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STUDIE REFERIERT
Vorhofflimmern: Antiarrhythmische Kurzzeitbehandlung versus Langzeitbehandlung nach Kardioversion
In einer randomisierten offenen Studie erwies sich eine Kurzzeitbehandlung mit Flecainid zur Prävention des Wiederauftretens von Vorhofflimmern nach Kardioversion als etwas weniger wirksam im Vergleich zur Langzeitbehandlung. Für Patienten, bei denen keine Langzeittherapie möglich ist, stellt sie dennoch eine geeignete Alternative dar.
LANCET
Die elektrische Kardioversion stellt bei den meisten Patienten mit Vorhofflimmern den normalen Sinusrhythmus wieder her. Allerdings ist die Rezidivrate hoch. Antiarrhythmika reduzieren das Risiko des Wiederauftretens, können aber mit Nebenwirkungen wie einer ventrikulären Proarrhythmie verbunden sein (1). Vorhofflimmern führt zu ausgeprägten Veränderungen der atrialen Elektrophysiologie, zum sogenannten elektri-
Merksätze
❖ Eine Langzeitbehandlung mit Flecainid ist zur Prävention des Wiederauftretens von Vorhofflimmern nach einer Kardioversion wirksamer als eine kurzzeitige Behandlung.
❖ Die Kurzzeitbehandlung weist etwa 80 Prozent der Effektivität der Langzeitbehandlung auf.
❖ Die Kurzzeitbehandlung ist eine geeignete Alternative für Patienten, bei denen keine Langzeitbehandlung durchgeführt werden kann.
schen Remodelling, das in einer Verkürzung des atrialen Aktionspotenzials resultiert. Kann der Sinusrhythmus über zwei bis vier Wochen nach der Kardioversion aufrechterhalten werden, normalisiert sich das atriale Aktionspotenzial wieder. Die meisten Rezidive treten jedoch bereits in diesem Zeitraum auf. Antiarrhythmika verlängern das atriale Aktionspotenzial und verhindern so das Wiederauftreten von Flimmern im remodellierten Atrium. Nach einer Normalisierung des atrialen Aktionspotenzials – etwa vier Wochen nach der Kardioversion - ist dieser Behandlungseffekt möglicherweise nicht mehr erforderlich. Paulus Kirchhof vom Klinikum der Universität Münster und seine Arbeitsgruppe untersuchten nun in der Studie Flecainid Short-Long (Flec-SL), ob die Kurzzeitbehandlung mit dem Antiarrhythmikum Flecainid (Tambocor®) zur Rezidivprävention des Vorhofflimmerns nach einer Kardioversion vergleichbar wirksam ist wie die Langzeittherapie (1).
Methoden In die prospektive randomisierte offene Studie wurden im Zeitraum von März 2007 bis März 2010 Patienten mit persistierendem Vorhofflimmern aus 44 deutschen Zentren eingeschlossen. Nach erfolgreicher Kardioversion wurden sie drei Behandlungsarmen zugeordnet: ❖ keine Behandlung mit Antiarrhyth-
mika (Kontrollgruppe) ❖ Flecainid (200–300 mg/Tag) über
vier Wochen (Kurzzeitbehandlung) ❖ Flecainid über 6 Monate (Langzeit-
behandlung)
Als primären Endpunkt definierten die Wissenschaftler die Zeit bis zum persistierenden Vorhofflimmern oder den Tod. Die Analyse erfolgte per Proto-
koll. Die Evaluierung der Endpunkte wurde verblindet vorgenommen.
