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KONGRESSBERICHT
Hyper- oder atrophe Narbe und Keloid
Prophylaxe unschöner Narben
In welcher Richtung soll die dermatochirurgische Exzision an den Extremitäten oder am Rumpf durchgeführt werden, um die beste Wundheilung zu erreichen? Zu dieser und anderen Fragen der Prophylaxe unschöner Narben nahm Dr. André Skaria, Centre de dermatochirurgie, Vevey, an der gemeinsamen Fortbildung der Dermatologischen Kliniken Bern, Basel und Zürich, «Licht- und Schattenseiten dermatologischer Behandlungen», Stellung.
Während die Keloidbildung stark von familiären Faktoren abhängt, ist bei hypertrophen Narben keine genetische Prädisposition bekannt. Nach Verbrennungen kommt es oft zu hypertrophen Narben. Umgekehrt gibt es Hinweise, dass Rauchen das Risiko von hypertrophen Narben reduziert. Im Bereich von Dekolleté und Schultern ist das Risiko von pathologischen Narben erhöht. Bedingt durch den Zug auf die Wunde, neigen Narben am Dekolleté, über den Gelenken und am Rücken zur Hyper- oder Atrophie. Bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter zwischen 2 und 22 Jahren kommt es gehäuft zur Entwicklung hypertropher oder atropher Narben. Weil das Hypertrophierisiko bei älteren Patienten immer geringer wird, sollten dermatochirurgische Eingriffe so lang als möglich hinausgeschoben werden. Zur Vermeidung pathologischer Narbenbildung sollte bei dermatochirurgischen Eingriffen auf die korrekte Nahttechnik und auf geeignetes Nahtmaterial geachtet werden. Hämatome sollten vermieden werden, ebenso zu extensives Koagulieren, da Verbrennungen hypertrophe Narben provozieren können.
Runde Exzision statt Spindelexzision
Bei 10 bis 30 Prozent der jungen Männer und bei 20 bis 40 Prozent der jungen Frauen bestehe eine Hypermobilität der Gelenke (im Beighton-Score mehr als 4 von total 9 Punkten). Personen mit Hypermobilität der Gelenke und mit vermehrter Hautelasti-
Regeln für die Narbenprophylaxe
s Keine dermatochirurgischen Eingriffe in der prästernalen Region, ausser bei absoluter Notwendigkeit.
s Keine dermatochirurgischen Eingriffe bei Patienten mit Keloidanamnese. s Bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 2 und 22 Jahren
wegen des erhöhten Risikos, hypertrophe oder atrophe Narben zu entwickeln, dermatochirurgische Eingriffe möglichst lange hinausschieben (bis zum Alter von mindestens 25 Jahren). s Inzision/Exzision in der Richtung des stärksten Zugs während der Bewegung (BEST-Linien) erlaubt Wundverschluss unter geringstem Zug. (nach Dr. André Skaria)
zität wiesen eine Tendenz zu atrophen Narben auf. Deshalb sollten bei Kindern und jungen Erwachsenen mit Hypermobilität, zum Beispiel anlässlich von Nävusexzisionen, keine Spindelexzisionen, sondern kreisrunde Exzisionen durchgeführt werden, so der Referent. Weil sich die Narbe ohnehin erweitere, resultiere bei runder Exzision eine atrophe Narbe von zum Beispiel lediglich 1 cm statt von 3 cm Länge wie bei der bis anhin üblichen Spindelexzision.
BEST-Linien geben neu die Exzisionsrichtung vor
Weil mechanischer Zug bei der Wundheilung eine wichtige Rolle spielt, müssen die Inzisions- beziehungsweise Exzisionslinien korrekt in der Richtung des stärksten Zugs während der Bewegung gewählt werden. Bei Mäusen konnte im Tierversuch gezeigt werden, dass linearer Zug auf die Wunde zur Annäherung der Wundränder führt, wobei der Zug, der im rechten Winkel auf die Wunde einwirkt, minimiert wird. Die Langer-Linien (von Karl Langer 1861 publiziert) seien obsolet, so der Referent. Diese Linien seien an Kadavern ohne vitalen Zug bestimmt worden. Aufgrund neuer Untersuchungen, die im Rahmen von dermatochirurgischen Exzisionen mit einem computerisierten Tensiometer durchgeführt wurden, konnten optimale Exzisionslinien mit geringstem Zug auf die Wunde festgelegt werden (1). Diese neuen Exzisionslinien werden als BEST-Linien (Biodynamic Excisional Skin Tension lines) bezeichnet. Die BEST-Linien verlaufen (1): s am Skalp in horizontaler beziehungsweise korona-
ler Richtung s an Hals und Nacken in vertikaler Richtung s am Rumpf in horizontaler Richtung, ausser in der
Skapularegion, wo sie schräg verlaufen s an den Extremitäten in vertikaler Richtung. s
Alfred Lienhard
Referenz: 1. Paul SP: Biodynamic excisional skin tension lines for surgical excisions: untangling
the science. Ann R Coll Surg Engl 2018; 100: 330–337.
Quelle: Vortrag «Prävention und Behandlung unschöner Narben» von Dr. André Skaria an der gemeinsamen Fort- und Weiterbildung der Dermatologischen Kliniken Bern, Basel und Zürich, 23. Mai 2019, in Bern.
24 SZD 5/2018