so
gut wie allen Fällen bei den Erregern um Bakterien aus dem Darm des Patienten handelte, wie beispielsweise Enterococcus, Escherichia coli und Clostridium. Diese sorgten am häufigsten nach Operationen an der Leber, der Bauchspeicheldrüse und den Gallenwegen sowie bei Operationen am Dünn- und Dickdarm für Infektionen. Vor allem Patientinnen und Patienten, die sich einer grossen Leberresektion unterziehen mussten, erlitten solch eine Infektion, die den Heilungsprozess deutlich verzögerte. Dass die Leber in diesem Infektionsgeschehen tatsächlich eine besondere Rolle spielt, konnten die Forscher im Mausmodell nachweisen. Spezielle, in der Leber ansässige Zellen des Immunsystems sind für die Kontrolle dieser sich ausbreitenden Bakterien und für den Heilungsprozess nach grösseren Operationen verantwortlich. Bei ihnen handelt es sich um eine Gruppe von Lymphozyten, die sogenannten «innate lymphoid cells» (ILC), die wichtige Akteure des angeborenen Immunsystems darstellen. Gelangen nun über den Blut-
strom Bakterien aus dem Darm in die
Leber, werden diese ILC aktiviert und
setzen spezielle Botenstoffe frei, wie bei-
spielsweise Interleukin 22, ein Protein,
das Immunreaktionen auslösen und
regulieren kann. Auf diese Weise regen
sie Leberzellen dazu an, antimikrobielle
Substanzen zu produzieren. Die Stär-
kung der Immunität könnte, so Prof.
Guido Beldi, Universitätsspital Inselspi-
tal Bern, daher eine sinnvolle prophy-
laktische und therapeutische Alterna-
tivstrategie zu den üblichen anti-
mikrobiellen Therapien darstellen, um
Begleitinfektionen nach Operationen
zu verhindern. Dies zumindest so lange,
bis aufgeklärt ist, welche Faktoren da-
für verantwortlich sind, dass nach ei-
nem operativen Eingriff die Darmbar-
riere Darmbakterien nicht mehr davon
abhält, in das Körperinnere einzudrin-
gen.
Insel Gruppe/RABE s
Medienmitteilung der Insel Gruppe vom 23. März 2023 zu Jakob MO et al.: ILC3s restrict the dissemination of intestinal bacteria to safeguard liver regeneration after surgery. Cell Rep. 2023;28;42(3):112269.
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ARS MEDICI 8 | 2023