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EULAR
JAK-Inhibitoren, Biologika und Biosimilars
«Wind of Change» in der RA-Therapie
In naher Zukunft ist neben Tofacitinib und Baricitinib mit einer Reihe weiterer JAK-Inhibitoren zur Behandlung von Patienten mit rheumatoider Arthritis zu rechnen. Gleichzeitig machen Biosimilars den Biologika-Originalprodukten zunehmend das Leben schwer. In der Rheumatologie wehe eben derzeit der «Wind of Change», meinte am diesjährigen EULAR-Kongress in Madrid der Rheumatologe Prof. Gerd Rüdiger Burmester aus Berlin (D).
Was wurde in 25 Jahren Biologikatherapie für die Patienten mit rheumatoider Arthritis erreicht? Mit einer sofortigen Therapie und der Anwendung einer Treat-to-Target-Strategie lassen sich normalerweise Gelenkschäden komplett vermeiden. Trotzdem erreichen auch heute nur rund 50 Prozent der behandelten Patienten eine komplette Remission (1). Zudem sei ein Verzicht auf die medikamentöse Therapie bei
KURZ & BÜNDIG
JAK-Inhibitoren:
Mehrere JAK-Inhibitoren haben bereits eine Zulassung (Tofacitinib, Baricitinib) oder befinden sich derzeit in klinischer Prüfung (Filgotinib, Upadacitinib und Peficitinib).
Der therapeutische Erfolg der JAK-Inhibitoren unterstreicht die pathogenetische Potenz der Zytokine im entzündlichen Prozess.
Die klinische Effektivität wurde demonstriert in Mono- und Kombinationstherapie mit verschiedenen anderen Medikamenten.
Das allgemeine Sicherheitsprofil scheint sich nicht von dem der Biologika zu unterscheiden, aber: Spezielle Sicherheitsfragen bezüglich Herpes zoster, Thrombosen und Komorbiditäten bleiben.
Biosimilars:
Bisher wurde eine signifikante Zahl von Biologika-Biosimilars entwickelt.
Die Entwicklung und Prüfung von Biosimilars sind strengen Kriterien unterworfen.
Dem Wechsel auf Biosimilars sollte eine intensive Diskussion zwischen Arzt und Patienten vorausgehen.
Durch solche Wechsel sind sehr substanzielle Einsparungen möglich.
Die Regularien zum Einsatz von Biosimilars sind von Land zu Land unterschiedlich.
Verschiedene praktische Fragen bleiben zu klären.
dauerhafter Erhaltung der Remission (was einer kompletten Heilung entspricht) bei seropositiven Patienten nur sehr selten möglich, erklärte Burmester: «Deshalb existiert immer noch ein grosses Bedürfnis nach neuen therapeutischen Strategien.»
Abschied von der Biologika-Ära?
Was sind die Vor- und Nachteile der Biologika? Günstig, so Burmester, seien die hohe Spezifität, wenig Nebenwirkungen und ein gutes Sicherheitsprofil sowie die lange Halbwertszeit. Nachteile seien der komplexe Wirkmechanismus, eine schwierige Dosisfindung, die parenterale Darreichungsform, teure Herstellungsprozesse und mögliche Anti-Drug-Antikörperbildungen. Wird man sich wegen solcher Probleme von den Biologika verabschieden müssen? «Ich persönlich glaube das nicht. Biologika werden bleiben und sind für uns sehr wichtig. Aber wir sind sehr froh, noch weitere Medikamente mit völlig anderen Wirkmechanismen zu haben.» Ein solcher alternativer Mechanismus ist die intrazelluläre Hemmung der Januskinase (JAK), einem Enzym, das innerhalb der Zellen eine wichtige Funktion bei der Signaltransduktion wahrnimmt (2). Bindet extrazellulär ein Zytokin an seinen Rezeptor, nehmen die Januskinasen dieses Signal intrazellulär wahr und geben es an ein anderes Molekül weiter. Dieses kann im Zellkern die Transkription von Genen aktivieren, zum Beispiel für proinflammatorische Zytokine, was wiederum eine Kaskade von entzündungsfördernden Prozessen auslöst. Januskinasen treten nur als Tandem auf, das heisst, aus den vier Proteinen JAK1, JAK2, JAK3 und TYK2 (Tyrosinkinase 2) bilden jeweils zwei ein Duo, das spezifisch für bestimmte Zytokinrezeptoren ist. Auch bei der rheumatoiden Arthritis werden Zytokine über den JAK-Signalweg aktiviert, beispielsweise die Interferone (IFN) α und β oder eine ganze Reihe von Interleukinen (IL). JAK-Inhibitoren konkurrieren nun beispielsweise um ATP-Bindungsstellen der unterschiedlichen Januskinasen und verhindern so spezifisch deren Aktivierung (3).
