Transkript
kurz & bündig
Postoperative Schmerztherapie
reicht oft nicht aus
Nach einer Appendektomie wünschte sich ein Viertel (24,8%) der Kinder mehr Schmerzbehandlung in den ersten 24 Stunden nach der OP. Nach einer Tonsillektomie waren es 20,2 Prozent. Das ergab eine Auswertung der seit 2015 geführten europäischen Datenbank PAIN-OUT infant, mit deren Hilfe das postoperative Schmerzmanagement bei Kindern verbessert werden soll. In die Studie wurden 472 Kinder nach einer Appendektomie und 466 Kinder nach einer Tonsillektomie einbezogen. Bei Kindern, die «mehr
Mittel gegen Schmerzen» wünschten, wurden häufiger schmerzbedingte Einschränkungen und Nebenwirkungen berichtet; sie erhielten postoperativ höhere Opioiddosen (durchschnittlich 81 vs. 50 µg Morphinäquivalente pro kg/ KG). Ein Vergleich der jungen Patienten bezüglich der vor und während der OP angewendeten Medikamente ergab, dass Kinder, bei denen vorsorglich eine Gabe von mindestens zwei verschiedenen Klassen von Nicht-Opioid-Analgetika (NSAR, Metamizol oder Paracetamol)
erfolgte, bei der Befragung 24 Stunden nach dem Eingriff deutlich seltener den Wunsch nach mehr Schmerzbehandlung äusserten. Damit eröffne sich möglicherweise ein Weg für eine neue Option zur Reduktion postoperativer Schmerzen bei Kindern, so die Studienautoren. RBO
Stamer UM et al.: Desire for more analgesic treatment: pain and patientreported outcome after paediatric tonsillectomy and appendectomy. Br J Anaesth. 2021; online first, Mar 5, 2021.
Mehr Kurzsichtige wegen Quarantäne
In China erfolgte wegen der Coronaviruspandemie von Januar bis Mai 2020 ein kompletter Lockdown mit Schliessung der Schulen und strengen Quarantäneauflagen. Im Juni führte man an 10 Grundschulen in Feicheng, in der Provinz Shandong im Nordosten Chinas, bei rund 120 000 Kindern im Alter von 6 bis 13 Jahren die dort seit 2015 üblichen Sehtests durch. Bei den jüngeren Kindern im Alter von 6 bis 8 Jahren fand sich ein deutlicher Anstieg der Myopie im Vergleich zu den Vorjahren (–0,3 Dioptrien). Die Myopieprävalenz erreichte im Juni 2020 den höchsten seit 2015 ermittelten Wert. Sie betrug im Juni 2020 bei den 6-Jährigen 21,5 Prozent gegenüber 5,7 Prozent bei früheren Messungen. Auch bei den 7- und 8-Jährigen zeigte sich ein ähnlicher Effekt, wenn auch in etwas geringerem Ausmass (26,2% vs. 16,2% bzw. 37,2% vs. 27,7%). Bei den älteren Kin-
dern war kein derartiger Anstieg der Myopie zu verzeichnen (1). Generell ist die Myopie in China und anderen asiatischen Ländern weiter verbreitet als in Europa. So sind in China gut 80 Prozent der 13-Jährigen kurzsichtig, während die Prävalenz in diesem Alter in Europa bei 25 Prozent liegt. Trotzdem seien die Resultate der Studie besorgniserregend, heisst es in einem Kommentar (2). Die Daten aus China dokumentierten einen früheren Beginn der Myopie infolge der langen Quarantänedauer bei einem grossen Anteil der Kinder. Diese Altersverschiebung ist klinisch relevant, weil das definitive Ausmass der Myopie im Erwachsenenalter davon abhängt. Je höher der Refraktionsfehler ist, umso höher ist auch das Risiko für schwerwiegende Komplikationen wie Netzhautablösung oder Glaukom. Dass insbesondere die jüngeren Kinder durch die Quarantäne vermehrt von Myopie betrof-
fen sind, liegt vermutlich daran, dass sie in die-
sem Alter vulnerabler gegenüber Triggern sind,
die Kurzsichtigkeit fördern, wie wenig Aufent-
halt im Freien, häufiges und langes Fokussieren
im Nahbereich (Lesen, Tablets, Smartphones
usw.). So zeigte beispielsweise eine Studie in
Sydney, dass kurzsichtige Kinder ihre Augen
pro Tag 1,5 Stunden länger im Nahbereich stra-
paziert hatten als die nicht kurzsichtigen Al-
tersgenossen. Dieser Effekt trat auch in dieser
Studie nur bei 6-Jährigen, nicht aber bei den
12-Jährigen auf (3).
RBO
1. Wang J et al.: Progression of myopia in schoolaged children after COVID-19 home confinement. JAMA Ophthalmol. 2021; published online ahead of print, 2021 Jan 14. 2. Klaver CCW et al.: 2020 as the year of quarantine myopia. JAMA Ophthalmol. 2021; published online ahead of print, 2021 Jan 14. 3. French AN et al.: Risk factors for incident myopia in Australian school-
children: the Sydney adolescent vascular and eye study. Ophthalmology. 2013;120(10):2100-2108.
Babys bevorzugen die Muttersprache
Babys können bereits im Alter von 6 Monaten Unterschiede in der Art des Sprechens wahrnehmen. Das zeigt eine kürzlich publizierte Studie mit mehreren Hundert Babys auf 4 Kontinenten. Alle Babys reagierten stärker auf die an das Kind gerichtete Art des Sprechens als auf die unter Erwachsenen übliche Ansprache. Die von vielen Erwachsenen intuitiv im Kontakt mit Babys verwendete Sprechweise zeichnet sich durch ein abwechslungsreiches Muster der Intonation, viele Wiederholungen und ein langsameres Sprechtempo mit kürzeren, einfacheren Wörtern und Sätzen aus. In der Studie kam es besonders gut bei den Babys an, wenn sie nicht
nur babygerecht, sondern auch in der Sprache angesprochen werden, die sie zu Hause überwiegend hören. In die Studie wurden 333 bilinguale und 385 monolinguale Babys in den USA, Europa, Australien und Singapur einbezogen. Jedem Baby wurden kurze Aufnahmen vorgespielt, auf denen Frauen mit ihren eigenen Babys Englisch sprachen, entweder in Babysprache oder in erwachsenengerechter Sprache. Gemessen wurde die Aufmerksamkeitsspanne der Babys, das heisst, wie lange das Kind während der Aufnahme aufmerksam zuhörte. Der wesentliche Faktor für eine längere Aufmerksamkeitsspanne
war die Übereinstimmung der Sprache auf der Aufnahme mit derjenigen, welche die Babys in ihrer alltäglichen Umgebung am meisten hörten. Beispielsweise war ein Baby, das zu Hause überwiegend Englisch hörte, bei den englischsprachigen Aufnahmen länger aufmerksam als ein Baby, bei dem zu Hause kein oder nur wenig Englisch gesprochen wurde. RBO
Byers-Heinlein K et al.: A Multilab Study of Bilingual Infants: Exploring the Preference for Infant-Directed Speech. Advances in Methods and Practices in Psychological Science. 2021. 4(1): 1-30.
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Pädiatrie 2/21