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STUDIE REFERIERT
Vorhofflimmern: primär keine Antiarrhythmika!
Ergebnisse der AF-CHF-Studie
Eine medikamentöse antiar-
rhythmische Behandlung ist bei
Patienten mit Herzinsuffizienz und
Vorhofflimmern routinemässig
nicht angezeigt. Das bestätigt die
Atrial-Fibrillation-and-Congestive-
Heart-Failure-(AF-CHF-)Studie,
deren Ergebnisse im vergangenen
Jahr im «New England Journal of
Medicine» publiziert wurden.
NEW ENGLAND JOURNAL OF MEDICINE
Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz sind zwei Herzerkrankungen, die mit einer hohen Morbidität und Mortalität einhergehen – und zu allem Überfluss fördern sie sich gegenseitig auch noch in ihrer Entstehung. Vorhofflimmern kann zu Herzinsuffizienz führen, diese wiederum kann ein Vorhofflimmern hervorrufen. Etwa 10 bis 50 Prozent der herzinsuffizienten Patienten haben gleichzeitig ein Vorhofflimmern. Angesichts der ungünstigen Prognose liegt es nahe zu versuchen, die Arrhythmie durch elektrische Kardioversion oder medikamentös mit Antiarrhythmika in den Sinusrhythmus zurückzuführen. Allein das Unterfangen erweist sich als besonders schwierig, da Herzinsuffiziente Antiarrythmika oft schlecht vertragen. Aufgrund bisheriger Studiendaten wird eine
Antiarrhythmikatherapie bei Vorhofflimmern auch im Allgemeinen nicht routinemässig empfohlen.
Studie mit fast 1400 Teilnehmern Die AF-CHF-Studie hat diese Einschätzung nun auch für Patienten mit Herzinsuffizienz und linksventrikulärer Funktionsstörung bestätigt. An der internationalen Multizenterstudie nahmen 1376 Patienten teil. Alle wiesen Vorhofflimmern und eine Herzinsuffizienz mit einer linksventrikulären Auswurffraktion von unter 35 Prozent auf. Eine Hälfte wurde der «Puls»-Kontrollgruppe zugeteilt. Die Patienten wurden auf Betablocker und Digitalis in der individuell erforderlichen Dosierung eingestellt. Ziel der Behandlung war eine Ruhefrequenz von unter 80 Schlägen pro Minute und ein Puls von unter 110 Schlägen pro Minute nach sechsminütigem Gehtest – ermittelt jeweils anhand eines Elektrokardiogramms. Die «Rhythmus»-Gruppe unterzog sich hingegen einer aggressiven Behandlung mit Antiarrhythmika. Wenn es nicht innert sechs Wochen gelang, die Patienten in den Sinusrhythmus zu überführen, erfolgte die elektrische Kardioversion. Medikament der Wahl war Amiodaron, aber auch Sotalol oder Dofetilid waren erlaubt. Patienten beider Behandlungsgruppen kamen im übrigen in den Genuss der üblichen Herzinsuffizienztherapie.
Kein Vorteil durch Antiarrhythmika Als primärer Studienendpunkt war kardiovaskulärer Tod festgelegt worden. Die Patienten waren durchschnittlich über einen Zeitraum von 37 Monaten, also gut
drei Jahre, beobachtet worden. Während dieser Zeit verstarben 182 Patienten (27%) in der «Rhythmus»-Kontrollgruppe» gegenüber 175 (25%) in der «Frequenz»Kontrollgruppe» – mit anderen Worten: Die antiarrhythmische Therapie brachte überhaupt keinen Vorteil. Stattdessen mussten die Patienten sogar öfter hospitalisiert werden. Wenig erfreulich fiel auch das Bild bei den vordefinierten sekundären Studienendpunkten aus: Hinsichtlich Gesamtmortalität, Schlaganfallrate und Verschlechterung einer Herzinsuffizienz ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Therapiegruppen. Fazit der Autoren: Die Kontrolle der Herzfrequenz sollte auch bei herzinsuffizienten Patienten mit Vorhofflimmern das primäre Vorgehen darstellen. Sie weisen darauf hin, dass die Ergebnisse aber nicht automatisch auf Patienten mit Herzinsuffizienz und erhaltener linksventrikulärer Funktion übertragbar seien. Ein Grund für den ausbleibenden Erfolg könnte die Toxizität der Antiarrythmika sein. Für das hauptsächlich eingesetzte Amiodaron war in früheren Studien allerdings kein Überlebensnachteil dokumentiert worden. Im Lauf der AF-CHFStudie nahm die Zahl der mit Amiodaron Therapierten aber ab, sei es aufgrund von Unwirksamkeit oder aber wegen Unverträglichkeit. 21 Prozent der Patienten wechselten von der «Rhythmus»Gruppe zur «Puls»-Gruppe, weil sich unter den Antiarrhythmika kein Sinusrhythmus einstellte.
Merksätze
■ Bei herzinsuffizienten Patienten mit Vorhofflimmern ist die primäre Strategie die Einstellung der Herzfrequenz mit Digitalis/Betablockern.
■ Die Überführung in einen Sinusrhythmus mit Amiodaron ist zumeist nicht erfolgversprechender.
126 ARS MEDICI 3 ■ 2009
Die Studienautoren halten es für mög-
lich, dass das Vorhofflimmern vor allem
einen Marker darstellt, der eine schlechte
Prognose der Herzinsuffizienz anzeigt.
Das eigentliche Problem sei die einge-
schränkte Ventrikelfunktion, die neuro-
hormonelle Aktivierung und die Ent-
zündungsvorgänge, während dem Vor-
hofflimmern womöglich gar keine
eigenständige Bedeutung für den «out-
come» zugeschrieben werden könne.
Diese Auffassung teilen auch die Edito-
rialisten Michael E. Cain und Anne B.
Curtis. Sie gehen allerdings davon aus,
dass ein Sinusrhythmus besser für die
Patienten wäre. Um diesen zu erzielen,
fehlten aber momentan die geeigneten
Medikamente. Möglicherweise könnte
sich das Katheterablationsverfahren als
eine bessere Alternative erweisen. Ent-
sprechende Vergleichsstudien zur Wirk-
samkeit von Antiarrhythmika und Abla-
tion sind im Gang. Nach Meinung der
Editorialisten sollte es bei diesen Unter-
suchungen nicht nur um die Frage
gehen, wie oft es gelingt, einen Sinus-
rhythmus herzustellen und die Sym-
ptome zu beseitigen, ebenso wichtig sei
es, Mortalitäts- und Morbiditätsraten
miteinander zu vergleichen. Nicht zu-
letzt müsse auch für die Katheterabla-
tion erst noch gezeigt werden, dass sie
es mit der schlichten Einstellung der
Herzfrequenz aufnehmen könne. Dieses
Vorgehen sei derzeit eine durchaus
brauchbare und zudem kosteneffektive
Strategie.
■
Denis Roy, et al.: Rhythm control versus rate control for atrial fibrillation and heart failure. N Engl J Med 2008; 358: 2667—2677.
Michael E. Cain, Anne B. Curtis: Rhythm control in atrial fibrillation — one setback after another. N Engl J Med 2008; 358: 2725—2727.
Uwe Beise
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