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FORTBILDUNG
Psoriasistherapie – topisch, systemisch oder mit UV-Strahlen?
Aktuelle Behandlungsoptionen, Sicherheits- und Kosteneffektivitätsaspekte
Die Therapie der Psoriasis richtet sich nach der Schwere und dem klinischen Subtyp der Erkrankung sowie nach Komorbiditäten und Präferenzen des Patienten. Ein praxisorientierter britischer Review will Grundversorgern einen Überblick über neuere Wirkstoffe und Behandlungsmodalitäten geben. Neben Weiterentwicklungen bei topischem Vitamin D und seinen Analoga, Fumarsäureestern und Biologika werden Fortschritte der UV-B-Phototherapie sowie Aspekte der Kosteneffektivität diskutiert.
BRITISH MEDICAL JOURNAL
Gemäss britischen, US-amerikanischen und europäischen Leitlinien erfolgt die Therapie der Schuppenflechte gewöhnlich schrittweise (Abbildung 1). Dabei muss allerdings nicht unbedingt jede Therapiestufe durchlaufen werden, und es können durchaus auch Behandlungen miteinander kombiniert werden, die von verschiedenen «Sprossen» der Therapieleiter stammen. Zu Beginn der Behandlung sollten deren Ziele, die sich auf die Symptomkontrolle, das Auslösen einer klinisch relevanten Besserung sowie das Erreichen einer Remission und deren Erhaltung erstrecken, unter Berücksichtigung von Ausprägung und Lokalisation der Psoriasis mit dem Patienten besprochen werden. Situationen, in denen eine Überweisung
Merksätze
O Die Therapie der Psoriasis erfolgt schrittweise und richtet sich nach der Schwere und dem klinischen Subtyp der Erkrankung sowie nach Komorbiditäten und Präferenzen des Patienten.
O Bei leichter bis moderater Erkrankung ist meist eine topische Therapie ausreichend.
O Bei schwereren Verläufen können Vitamin D/Vitamin-D-Analoga andere Behandlungsmodalitäten (UV-B-Phototherapie, systemische medikamentöse Therapie) sinnvoll ergänzen.
O Zur langfristigen Kontrolle der Erkrankung ist eine kontinuierliche Therapie erforderlich.
zum Spezialisten angezeigt ist, sind im Kasten zusammengefasst. Zur langfristigen Kontrolle der Erkrankung ist eine kontinuierliche Therapie erforderlich. Bei Beendigung der Behandlung ist ein Wiederauftreten der Psoriasis zu erwarten.
Vitamin D und Analoga Zu dieser Gruppe zählen topisches Calcitriol, als aktiver Metabolit von Vitamin D, und zwei Vitamin-D-Analoga, Calcipotriol und Tacalcitol. Diese Substanzen binden an Vitamin-D-Rezeptoren und führen zu einer Hemmung der Zellproliferation und entzündlicher Prozesse. Vitamin D und Vitamin-D-Analoga werden topisch appliziert (Salben, Lösungen, Gele) und sind kosmetisch akzeptabel (keine Hautverfärbungen, geruchsneutral). Die Absorption der Wirkstoffe lässt sich durch vorausgehende Hautpflege mit harnstoff- oder salicylsäurehaltigen Emollienzien verbessern. In einer Cochrane-Metaanalyse aus 2013 konnte für Calcipotriol (17 Studien; standardisierte Mittelwertsdifferenz [SMD]: -0,96; 95%-Konfidenzintervall [KI]: -1,12 bis -0,77), Calcitriol (7; SMD: -0,92; 95%-KI: -1,54 bis -0,29) und Tacalcitol (4; SMD: -0,73; 95%-KI: -1,09 bis -0,37) gegenüber Plazebo eine signifikante Verbesserung des Krankheitsausmasses ermittelt werden. Ein als Grundlage für die europäischen Leitlinien erstellter systematischer Review von 19 randomisiert-kontrollierten (RCT) und Beobachtungsstudien ergab, dass sich bei 25 bis 58 Prozent der Patienten mit leichter bis moderater chronischer Plaque-Psoriasis unter sechs- bis achtwöchiger zweimal täglicher Gabe von Vitamin D oder Vitamin-D-Analoga eine signifikante Besserung oder sogar nahezu ein Verschwinden der Symptome zeigte. Das britische National Institute for Health and Care Excellence (NICE) kam zu dem Schluss, dass eine Kombinationstherapie mit einem Vitamin-D-Analogon und einem Kortikosteroid effektiver ist als die jeweilige Einzelsubstanz. Daher geben auch die britischen Guidelines die Empfehlung, Vitamin D oder dessen Analoga zusammen mit einem potenten lokalen Kortikosteroid als topische Erstlinientherapie einzusetzen. In den meisten Fällen lässt sich allein durch die topische Therapie bei den meisten Patienten mit leichter bis moderater Erkrankung ein ausreichender Erfolg erzielen. Bei schwereren Erkrankungsformen können topisches Vitamin D und Vitamin-D-Analoga eine wichtige Ergänzung zu anderen Behandlungsformen wie beispielsweise Licht- oder systemische medikamentöse Therapie einschliesslich Biologika darstellen, mit der sich die Dosis systemischer Wirkstoffe eventuell reduzieren lässt.
