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FORTBILDUNG
PET-MR-Technologie:
Bildgebende Verfahren in der Diagnostik von Alzheimer
Ein Ziel der Alzheimer-Forschung ist die frühe Diagnose. Prof. Alexander Drzezga, Oberarzt der Nuklearmedizinischen Klinik der Technischen Universität München, arbeitet mit der neuen PET-MR-Technologie und sieht in dem bildgebenden Verfahren grosses Potenzial für die frühe Diagnostik von Alzheimer.
Psychiatrie & Neurologie: Einer Ihrer Vortragstitel hiess: «Revolutioniert die Bildgebung die Frühdiagnose bei Alzheimer?» Warum sprechen Sie von einer Revolution? Prof. Alexander Drzezga: Vielleicht ist es besser, von einer Evolution statt einer Revolution zu sprechen. In den letzten Jahren haben sich die Methoden der Bildgebung schrittweise weiterentwickelt. Das betrifft die Entwicklung neuer Instrumente, wie die sogenannte PET/MRT (Positronen-Emissions-Tomografie und Magnetresonanztomografie), und auch die Entwicklung neuer Methoden wie zum Beispiel Tracer, das heisst eine Art leicht radioaktiver Kontrastmittel für die Bildgebung molekularer Pathologien. Mit diesen Verfahren wurden in den letzten Jahren wesentliche Fortschritte in der nichtinvasiven Analyse des Gehirns in vivo erzielt, das heisst beim lebenden Menschen, ohne dass eine invasive Massnahme wie eine Gewebsentnahme notwendig ist.
Welches sind die Vorteile der Bildgebung? Alexander Drzezga: Mit bildgebenden Verfahren haben wir eine Chance, neuropathologische Vorgänge zu erkennen, bevor sich die Symptomatik in der Klinik zeigt. Das ist bei Alzheimer relevant, einer Erkrankung, bei der wir davon ausgehen, dass die Pathologie im Gehirn Jahre bis Jahrzehnte vor den ersten Symptomen auftritt, was eine frühe Diagnose erschwert. Auch eine Diagnosesicherung ist bisher an sich nur mittels einer histopathologischen Analyse des Hirngewebes post mortem möglich gewesen. Auch die Differenzialdiagnose von anderen demenziellen Erkrankungen auf der Basis der klinischen Symptomatik gelingt nicht immer zuverlässig.
Alexander Drzezga
rungen der sogenannten Amyloid-Plaques ist möglich, wie beispielsweise ([11C]PiB-PET). Amyloid-Plaques sind verklumpte Eiweissablagerungen, die man ursächlich mit der Alzheimer-Demenz in Verbindung bringt. Neue Tracer binden spezifisch an diese winzigen Ablagerungen und bringen sie somit zum «Leuchten». Das Aufleuchten eines einzelnen Plaques würden wir zwar übersehen, die Summation hingegen erlaubt eine Darstellung der Ablagerungen. Das neue Verfahren PET/MR ist ein integriertes Ganzkörper-Kamerasystem mit simultaner Aufnahmetechnik beider Verfahren, der PET und der MRT. Der Vorteil: Wir sehen nicht nur ein einzelnes Phänomen, sondern die Summe von Veränderungen, wie unter anderem das Ausmass von Atrophie und pathologischen Amyloid-Ablagerungen in einem bestimmten Gehirnareal.
Was unterscheidet die neuen PET/MR-Technologien von den früheren? Alexander Drzezga: Während die MRT gut geeignet ist, die Morphologie und damit strukturelle Veränderungen wie die Atrophie des Gehirns zu erfassen und auch andere nicht neurodegenerative Ursachen einer Demenz wie beispielsweise Tumoren, Gefässpathologien oder Entzündungen, ermöglicht die PET die empfindliche Darstellung von molekularen Vorgängen wie des Gehirnstoffwechsels ([18F]FDG-PET), der ein Mass für die Nervenzellfunktion ist. Auch die Identifizierung von bestimmten pathologischen Prozessen wie die Ablage-
Wie entscheidend sind die bildgebenden Verfahren in der Abklärung einer frühen Alzheimer-Demenz? Alexander Drzezga: Die klinische Diagnostik, beispielsweise der Alzheimer-Demenz, ist insgesamt relativ zuverlässig, insbesondere in der Hand von entsprechenden Experten. Limitationen bestehen aber in der Frühdiagnose, da die Pathologie im Gehirn wie erwähnt lange vor den eindeutigen Symptomen beginnt. Offenbar ist das Gehirn in der Lage, die Pathologie längerfristig zu kompensieren. Auch die Differenzialdiagnostik bezüglich der den Demenzerkrankungen zugrunde liegenden Pathologien kann aufgrund sich
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Abbildung: PET/MR-Untersuchung bei einem Patienten mit Alzheimer-Demenz
Obere Reihe: Schnitte in koronaler Orientierung dargestellt
Untere Reihe: Schnitte in axialer Orientierung dargestellt
Erste Spalte: [18F]FDG-PET-Befund (farbkodiert, rot bedeutet hoher Stoffwechsel, grün niedrig)
Zweite Spalte: MRT-Befund
Dritte Spalte: Fusion von PET und MRT, rechte Spalte: vergrösserte Teilaussschnitte der MRT (rote Box) und der fusionierten PET und MRT (grüne Box). Die gleichzeitige Aufnahme von PET und MRT erlaubt die exakte regionale Korrelation der beiden Befunde. Die gesamte Aufnahme kann in weniger als einer halben Stunde erfolgen.
