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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Virusinfektionen
Hemmung eines zellulären Enzyms kann virale Vermehrung bremsen
Forschende am Friedrich Miescher Institute for Biomedical Research (FMI) in Basel haben ein synthetisches Protein identifiziert, das die Aktivität eines zellulären Signalwegs dämpft, der bei Virusinfektionen eine Rolle spielt. Ihre Entdeckung könnte zur Entwicklung von Medikamenten zur Bekämpfung von Viren wie Influenza A und Zika beitragen. Wenn zum Beispiel das Grippevirus in eine Körperzelle eindringt, muss es zur Replikation sein genetisches Material freisetzen, das in einer Proteinhülle, dem sogenannten Kapsid, verpackt ist. Dazu nutzt das Virus einen Teil der molekularen Maschinerie der Zelle: An das Virus angehängt sind lose Ketten von Ubiquitin, einem Protein, das mit dem zellulären Enzym HDAC6 interagiert. HDAC6 wiederum bindet an Komponenten des Zytoskeletts und an Motorproteine, wodurch das Kapsid in Stücke zerteilt wird, damit es von der Zelle ab-
gebaut werden kann. Durch das Aufbrechen des Kapsids (uncoating) wird das genetische Material des Virus in der Zelle freigesetzt, was die virale Infektion erleichtert. Um zu testen, ob eine Störung der Interaktion von HDAC6 mit Ubiquitin eine Grippeinfektion verhindern kann, untersuchten Longlong Wang und seine Kollegen in der Matthias-Forschungsgruppe am FMI DARPins (designed ankyrin repeat proteins), eine Klasse synthetischer Proteine, die an eine Vielzahl von Zielen binden können. Die Forschenden fanden ein DARPin, das an HDAC6 bindet und dessen Bindung an Ubiquitin verhindern kann, und zwar sowohl in vitro als auch in Zellkulturen. Zellen, die dieses DARPin exprimieren, zeigten eine geringere Infektionsrate nicht nur mit dem Influenza-A-Virus, sondern auch mit dem Zika-Virus. Das Zika-Virus, das durch Mückenstiche übertragen wird, verur-
sacht eine Krankheit, die bei schwange-
ren Frauen zu Totgeburten oder Ge-
burtsfehlern wie einem unterdurch-
schnittlich grossen Kopf und Gehirn
führen kann.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass
die Bindung von HDAC6 an Ubiquitin
ein attraktives Ziel für die Entdeckung
von antiviralen Medikamenten sein
könnte, von denen es bis anhin nur sehr
wenige gibt. «Viren akkumulieren
schnell Mutationen, die zu einer Resis-
tenz gegen antivirale Medikamente füh-
ren können», sagt der Hauptautor der
Studie, Patrick Matthias. Aus diesem
Grund, so fügt er hinzu, seien Wissen-
schaftler daran interessiert, zelluläre
Signalwege wie jenen, den sein Team ins
Visier genommen habe, gezielt anzuge-
hen.
FMI/RABE s
Medienmitteilung Friedrich Miescher Institute for Biomedical Research (FMI) vom 12. Mai 2022 auf idw-online.de.
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ARS MEDICI 11 | 2022