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FORTBILDUNG
Abbildung: «Therapieleiter» bei Psoriasis. Die Auflistung der Behandlungsmodalitäten innerhalb der einzelnen Kategorien erfolgt alphabetisch und bedeutet keine Rangliste (IL: Interleukin, TNF: Tumornekrosefaktor, UV: Ultraviolettstrahlung, PUVA: Psoralen plus UV-A); *Dithranol = Anthralin, in der Schweiz nicht mehr im Handel).
Einem systematischen Review zufolge ist Calcipotriol hinsichtlich der Wirksamkeit bei chronischer Plaque-Psoriasis Calcitriol und Tacalcitol überlegen. In empfindlichen Hautarealen (Gesicht, hinter den Ohren, Flexuren) sollten gemäss den britischen Leitlinien zunächst kurzzeitig (1 bis 2 Wochen pro Monat) schwache bis moderate topische Kortikosteroide zum Einsatz kommen. Bei ausbleibendem Effekt oder Risiko für ernste Nebenwirkungen (kortikosteroidinduzierte Atrophie) kann die Gabe topischer Calcineurininhibitoren in Erwägung gezogen werden. Zur Behandlung von Nagelpsoriasis sind Vitamin D und dessen Analoga nicht effektiv.
UV-B-Phototherapie Die Phototherapie richtet sich gegen Immunzellen und Keratozyten und bewirkt epidermales Remodelling und Entzündungsreduktion. Schmalband-UV-B-Strahlung (311 nm) sowie Excimer-Lampen (-Laser), die monochromatisches UV-B-Licht emittieren und eine gezielte Behandlung räumlich begrenzter oder resistenter Plaques ermöglichen, haben die konventionelle UV-B-Breitbandbestrahlung und die PUVA (Psoralen plus UV-A-Photochemotherapie) inzwischen abgelöst. Die Therapie erfolgt dosisangepasst (minimale erythemauslösende Dosis, Hauttyp) 2- bis 3-mal wöchentlich in ambulanten Sitzungen, wobei sich im Allgemeinen bei Einsatz der lokalisierten Therapie ein Abheilen mit weniger Behandlungseinheiten erzielen lässt als bei Ganzkörperbestrahlung. Wie sich in diversen RCT und Kohortenstudien ergab, in denen die Resultate verschieden behandelter Körperhälften miteinander verglichen wurden, ist Schmalband-UV-B wirksam zur Behandlung leichter bis moderater chronischer
Plaque-Psoriasis. Etwa 80 Prozent der Patienten zeigen eine klinisch relevante Antwort (PASI75, Reduktion des Psoriasis Area and Severity Index [klinischer Score zur Beurteilung des Schweregrads der Psoriasis] um 75%), und durchschnittlich sind 20 bis 28 Behandlungen nötig, um eine Ausheilung zu erzielen. Die amerikanischen und europäischen Guidelines empfehlen die Schmalband-UV-B-Phototherapie zur Remissionsinduktion bei moderater bis schwerer Plaque-Psoriasis sowie den Einsatz von Excimer-Lampen(-Laser) zur gezielten Behandlung einzelner psoriatischer Plaques. Die britischen Leitlinien erachten Schmalband-UV-B als geeignet bei chronischer Plaque-Psoriasis und unzureichendem Ansprechen auf eine allein topische Therapie. Einzelne Studien minderer Qualität legen einen Synergismus zwischen der UV-B-Behandlung und topischen, einigen systemischen (z.B. Acicretin) sowie biologischen Therapien nahe.
