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STUDIE REFERIERT
Antibiotische Therapie bei Halsentzündungen
Mit klinischem Score und Antigenschnelltest zu besserer Symptomkontrolle und weniger Antibiotikagebrauch
Bei Patienten mit Halsschmerzen lässt sich durch den Einsatz eines einfachen klinischen Scores allein oder in Kombination mit einem Antigenschnelltest möglicherweise die Symptomkontrolle leicht verbessern und der Antibiotikagebrauch reduzieren. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle in Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung durchgeführte britische Studie.
BRITISH MEDICAL JOURNAL
Obwohl gemäss einem Cochrane-Review der symptomatische Nutzen bei ihnen eher bescheiden ausfällt, erhalten viele Patienten mit akuter Halsentzündung immer noch eine antibiotische
Merksätze
O Obwohl der symptomatische Nutzen von Antibiotika bei akuter Halsentzündung eher gering ausfällt, werden sie immer noch häufig verschrieben.
O Durch die Anwendung eines einfachen klinischen Scores in der Hausarztpraxis lassen sich im Vergleich zum bereits häufig praktizierten verzögerten Antibiotikaeinsatz eine verbesserte Symptomkontrolle und ein insgesamt reduzierter Antibiotikagebrauch erreichen.
O Eine kombinierte Strategie aus Score und Antigenschnelltest ist von ähnlichem Nutzen, zeigte jedoch gegenüber einer alleinigen Anwendung eines klinischen Scores keine klaren Vorteile.
Therapie. Zwar lassen sich durch Antibiotika womöglich Komplikationen solcher Infektionen verhindern, sie sind allerdings ohnehin sehr selten. Unter den Atemwegsinfektionen existiert für Halsentzündungen eine Reihe kostengünstiger diagnostischer Strategien, um die Erfordernis eines Antibiotikaeinsatzes abzuklären, darunter der international am häufigsten verwendete Streptokokkenantigen-Schnelltest sowie klinische Scores, unter anderen die Centor-Kriterien zur Abklärung einer Streptokokkeninfektion, die recht häufig allein oder in Verbindung mit dem Antigentest eingesetzt werden. Allerdings existieren bis anhin kaum Daten aus Studien, die einen Vorteil des Einsatzes dieser Verfahren belegen. Sowohl die Antigentests als auch die Scores könnten im Vergleich mit empirischen Strategien wie einem verzögerten Verschreiben oder auch einem gänzlichen Verzicht auf Antibiotika das Potenzial haben, einen gezielteren Antibiotikaeinsatz zu ermöglichen, den Antibiotikagebrauch insgesamt einzudämmen, Krankheitsprogression und Komplikationen zu verhindern sowie die Symptomkontrolle zu verbessern.
Studienprotokoll Um diese Annahme zu prüfen, wurde im Rahmen der Studie PRISM (Primary Care Streptococcal Management)-Studie an 1760 mindestens 3 Jahre alten, an akuter Halsentzündung erkrankten Patienten der Grundversorgung in Südund Zentralengland eine Untersuchung im randomisiert kontrollierten Parallelgruppendesign durchgeführt. Dabei wurden die folgenden drei verschiedenen Strategien eines limitierenden beziehungsweise zielgerichteten Einsatzes von Antibiotika miteinander verglichen: O verzögerte Antibiotikaverschreibung
(Kontrollgruppe)
O Einsatz klinischer Scores zur Identifizierung einer Streptokokkeninfektion
O gezielter Einsatz eines Antigenschnelltests gemäss klinischem Score.
Im Verlauf der Untersuchung wurde der zunächst verwendete klinische Score aufgrund von Hinweisen aus anderen Studien über statistische Schwächen einzelner Variablen durch einen zweiten (FeverPAIN) ersetzt, der die folgenden Kriterien umfassen: O Fieber in den vorangegangenen 24 h O Eiterbildung O rasche Behandlung (innerhalb von
3 Tagen) O entzündete Tonsillen O kein Husten/Schnupfen.
Den Patienten in der Kontrollgruppe wurde ein Rezept über Antibiotika ausgestellt, das allerdings in der Praxis verblieb und vom Patienten nach Ablauf von 3 bis 5 Tagen abgeholt werden konnte, falls die Symptome nicht begonnen hatten, sich auf einem bestimmten Level einzupendeln oder gar schlimmer geworden waren. Dieses Vorgehen hatte sich vorab im Vergleich mit einer Nichtverschreibung von Antibiotika als ebenso effektiv zur Reduzierung des Antibiotikagebrauchs erwiesen und war mit einer niedrigeren Rate an Wiedervorstellungen assoziiert. In der Gruppe, in der der klinische Score angewendet wurde, bekamen Patienten mit hohen Scores (≥ 4) sofort und Patienten mit mittleren Werten (2–4) verzögert Antibiotika; Patienten mit niedrigen Scores (0/1) erhielten dagegen keine antibiotische Therapie. In der dritten Gruppe (klinischer Score plus Antigenschnelltest) wurde bei allen Patienten der FeverPAIN-Score eingesetzt. Patienten mit niedrigen Scores (0/1) erhielten weder Antibiotika, noch wurde ein Antigenschnelltest durchgeführt. Patienten mit einem Score von 2 wurden verzögert Antibiotika verschrieben, und bei solchen mit höheren Werten wurde in den Praxisräumlichkeiten ein Antigenschnelltest durchgeführt. Patienten mit negativem Testergebnis erhielten keine Antibiotika.
