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STUDIE REFERIERT
Diabetesmanagement
Strukturierte Blutzuckerselbstmessung als unterstützendes Tool
Moderne tragbare Geräte zum Selbstmonitoring der Glukoselevel sind bequem – aber können sie Diabetespatienten auch zu substanziellen Therapieerfolgen verhelfen? Die Ergebnisse einer aktuellen Metaanalyse sprechen dafür, vor allem wenn die Messungen mindestens täglich und regelmässig erfolgen und, darauf aufbauend, Lebensstiländerungen besser umgesetzt werden.
Journal of General Internal Medicine
Die Überwachung des Blutzuckerspiegels zur Glykämiekontrolle ist elementarer Bestandteil im Diabetesmanagement. Mit der Verfügbarkeit tragbarer Messgeräte ist es möglich geworden, dass Patienten ihre Glukosespiegel selbst kontrollieren können. Bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 (T1DM) oder bei insulinbehandelten Patienten mit T2DM gilt die Blutzuckerselbstmessung (self-monitoring of blood glucose, SMBG) bereits als nützliches Instrument zur Therapieunterstützung. Bei nicht mit Insulin behandelten T2DMPatienten dagegen ist die Datenlage zur Wirksamkeit von SMBG nicht eindeutig. Während mehrere systematische Reviews und Metaanalysen SMBG hier einen unterstützenden Effekt bei der Senkung von Hämoglobin A1c (HbA1c) und Body-Mass-Index (BMI) zuschreiben, lieferten andere Studien weniger überzeugende Ergebnisse. Möglicherweise liegen die Stärken der Selbstmessung eher darin, Lebensstilmassnahmen zur Reduktion von Risikofaktoren für Diabeteskomplikationen wie etwa Blutdruck oder Cholesterinspiegel unterstützend begleiten zu können. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass ein hinsichtlich Zeitpunkt und Frequenz genau vorgegebenes, sogenanntes strukturiertes SMBG (S-SMBG) einem willkürlichen überlegen ist, weshalb manche Leitlinien ein solches S-SMBG inzwischen in ihre Empfehlungen integriert haben. Darüber, wie entsprechende Vorgaben genau aussehen sollten, bestand allerdings bis anhin kein Konsens. Vor diesem Hintergrund hat eine chinesische Arbeitsgruppe nun den Versuch unternommen, die Wirksamkeit von
SMBG beziehungsweise S-SMBG zur Blutzuckerkontrolle (primärer Endpunkt; gemessen anhand der HbA1cLevel) bei T2DM-Patienten ohne Insulintherapie zu untersuchen und die optimale Taktung der Messungen sowie per Subgruppenanalyse die Patientenpopulation zu identifizieren, für die sich diese Massnahme am ehesten eignet. Aus den per Literaturrecherche der einschlägigen Datenbanken (PubMed, Cochrane Library, Embase, ClinicalTrials.gov) ermittelten randomisierten, kontrollierten Studien (RCT) zum Thema filterten die Wissenschaftler insgesamt 22 Arbeiten heraus, von denen in 17 Studien (n = 4375; 45,43% Frauen, mittleres Alter: 60,15 Jahre, mittlere Diabetesdauer: 4,89 Jahre) ein Management mit SMBG gegen eines ohne und in 4 Studien (n = 1829; 40,92% Frauen, mittleres Alter: 50,07 Jahre, mittlere Diabetesdauer: 8,41 Jahre) SMBG mit S-SMBG verglichen worden war. Zwischen den einzelnen Patientengruppen bestanden dabei keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Baseline-HbA1c-Werte.
8- bis 11-mal pro Woche ideal
Wie die statistische Auswertung der Daten ergab, waren die HbA1c-Werte bei Patienten, die SMBG durchgeführt hatten, signifikant niedriger als bei denen, die lediglich eine Standardbehandlung (Diät, orale Antidiabetika, 3-monatliche HbA1c-Messungen durch Gesundheitsfachpersonal) erhalten hatten (mittlere Differenz [MD]: –0,30%; 95%-Konfidenzintervall [KI]: –0,42 bis –0,17), bei allerdings hoher Heterogenität der Daten. Des Weiteren fiel die
HbA1c-Senkung deutlicher aus, und dies ohne signifikante Heterogenität, wenn statt eines unstrukturierten SMBG ein S-SMBG (MD: –0,23%; 95%-KI: –0,38 bis –0,07) erfolgt war. Bei der Analyse der sekundären Endpunktdaten zeigte sich, dass auch die am Ende der Intervention erzielten Reduktionen von BMI (–0,18 kg/m2; 95%KI: –0,31 bis –0,04), Gewicht (–0,33 kg; 95%-KI: –0,62 bis –0,05), Nüchternplasmaglukose (–0,27 mmol/l; 95%-KI: –0,43 bis –0,12) und Taillenumfang (–1,12 cm; 95%-KI: –2,17 bis –0,06) unter SMBG substanzieller waren als unter Standardbehandlung allein. Im Rahmen der Subgruppenanalyse konnten darüber hinaus hinsichtlich HbA1c-Reduktion zusätzliche Vorteile für SMBG ermittelt werden, wenn es mindestens 7-mal (optimalerweise 8- bis 11-mal) pro Woche durchgeführt wurde und wenn, basierend darauf, durch die Patienten jeweils gleichzeitig Anpassungen des Lebensstils vorgenommen wurden. Keine statistischen Unterschiede ergaben sich dagegen, wenn die Daten nach Baseline-HbA1c (≤ 8% vs. > 8%; p = 0,63) oder Diabetesdauer (≤ 6 vs. > 6 Jahre; p = 0,72) stratifiziert wurden. RABE s
Quelle: Zou Y et al.: The efficacy and frequency of self-monitoring of blood glucose in non-insulin-treated T2D patients: a systematic review and meta-analysis. J Gen Intern Med. 2022, Nov 20; doi: 10.1007/s11606-022-07864-z.
Interessenlage: Die Autoren der referierten Metaanalyse deklarieren keinerlei Interessenkonflikte.
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ARS MEDICI 4 | 2023