Fumarsäureester Die aktive Komponente der Fumarsäuretherapie ist Dimethylfumarat. Dieser Wirkstoff ist, anders als in der Schweiz oder etwa in Grossbritannien und den USA, wo er allerdings vielfach off-label eingesetzt wird, in Deutschland seit 1994 zur Behandlung der Psoriasis zugelassen. Erhältlich sind 120und 30-mg-Tabletten. Die europäischen Leitlinien beinhalten eine Übersicht über empfohlene Dosierungen. Therapiebegleitend werden 3-monatliche Kontrollen von Blutbild sowie Leber- und Nierenfunktion angeraten. Die Wirkung scheint hauptsächlich immunvermittelt zu sein. Die Ergebnisse von 9 Studien als Basis der europäischen Leitlinien zeigten, dass 50 bis 70 Prozent der Patienten mit moderater bis schwerer chronischer Plaque-Psoriasis nach
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FORTBILDUNG
Kasten:
Wann zum Spezialisten?
In folgenden Situationen ist zur Behandlung der Psoriasis ein Dermatologe hinzuzuziehen: O diagnostische Unsicherheit O schwere oder ausgedehnte Psoriasis (z.B. >10% der Körperober-
fläche betroffen) O unzureichende Krankheitskontrolle mit topischen Substanzen O akute Psoriasis guttata, die einer Phototherapie bedarf O Nagelerkrankung mit erheblicher funktioneller oder kosmetischer
Beeinträchtigung O erhebliche Auswirkungen auf das körperliche, psychische oder
soziale Wohlbefinden des Patienten O Symptome/Anzeichen von Psoriasisarthritis O den gesamten Körper betreffende pustulöse Psoriasis oder Erythro-
dermie (Notfallüberweisung)
16-wöchiger Behandlung mit Fumarsäureester einen PASI75 erreichten. Dieser Effekt konnte durch Kombination mit topischer Therapie noch gesteigert werden. Wird die Behandlung nicht kontinuierlich fortgeführt, kehren die Psoriasissymptome jedoch meist zurück. Zur Wirksamkeit der Fumarsäureester bei Psoriasisarthritis existiert nur limitierte Evidenz; im Allgemeinen scheinen sie bei Gelenkerkrankungen ineffektiv zu sein.
Biologika Zur Behandlung von moderater bis schwerer chronischer Plaque-Psoriasis sind seit Längerem TNF (Tumornekrosefaktor)-␣-Inhibitoren wie Adalimumab, Etanercept und Infliximab angezeigt. Kürzlich wurde zudem Ustekimumab, ein monoklonaler Antikörper gegen Interleukin (IL)-12 und IL-23, zugelassen. Diese Substanzen werden subkutan oder intravenös (Infliximab) verabreicht und sind hoch effektiv und auch bei Psoriasisarthritis indiziert. So ergaben sich im Rahmen einer Metaanalyse von RCT hinsichtlich des Erreichens eines guten Therapieansprechens (PASI75) gegenüber Plazebo Risikodifferenzwerte von 0,76 für Infliximab (6 Studien; 95-Konfidenzintervall [KI]: 0,73–0,79), von 0,63 für Ustekimumab (45 mg Dosimetrie; 4 Studien; 95%-KI: 0,59–0,66), von 0,61 für Adalimumab (4 Studien; 95%-KI: 0,56–0,67) und von 0,31 für Etanercept (50 mg/ Woche; 4 Studien; 95%-KI: 0,27–0,36). Infliximab, Adalimumab und Ustekimumab scheinen somit effektiver zu sein als 50 mg Etanercept. In Grossbritannien werden diese Substanzen bei Patienten empfohlen, bei denen konventionelle systemische Therapien (Methotrexat [MTX], Acitretin, Ciclosporin) nicht wirksam oder kontraindiziert sind. Vorausgehend werden Untersuchungen auf bestehende Infektionen (HIV, Hepatitis B, Tuberkulose) empfohlen.
