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STUDIE REFERIERT
Zervixkarzinom
HPV-Impfung senkt Risiko für invasive Zervixkarzinome
Aufgrund der langen Latenzdauer zwischen einer HPV-Infektion und der Entwicklung eines invasiven Zervixkarzinoms zeigte sich die Wirksamkeit der HPV-Impfung bis anhin nur in der Verminderung von Genitalwarzen und Zervixkarzinomvorstufen. Eine Studie aus Schweden belegt nun, dass auch das Risiko für Zervixkarzinome erheblich gesenkt wird.
New England Journal of Medicine
HPV-Impfstoffe wurden in Schweden 2006 zugelassen, eingesetzt wurde fast nur der quadrivalente Impfstoff, der die HPV-Typen 6, 11, 16 und 18 abdeckt. Ab 2007 wurde die HPV-Impfung vom schwedischen Staat für Mädchen und junge Frauen im Alter von 13 bis 17 Jahren unterstützt. Ab 2012 begannen ein Programm zur Gratisnachholimpfung im Alter von 13 bis 18 Jahren sowie die kostenfreie Impfung in der Schule für Mädchen im Alter von 10 bis 12 Jahren. Zum Zervixkarzinomscreening werden in Schweden Frauen im Alter von 23 bis 64 Jahren alle 3 bis 7 Jahre (je nach Alter) eingeladen. Dank des annähernd lückenlosen Personenregisters in Schweden mit einer individuellen ID-Nummer und entsprechenden nationalen Gesundheitsund Impfregistern war es den Studienautoren möglich, die Impf- und Zervixkarzinomscreeningdaten von rund 1,7 Millionen Mädchen und Frauen im Alter von 10 bis 30 Jahren zu erheben, die von 2007 bis 2017 in Schweden lebten und zuvor keine Zervixkarzinomdiagnose erhalten hatten. In Schweden galt wie überall zunächst das 3-Dosen-Impfschema, ab 2015 das 2-Dosen-Impfschema. Als geimpft galten in der Studie alle Mädchen und
Frauen, die mindestens 1 Dosis des quadrivalenten HPV-Impfstoffes erhalten hatten.
Deutliche Verminderung des Zervixkarzinomsrisikos
Von den im Studienzeitraum beobachteten insgesamt 1 672 983 Mädchen und Frauen waren 527 871 geimpft. Die kumulative Inzidenz von Zervixkarzinomen bis zum Alter von 30 Jahren betrug: s 47 Fälle auf 100 000 Frauen mit
Impfung s 94 Fälle auf 100 000 Frauen ohne
Impfung. Aus früheren Studien ist bekannt, dass eine möglichst frühe Impfung mit einem höheren Schutz vor Genitalwarzen und Zervixkarzinomvorstufen einhergeht. Deshalb wurde in der Auswertung der Impfgruppe zusätzlich der Impftermin berücksichtigt (vor dem 18. Geburtstag oder danach). Hier zeigte sich ein deutlicher Vorteil für die frühe Impfung: s 54 Fälle auf 100 000 Frauen mit
Impfung nach dem 18. Geburtstag s 4 Fälle auf 100 000 Frauen* mit
Impfung vor dem 18. Geburtstag. Nach statistischer Berücksichtigung weiterer Faktoren, die Einfluss auf das Zervixkarzinomrisiko haben können
(Alter, Bildung, Familieneinkommen, Krebserkrankungen der Mutter usw.), errechneten die Autoren folgende Risikoverminderung aufgrund der Impfung mit dem quadrivalenten Impfstoff: s Frauen, die vor ihrem 18. Geburts-
tag geimpft worden waren, hatten ein um 88 Prozent niedrigeres Zervixkarzinomrisiko im Vergleich mit den nicht geimpften Frauen (95%-Konfidenzintervall [KI]: 66– 100%). s Frauen, die nach ihrem 18. Geburtstag geimpft worden waren, hatten ein um 63 Prozent niedrigeres Zervixkarzinomrisiko im Vergleich mit den nicht geimpften Frauen (95%-KI: 25–73%). RBO s
Lei J et al.: HPV vaccination and the risk of invasive cervical cancer. N Engl J Med 2020; 383: 1340–1348.
Interessenlage: Die Studie wurde von der Swedish Foundation for Strategic Research, der Swedish Cancer Society, dem Swedish Research Council und dem China Scholarship Council finanziert; 3 der 9 Autoren deklarierten Forschungsunterstützung durch das Unternehmen MSD.
*kumulative Inzidenz bis zum 29. Geburtstag
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ARS MEDICI 22 | 2020