Transkript
ESC
Herzinsuffizienztherapie
Geschlecht entscheidet über Wirkung mit
Nach derzeitiger Auffassung definiert die Auswurffraktion die Art der Herzinsuffizienz. Liegt sie > 45 Prozent, spricht man von einer Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF), liegt sie < 40 Prozent, handelt es sich um eine Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion (HFrEF). Nicht alle Herzinsuffizienztherapien wirkten bei beiden Entitäten gleich gut, führte Dr. Milton Packer, Baylor University Medical Center, Dallas (USA), und Imperial College, London (UK), am Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) in Barcelona aus. Wo die Unterschiede liegen. Eine unterschiedliche Wirkung auf die HFpEF und die HFrEF zeigt beispielsweise die Angiotensin-Rezeptor-NeprilysinInhibition (ARNI), hier beeinflusst die Auswurffraktion die Neprilysin-Inhibition. Während eine Neprilysinhemmung bei tiefer Auswurffraktion bis 40 Prozent eine gute Wirkung hat, nimmt sie bei steigender Auswurffraktion ab, um bei 55 Prozent schliesslich ganz wirkungslos zu werden (1). Demenzverdacht für Neprilysinhemmung entkräftet Lang lag über dem ARNI Sacubitril/Valsartan der Schatten eines ver- meintlichen Demenzrisikos. Dieser konnte jetzt durch die PERSPECTIVE- Studie definitiv abgeschüttelt werden. Der Verdacht entstand auf- grund der Tatsache, dass Neprilysin am Abbau von Amyloid-beta-Pep- tiden bei der Alzheimer-Demenz beteiligt ist und eine Akkumulierung wegen der Neprilysinhemmung durch Sacubitril zu einer kognitiven Verschlechterung führen könnte. In der PERSPECTIVE-Studie wurde deshalb der Effekt von Sacubitril/Valsartan vs. Valsartan auf die kogni- tive Funktion bei Herzinsuffizienzpatienten mit einer leicht reduzierten (HFmrEF) oder einer erhaltenen Auswurffraktion (HFpEF) (> 40%) un-
tersucht. An der prospektiven, doppelblind randomisierten, multizen-
trischen Langzeitstudie nahmen 592 Patienten über 60 Jahre (durch-
schnittlich 72-jährig) teil, davon waren etwa die Hälfte weiblich. Sie
erhielten entweder Sacubitril/ Valsartan (97/103 mg, 2 ×/Tag) oder
Valsartan (160 mg 2 ×/Tag). Als primärer Endpunkt war die kognitive
Veränderung nach 3 Jahren definiert, gemessen anhand des CogState
Global Cognition Composite Score (GCCS) zur Testung von Aufmerk-
samkeit, episodischem Gedächtnis und Exekutivfunktion. Dieser hatte
sich seit Studienbeginn weder in der einen noch in der anderen Gruppe
signifikant verändert, was den Beleg der Nichtunterlegenheit liefert.
Als sekundärer Endpunkt galt die Amyloid-beta-Deposition im Gehirn,
die mit PET-Scans bestimmt wurde. Diese erwies sich unter Sacubitril/
Valsartan in der Tendenz sogar als leicht geringer als unter Valsartan.
Damit scheine die Evidenz, dass Sacubitril/Valsartan das Risiko für ko-
gnitive Verschlechterung aufgrund einer Amyloid-beta-Peptid-Akku-
mulierung bei Patienten mit HFmrEF oder HFpEF nicht erhöhe, defini-
tiv erbracht zu sein, so das Fazit von Studienleiter Prof. John McMurray,
Glasgow. Einer Langzeittherapie mit dieser Kombination stehe somit
in dieser Hinsicht nichts mehr im Weg.
vh
Quelle: «Hotline 1». Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC), 26. bis 29. August 2022 in Barcelona.
Das zeigte sich in den beiden Studien PARADIGM-HF bei HFrEF und PARAGON-HF bei HFpEF mit dem Neprilysinhemmer Sacubitril/Valsartan. Während der Neprilysinhemmer bei HFrEF das Risiko für kardiovaskulären Tod oder herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierung signifikant um 20 Prozent reduziert hat, funktionierte das bei HFpEF nicht gleichermassen gut. Der renoprotektive Effekt, gemessen anhand der Reduktion von schweren renalen Ereignissen und der Veränderung der geschätzten glomerulären Filtrationsrate, sei jedoch in beiden Studien gleich positiv gewesen, so Packer. Das bedeute, dass dieser Effekt bei einer Auswurffraktion von < 30 bis > 65 Prozent beziehungsweise bei HFrEF und HFpEF vorhanden sei (2).
Bei Frauen besser
Bei einzelner Betrachtung der beiden Komponenten des pri-
mären Endpunkts zeigt sich, dass der Wirkungsunterschied
zwischen HFrEF und HFpEF beim kardiovaskulären Tod
zwar, wie in den beiden Studien beobachtet, besteht, und das
bei beiden Geschlechtern. Doch bei der herzinsuffizienzbe-
dingten Hospitalisierung zeige sich ein anderes Bild, so Pa-
cker. Bei Männern nimmt die Wirkung ab einer Auswurffrak-
tion von 40 Prozent ab, doch bei Frauen erst ab 60 Prozent
(3). Das bedeutet, dass der Neprilysinhemmer bei Frauen mit
HFpEF mit einer Auswurffraktion von 40 bis 60 Prozent die
herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierung verringern kann.
Ebenfalls bei Herzinsuffizienz eingesetzt werden SGLT2-
Hemmer. Bei dieser Substanzklasse sei jedoch zu beobachten,
dass diese ab einer Auswurffraktion von 60 Prozent hinsicht-
lich Reduktion der herzinsuffizienzbedingten Hospitalisatio-
nen nicht mehr besser wirkten als Plazebo, das habe die
EMPEROR-Preserved-Studie gezeigt, so Packer. Die Wir-
kungsabnahme bei steigender Auswurffraktion habe in die-
ser Studie aber nicht nur die Hospitalisierungen, sondern
auch die renalen Endpunkte wie schwere renale Ereignisse
und die Veränderung der geschätzten glomerulären Filtrati-
onsrate betroffen, so Packer abschliessend.
s
Valérie Herzog
Quelle: «ARNI: evidence across the spectrum of heart failure». Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC), 26. bis 29. August 2022 in Barcelona.
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Referenzen: 1. Solomon SD et al.: Sacubitril/Valsartan across the spectrum of
ejection fraction in heart failure. Circulation. 2020;141(5):352361. 2. Mc Causland FR et al.: Angiotensin-neprilysin inhibition and renal outcomes across the spectrum of ejection fraction in heart failure. Eur J Heart Fail. 2022;10.1002/ejhf.2421. 3. Dewan P et al.: Interactions between left ventricular ejection fraction, sex and effect of neurohumoral modulators in heart failure. Eur J Heart Fail. 2020;22(5):898-901.
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