wechselstörungen sollten Vitamin D und seine Analoga daher nicht angewendet werden. Teilweise bestehen Einschränkungen für einen Einsatz während Schwangerschaft (Calcipotriol, Calcitriol) und Stillzeit (Calcitriol). Die UV-B-Phototherapie ist kontraindiziert bei Patienten mit lichtempfindlicher Haut und nur eingeschränkt anwendbar bei Vorliegen von Hautkrebs oder entzündlicher Psoriasis. Gegenanzeigen für den Einsatz von Fumarsäureester sind schwere gastrointestinale Erkrankungen und Nierenfunktionsstörungen sowie Schwangerschaft und Stillzeit. Zu vermeiden ist ihre Gabe ausserdem bei Personen mit hämatologischen Erkrankungen. Obwohl keine Wechselwirkungen bekannt sind, ist Vorsicht geboten bei gleichzeitiger Einnahme anderer immunsuppressiver Medikamente. Für Biologika bestehen Kontraindikationen bei schweren Infektionen wie Tuberkulose oder Hepatitis B, bei schwerer Herzinsuffizienz sowie bei schwangeren und stillenden Frauen. Der gleichzeitige Gebrauch anderer Immunsuppressiva (z.B. Ciclosporin) kann das Risiko für schwere Infektionen erhöhen. Attenuierte Lebendimpfstoffe sollten während der Therapie nicht verabreicht werden. TNF-α-Inhibitoren können Symptome demyelinisierender Erkrankungen (z.B. multiple Sklerose) auslösen oder verschlimmern; in solchen Fällen ist wahrscheinlich Ustekimumab die am ehesten geeignete Substanz.
Kosteneffektivität
Gemäss dem oben erwähnten Cochrane Review aus 2013
scheint der kombinierte Einsatz eines potenten Kortiko-
steroids und von Vitamin D beziehungsweise eines Vitamin-D-
Analogons mit aufgewendeten 28390 Euro pro qualitäts-
adjustiertes Lebensjahr (QALY) kosteneffektiv zu sein.
Für die Schmalband-UV-B-Bestrahlung existieren kaum
entsprechende Untersuchungen; in Grossbritannien sind
deren Kosten allerdings niedriger als diejenigen, die mit
PUVA entstehen.
Die jährlichen Therapiekosten für Fumarsäureester betragen
etwa 2500 englische Pfund pro Patient und sind damit höher
als diejenigen für systemische Erstlinientherapien wie etwa
MTX, aber niedriger als diejenigen, die bei Einsatz von Bio-
logika fällig werden. Ein Kosteneffektivitätsmodell, das Eta-
nercept mit nicht systemischen Substanzen verglich, spricht
für den Einsatz von Fumarsäureestern als Drittlinientherapie
nach MTX und Ciclosporin, aber noch vor Etanercept.
Seit Einführung der Biologika haben sich die Spitalaufent-
haltszeiten reduziert, und trotz jährlicher Therapiekosten
von etwa 10000 engl. Pfund pro Patient schätzt das NICE
diese Wirkstoffe als kosteneffektiv im Rahmen des britischen
Gesundheitswesens ein.
O
Ralf Behrens
Jabbar-Lopez ZK et al.: Newer agents for psoriasis in adults. BMJ 2014; 349: g4026.
Sicherheitsaspekte Vitamin D und Vitamin-D-Analoga sind im Allgemeinen sicher, können aber die Serum- und Urinkalziumkonzentrationen erhöhen. So kann die Verwendung von mehr als 300 g Calcipotriolsalbe pro Woche zu schwerer Hyperkalziämie und Hyperkalziurie führen. Bei Patienten mit Kalziumstoff-
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