Ergebnisse Zunächst wurden 635 Patienten randomisiert auf die Behandlungsarme verteilt. Von diesen wurden 34 von der Analyse ausgeschlossen. Bei den meisten Patienten lag keine strukturelle Herzerkrankung vor. Eine erste Auswertung der Daten von 242 Patienten nach 4 Wochen zeigte, dass die Behandlung (Kurzzeit- und Langzeitbehandlung) mit Flecainid wirksamer war als die Unterlassung einer Therapie (Kontrollgruppe). Im Studienverlauf trat der primäre Endpunkt des persistierenden Vorhofflimmerns bei 120 (46%) der Patienten unter der Kurzzeitbehandlung und bei 103 (39%) der Patienten unter der Langzeitbehandlung ein. Todesfälle wurden nicht beobachtet. Die Differenz der durchschnittlichen prozentualen Anteile der Patienten, bei denen kein erneutes Vorhofflimmern auftrat, betrug 7,9 Prozent in der KaplanMeier-Abschätzung. Eine Nichtunterlegenheit der Kurzzeitbehandlung konnte somit nicht gezeigt werden (p = 0,2081).
Diskussion und Kommentar In der Studie Flec-SL kamen die Wissenschaftler zum Schluss, dass eine kurzzeitige antiarrhythmische Behandlung bei Patienten, bei denen das elektrische Remodelling eine wichtige Rolle im Hinblick auf das Wiederauftreten von Vorhofflimmern spielt, weniger wirksam ist als eine Langzeitbehandlung. Allerdings konnten mit der Kurzzeitbehandlung etwa 80% der sechsmonatigen Wirksamkeit einer Langzeitbehandlung erreicht werden, und die Verbesserung der Lebensqualität nach Kardioversion war in beiden Gruppen vergleichbar (1). Die Langzeitbehandlung scheint für die meisten Patienten die beste Option zu sein. Die Kurzzeitbehandlung könnte nach Meinung der Autoren jedoch eine geeignete Alternative für Personen darstellen, die sich nicht für eine Langzeitbehandlung eignen. Dazu gehören Patienten mit erhöhtem Risiko für eine ventrikuläre Proarrhythmie oder Personen mit einem geringen Risiko für ein Wiederauftreten des Vorhofflimmerns (1).
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STUDIE REFERIERT
In einem Kommentar in derselben Ausgabe des «Lancet» weisen Alan John Camm und Irene Savelieva vom Department of Cardiological Sciences der St George’s University of London nochmals auf die Toxizitäten in Verbindung mit Antiarrhythmika hin. Diese sind so ausgeprägt, dass die klinische Anwendung weitgehend vom Nebenwirkungsprofil determiniert wird (2). Die Kurzzeitbehandlung stellt möglicherweise eine wirksame Strategie zur Reduzierung dieser Problematik dar. Eine kurzfristige Aufrechterhaltung des Sinusrhythmus und die durch Flecainid induzierte Chance zur Rückbildung des
Remodellings können mit einer lang-
fristigen antiarrhythmischen Wirksam-
keit verbunden sein. Dieser Effekt
wurde in klinischen Studien beobach-
tet. Eine Langzeitbehandlung ist nach
Ansicht der Kommentatoren jedoch er-
forderlich, wenn die Rückbildung des
Remodellings nicht alle Veränderungen
des Atriums, die zum ersten Auftreten
des Vorhofflimmerns geführt hatten,
ausgleichen kann. Dies ist beispiels-
weise bei strukturellen Herzerkrankun-
gen, autonomen Aberrationen sowie
bei inflammatorischen oder toxischen
Effekten der Fall (2).
❖
Petra Stölting
Quellen: 1. Paulus Kirchhof et al.: Short-term versus long-term
antiarrhythmic drug treatment after cardioversion of atrial fibrillation (Flec-SL): a prospective, randomized, open-label-blinded endpoint assessment trial. Lancet 2012; 380: 238–246. 2. John A Camm, Irene Savelieva: The long and short of antiarrhythmic drug treatment. Lancet 2012; 380: 198–200.
Interessenkonflikte: 1. Drei der zwölf Autoren haben ausserhalb der Flec-SL-
Studie Honorare von MEDA Pharma erhalten. 2. Beide Autoren arbeiten in verschiedenen Funktionen
für mehrere Pharmaunternehmen.
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