überlappender Symptombilder teilweise unscharf sein. Die Symptomatik kann im Längsschnitt auch etwas schwanken, und insgesamt sind die Erkrankungsverläufe nicht sehr rasant. Das erschwert die Beurteilung und den Erfolg neuer Therapien oftmals sehr. Seitens der Bildgebung können einige dieser Limitationen klar überwunden werden, was einen Nutzen für eine sichere und frühe Diagnose oder für den Einschluss in bestimmte Therapiestudien haben könnte. Dabei ist die Belastung für den Patienten erfreulich gering, es ist kein invasiver Eingriff erforderlich, und die komplette Untersuchung benötigt im PET/MR-Scanner bis zum Abschluss nur rund 30 Minuten. Einschränkend muss erwähnt werden, dass die Therapiemöglichkeiten der Alzheimer-Erkrankung auch bei früher und sicherer Diagnose heute leider noch recht beschränkt sind.
Welche Erfahrungen haben Sie bis jetzt mit der neuen PET-MR-Technik gemacht? Alexander Drzezga: Bisher haben wir bereits 80 Patienten mit vermuteten Demenzerkrankungen untersucht. Die Indikationsstellung für die Untersuchung erfolgt an unserem Zentrum durch die Mitarbeiter der Psychiatrischen Klinik und Poliklinik, an der ein sehr erfahrenes Team eine renommierte Gedächtnisambulanz führt. Die Befundung erfolgt in Zusammenarbeit der Neuroradiologie und der Nuklearmedizin. Im Rahmen
wissenschaftlicher Studien evaluieren wir die Qualität der Diagnostik des PET/MR-Scanners im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren. Die Kombination von PET und MRT in einem Gerät war insbesondere darum schwierig zu realisieren, weil das Magnetfeld des MRT die PET-Elektronik gestört hatte. Erst mit einer neuen Detektortechnologie konnten diese Probleme gelöst werden. In München wurde der erste klinische integrierte Ganzkörper-PET/MR-Scanner im November 2010 aufgestellt. Mittlerweile wird das Verfahren in Deutschland auch in Tübingen, Leipzig und in Essen eingesetzt. An anderen Zentren gibt es auch andere kombinierte Varianten von PET/MR-Scannern, in denen die Geräte in einem gewissen räumlichen Abstand nebeneinander betrieben werden. Diese Geräte ermöglichen aber keine simultane Aufnahme der beiden Modalitäten.
Wie grenzt sich die PET-MR-Technologie beispielsweise vom ASL-MRI in der Diagnostik der Gehirnfunktionen ab? Alexander Drzezga: Das ASL-MRI (Arterial Spin Labeling) erlaubt eine Messung der Durchblutung des Gehirns. Es ist eine MRT-Methode, bei der das ins Gehirn zuströmende Blut mittels Hochfrequenzpulsen magnetisiert und damit als endogenes Kontrastmittel zur nichtinvasiven Beurteilung der Perfusion verwendet
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wird. Das Blut dient hier also als körpereigenener Marker für die Perfusionsmessung; diese Technik erfordert keine Kontrastmittelgabe. Erste Studien zeigen ähnliche Auffälligkeiten des Perfusionsmusters des gestörten Metabolismus wie aus der [18F]FDG-PET. Eine ASLUntersuchung kann selbstverständlich auch auf dem PET/MR-Scanner durchgeführt werden, und dieser Scanner würde sich sogar ideal eignen, um das ASLSignal simultan mit anderen etablierten PET-Methoden zu evaluieren.
Haben die bildgebenden Verfahren einen Einfluss auf die neuen Diagnosekriterien nach DSM? Alexander Drzezga: Das lässt sich bis jetzt nicht so einfach beantworten. Bis dato sind die DSM-Kriterien auf eine konkrete klinische Diagnose einer Demenz ausgerichtet und nicht auf eine frühe Diagnose einer möglicherweise ablaufenden Pathologie im Gehirn, also einer Diagnose der Alzheimer-Demenz und nicht der Alzheimer-Erkrankung. In den Entwürfen der neuen DSM-Kriterien wird aber wohl bereits eine milde Form der neurokognitiven Erkrankungen gelistet sein. Hier
wurde auch diskutiert, sogenannte unterstützende
Hinweise mit aufzunehmen, welche die Alzheimer-
Pathologie als Ursache dieser milden kognitiven Beein-
trächtigung nahelegen. Zu diesen unterstützenden
Hinweisen könnten bestimmte Mutationen, aber auch
Bildgebungs-Biomarker zählen. Zu bedenken ist, dass
der Zugang zu diesen Verfahren limitiert ist und die
Untersuchung von den Krankenkassen in Deutschland
bis jetzt nicht übernommen wird.
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Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Alexander Drzezga Heisenberg-Professor für Multimodale Bildgebung Oberarzt der Nuklearmedizinischen Klinik
Klinikum rechts der Isar Technische Universität München
Ismaninger Str. 22 D-81675 München E-Mail: a.drzezga@lrz.tum.de
Das Interview führte Annegret Czernotta
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