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ARGUS PHARMAKOTHERAPIE
Berichte, Studien, Innovationen
Stellenwert des Bronchitis Severity Score (BSS) für einen standardisierten Einsatz in klinischen Studien
Informationen über den Gesundheitszustand von Patienten mithilfe von RatingSkalen zu ermitteln, ist gängige diagnostische und therapeutische Praxis – insbesondere dann, wenn keine speziellen objektiv messbaren Kriterien existieren. Deutsche Mediziner haben nun anhand einer Literaturstudie untersucht, inwieweit der Bronchitis Severity Score (BSS) dazu taugt, die Schwere der Krankheitssymptome bei akuter Bronchitis patienten- und studienübergreifend zu erfassen und miteinander zu vergleichen.
CURRENT MEDICAL RESEARCH & OPINION
In Situationen, in denen sich eine Erkrankung nicht mittels Labor- oder bildgebender Untersuchungen sicher nachweisen lässt, muss die Diagnose allein klinisch anhand von symptombasierten Kriterien gestellt werden. Dies gilt auch für die akute Bronchitis, für die in den aktuellen Leitlinien keine speziellen diagnostischen Verfahren oder Instrumente zur Überwachung des Therapieansprechens angegeben sind. Plötzlich einsetzender Husten, Schleimproduktion und Brustbeschwerden gelten hier als richtungsweisende Symptome, vorausgesetzt andere mögliche Ursachen wie Asthma, chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Lungenentzündung, Infektionen der oberen Atemwege oder toxische Schadstoffe in der Atemluft sind auszuschliessen. Mit dem Einsatz von diversen Rating-Skalen wird auch bei akuter Bronchitis versucht, die typischen Symptome quantitativ und qualitativ zu erfassen. Die so aus verschiedenen Studien gewonnenen Daten sind allerdings nur schwer miteinander vergleichbar.
BSS – Rating-Skala zur Diagnosestellung und Therapieüberwachung Um die Auswertung der klinischen Symptome patienten- beziehungsweise studienübergreifend zu vereinheitlichen, ist der Bronchitis Severity Score (BSS) entwickelt
worden, eine Rating-Skala, die es dem Beobachter erlaubt, die fünf wichtigsten Krankheitssymptome – neben den drei bereits genannten (Husten, Schleimproduktion und Brustschmerzen) auch Rasselgeräusche bei der Auskultation und Dyspnoe – hinsichtlich ihrer Schwere auf einer Skala von 0 bis 4 (0 = nicht vorhanden, 1 = leicht, 2 =moderat, 3 = schwer, 4 = sehr schwer) einzuschätzen. Abgesehen vom Brustschmerz beim Husten, für den die subjektiven Angaben des Patienten herangezogen werden müssen, sind diese Symptome gleichermassen durch Kliniker wie praktizierende Ärzte leicht zu erkennen. Der BSSScore (max. 20 Punkte) ergibt sich aus der Summe der fünf Einzelwertungen. Seit seiner Einführung im Jahr 1969 ist der BSS in zahlreichen Studien erfolgreich eingesetzt worden. Dabei stammen die meisten Erfahrungen aus Untersuchungen mit EPs 7630, einem pflanzlichen Wirkstoff aus der Wurzel von Pelargonium sidoides, der in Deutschland zur Behandlung der akuten Bronchitis zugelassen ist und auch in mehreren anderen Ländern bei Infektionen von Hals, Nase oder Ohren eingesetzt wird. Die Validität des BSS ist kürzlich durch das European Medicines Agency’s Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) anerkannt worden.
Literaturrecherche Um die Brauchbarkeit des BSS als Instrument zur Symptombeurteilung bei akuter Bronchitis zu überprüfen, haben Heinrich Matthys, Universitätsklinikum Freiburg im Breisgau, und Wolfgang Kamin, Evangelisches Krankenhaus Hamm, zum einen eine PubMed-Literatur-Recherche (Suchbegriffe: acute bronchitis, treatment, score, BSS; Publikationsdatum April 2012 oder früher) durchgeführt und zum anderen von den Entwicklern des BSS angegebene wichtige Publikationen von klinischen Studien mit Bronchitispatienten herangezogen, in denen diese Rating-Skala verwendet wurde. Alle relevanten Arbeiten wurden hinsichtlich Autor, Studiendesign und -dauer, ein-
gesetzten Medikamenten, durchgeführten Bewertungen, Ergebnissen und statistischer Signifikanz klassifiziert. Insgesamt konnten 17 Publikationen zu Bronchitisstudien ermittelt werden, in denen der BSS verwendet worden war; in elf davon war EPs 7630, in den restlichen sechs ein anderer pflanzlicher Wirkstoff eingesetzt worden. In allen plazebokontrollierten Studien hatte sich unter Anwendung des BSS ein statistisch signifikanter Unterschied sowohl zwischen der aktiven Therapie und der Plazebobehandlung als auch zwischen unterschiedlichen Dosierungen des Verums ergeben. Der Anteil von Therapierespondern war unter den mit EPs 7630 behandelten Patienten erheblich höher als in der Plazebogruppe. Dabei waren aufgrund der subjektiven Komponenten des BSS zwar interindividuelle Unterschiede in den Ergebnissen möglich. Dennoch wurden die positiven Resultate mit dem BSS auch durch die Auswertung zusätzlich eingesetzter weiteren Rating-Skalen wie IMOS (Integrative Medicine Outcome Scale) oder IMPSS (Integrated Medicine Patient Satisfaction Scale) bestätigt, denen zufolge die Patienten mit EPs 7630 häufiger «zufrieden» oder «sehr zufrieden» waren als mit Plazebo.
Fazit
EPs 7630 hat seine Zulassung zur Behand-
lung der akuten Bronchitis in mehreren
Ländern, unter anderem in Deutschland,
auf der Basis der überzeugenden Ergebnisse
in Studien erhalten, in denen der BSS zur
Anwendung kam. Diese Ratig-Skala kann
daher als ein zuverlässiges und geeignetes
Instrument zur Überprüfung des Anspre-
chens auf jegliche Bronchitistherapie ange-
sehen werden. Mit dem BSS lässt sich die
Schwere einer akuten Bronchitis sowohl zu
Beginn als auch im Verlauf diverser Thera-
piemassnahmen überwachen, was dieses
Tool auch für den Einsatz in klinischen Stu-
dien prädestiniert. Mit ihm ist es möglich,
die Ergebnisse verschiedener Wissenschaft-
ler miteinander zu vergleichen und darüber
hinaus in Metaanalysen zusammenzufüh-
ren. Da zudem für seine Anwendung keine
aufwändigen Gerätschaften vonnöten sind,
kann der BSS auch für Feldstudien im ge-
wöhnlichen Praxissetting problemlos ein-
gesetzt werden.
O
Ralf Behrens
Mathys H, Kamin W: Positioning of the Bronchitis Severity Score (BSS) for standardised use in clinical studies. Curr Med Res Opin 2013; 29: 1383–1390.
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