Ergebnisse Bei der Auswertung der mit dem ersten Score ermittelten Daten ergaben sich bezüglich der Schwere der Symptome,
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welche den primären Studienendpunkt darstellte, und deren Dauer sowie für den generellen Antibiotikagebrauch keine Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen. Wurden dagegen nur die Daten des zweiten Teils der Studie berücksichtigt, in dem der FeverPAINScore zum Einsatz kam, ergab sich ein anderes Bild. Wie die Analyse der Daten der 631 für die zweite Phase der Untersuchung randomisierten Patienten zeigte, lassen sich über eine relativ grosse Bandbreite von Praxen der Grundversorgung bei Halsentzündungen durch die Anwendung eines einfachen klinischen Scores, entweder allein oder in Kombination mit einem Antigenschnelltest, im Vergleich zu einem empirischen verzögerten Antibiotikaeinsatz eine leicht verbesserte Symptomkontrolle und ein insgesamt reduzierter Antibiotikagebrauch erreichen. Der durchschnittliche Wert der per individueller Einordnung auf einer 7-Punkte-Likert-Skala von den Patienten berichteten Schwere der Symptome, hier bezogen auf die Einschätzung der Entzündung und der Schluckbeschwerden an den Tagen 2 bis 4 nach Erstvorstellung, war sowohl in der Gruppe, in der der klinische Score zum Einsatz kam (-0,33, 95%-Konfidenzintervall
[KI]: -0,64 bis -0,02, p = 0,04), als auch in der Antigenschnelltestgruppe (-0,30, 95%-KI: -0,61 bis -0,00, p = 0,05) gegenüber der Gruppe mit verzögertem Antibiotikaeinsatz deutlich reduziert. Dieser Rückgang entsprach einem von drei Patienten, der seine Halsentzündung als ein leichtes anstelle eines mittelschweren Problems einschätzte. Im Vergleich mit der Kontrollgruppe hatten sich Symptome von moderater und stärkerer Ausprägung in der Gruppe mit Anwendung des klinischen Scores signifikant schneller gebessert (Hazard-Ratio [HR]: 1,30, 95%-KI: 1,03–1,63), in der Antigentestgruppe dagegen nicht (HR: 1,1, 95%-KI: 0,88– 1,40). In der Kontrollgruppe erhielten 46 Prozent der Patienten eine antibiotische Therapie. Demgegenüber war der Gebrauch von Antibiotika sowohl in der Gruppe mit klinischem Score (-29%, adjustiertes Risikoverhältnis [RR]: 0,71, 95%-KI: 0,50–0,95, p = 0,02) als auch in der Antigenschnelltestgruppe (-27%; RR: 0,73, 95%-KI: 0,52–0,98, p = 0,03) deutlich geringer ausgefallen. Keine Unterschiede ergaben sich für die Gruppen hinsichtlich der Häufigkeit von Komplikationen oder erneuten Wiedervorstellungen.
Fazit
Verglichen mit dem bereits häufig prak-
tizierten verzögerten Verschreiben von
Antibiotika lassen sich durch einen
nach Anwendung des klinischen Scores
gezielteren Einsatz einer antibiotischen
Therapie die Symptome bessern und
der Antibiotikagebrauch insgesamt
reduzieren. Eine kombinierte Strategie
aus Score und Antigenschnelltest ist
von ähnlichem Nutzen, zeigte jedoch
gegenüber einer alleinigen Anwendung
eines klinischen Scores keine klaren
Vorteile.
O
Ralf Behrens
Quelle: Little P et al.: Clinical score and rapid antigen detection test to guide antibiotic use for sore throats: randomised controlled trial of PRISM (primary care streptococcal management). BMJ 2013; 347: f5806.
Interessenkonflikte: keine deklariert
BUCHTIPP
Kommunikation im medizinischen Alltag
Das Gespräch zwischen Arzt und Patient ist das Fundament einer guten Behandlung. Patienten wollen gehört werden, wenn es darum geht, ihre Beschwerden diagnostisch einzuordnen und allenfalls zu behandeln. Diese Erkenntnis ist nicht neu, aber sie ist noch immer aktuell. In den frühen Siebzigerjahren untersuchten Experten erstmals die Gespräche zwischen Ärzten und Patienten und entdeckten dabei, dass sie häufig Defizite aufwiesen. Im Vergleich zu den Siebzigerjahren hat sich mittlerweile einiges verändert, zum Beispiel wird in der medizinischen Grundausbildung heute mehr Wert auf die Kommunikation gelegt. Dennoch zeigen Studien, dass die damals eruierten Defizite nicht einfach verschwunden sind. Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) hat dies zum Anlass genommen, durch ein Autorenteam unter Leitung von Prof. Wolf Langewitz von der
Universität Basel einen Leitfaden «Kommunikation im medizinischen Alltag» ausarbeiten zu lassen. Dieser Leitfaden soll Ärzten helfen, das Gespräch zwischen Arzt und Patient zu analysieren und zu verbessern. Er orientiert sich an aktuellen Herausforderungen im Schweizer Gesundheitswesen und versucht, anhand von Beispielen aufzuzeigen, wie Defizite behoben werden können.
Kommunikation im medizinischen Alltag
Ein Leitfaden für die Praxis
Herausgegeben von der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften
Der Leitfaden kann gratis beim Generalsekretariat der SAMW
(mail@samw.ch) bestellt werden und ist auch online abrufbar
unter www.samw.ch/de/Publikationen/Leitfaden.html
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