Zwei JAK-Inhibitoren bei RA in der Schweiz zugelassen
In der Schweiz sind für die Behandlung von Patienten mit mittelschwerer bis schwerer aktiver rheumatoider Arthritis (RA), nach vorheriger gescheiterter Behandlung mit DMARD, bis
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anhin zwei JAK-Inhibitoren zugelassen: Tofacitinib (Xeljanz®) und Baricitinib (Olumiant®). Tofacitinib hat zudem die Zulassung zur Therapie von aktiver Psoriasis-Arthritis in Kombination mit einem konventionellen synthetischen DMARD. Daneben befinden sich mit Filgotinib, Upadacitinib und Peficitinib weitere JAK-Inhibitoren in klinischer Prüfung. Was gibt es Neues von diesen «small molecules»? In einer Publikation wurden unlängst die Langzeitdaten für den Einsatz von Tofacitinib vorgestellt (4). Danach erwiesen sich sowohl das Sicherheitsprofil sowie auch die Effektivität des JAK-Inhibitors sowohl in Mono- als auch Kombinationstherapie über 9½ respektive 8 Jahre nach den Worten von Burmester als «sehr stabil». Auch Baricitinib war in Studien sowohl in Mono- als auch in Kombination mit MTX einer MTX-Monotherapie signifikant überlegen. Auffallend dabei war – wie bei allen JAK-Inhibitoren – der schnelle Wirkeintritt, der teilweise unter einer Woche lag. Als eine sehr wichtige Arbeit bezeichnete Burmester eine Studie aus dem Jahr 2017, in der bei Patienten, deren MTX-Therapie gescheitert war, Baricitinib mit Plazebo respektive Adalimumab verglichen wurde (6). Dabei zeigte sich der JAK-Inhibitor dem TNF-alpha Hemmer überlegen, so Burmester. Allerdings war die Baricitinib-Behandlung mit einer Reduktion der Neutrophilen und einem Kreatinin- und LDL-Cholesterin-Anstieg verbunden. Auch Upadacitinib wurde gegen Adalimumab getestet. Während sich bei der ACR20-Response keine signifikanten Unterschiede zeigten, war der JAK-Inhibitor hinsichtlich der DAS-CRP<2,6-Kriterien (Remission, das heisst, der Patient hat keine Beschwerden mehr, und die Erkrankung ist zum Stillstand gekommen) dem TNF-alpha-Hemmer signifikant überlegen (28,7 vs. 18,0%). Dagegen erwies sich die Kombination Tofacitinib/MTX der Kombination Adalimumab/ MTX als ebenbürtig (ACR: 46 vs. 44%), während die Tofacitinib-Monotherapie (38,3%) sowohl gegenüber der Tofacitinib/MTX-Kombination als auch der Anti-TNF/MTXKombinationen in dieser Untersuchung schlechter abschnitt, wie der Berliner Rheumatologe (7) berichtete. So oder so: Die entsprechende ORAL-Strategy-Studie sei ein Meilenstein in der Entwicklung von JAK-Inhibitoren gewesen. Signifikante Verbesserungen für RA-Patienten, deren vorherige Therapien mit Biologika gescheitert waren, zeigte auch der neue JAK-Inhibitor Filgotinib. Auch er könnte deshalb in Zukunft eine weitere Therapieoption sein (8). Schliesslich steht auch Peficitinib in den Startlöchern; die Substanz zeigte in Phase-III-Studien gegenüber Plazebo signifikante Vorteile. Eine unverblindete Studie mit Etanercept sei jedoch kein echter Vergleich, da die Teilnehmer von vornherein wussten, womit sie behandelt wurden, so der Experte. Thrombosegefahr bei zu hoher Dosierung Die grosse Langzeitstudie ORAL Sequel mit rund 4500 RAPatienten ist bis anhin die ausführlichste Untersuchung zur Sicherheit und Verträglichkeit eines JAK-Inhibitors (9). Dabei zeigte sich nach 114 Monaten Behandlung mit Tofacitinib, dass das Sicherheitsprofil dem der bisherigen Studien der Phasen I, II und III entsprach. Die Inzidenzraten (Anzahl Patienten mit Ereignissen pro 100 Patientenjahre) für wichtige Nebenwirkungen waren: 3,4 für Herpes zoster (Burmes- ter: «ein Signal quer durch alle JAK-Inhibitoren»), 2,4 für ernsthafte Infektionen, 0,8 für Malignitäten ohne Non-Melanoma-Hautkrebs, 0,4 für schwere kardiovaskuläre Ereignisse und 0,3 für Gesamtmortalität. Die Sicherheitsdaten von Baricitinib zeigten auf der Basis von rund 3500 RA-Patienten bei einer Dosierung von 4 mg im Vergleich zu 2 mg oder Plazebo ebenfalls mehr Herpes-zoster-Fälle (10). Zudem traten in beiden Dosierungen im Vergleich zu Plazebo mehr tiefe Beinthrombosen respektive Lungenembolien auf (0,5 pro 100 Patientenjahre). Keine Unterschiede zu 2 mg oder Plazebo wurden hinsichtlich Mortalitätsraten, Therapieabbrüchen, Malignitäten, schwerer kardiovaskulärer Ereignisse oder ernsthafter Infektionen festgestellt. Für Gesprächstoff sorgten Daten, nach denen bei einer verdoppelten TofacitinibDosierung (2 × 10 mg pro Tag) auffällig mehr Lungenembolien und Todesfälle als unter empfohlener Dosierung (2 × 5 mg) aufgetreten waren. Aus diesem Grund riet die European Medicine Agency (EMA) dazu, die vorgeschriebene Dosierung von 2 × 5 mg bei RA-Patienten nicht zu überschreiten. Wenig Biosimilars in der Schweiz «Auch die Biosimilars sind ein Teil des «Wind of Change», der die Rheumatologie umweht», sagte Burmester. Heute existieren solche «Nachahmerprodukte» für Infliximab (In- flectra®, Remsima®, Infimab®, Flixabi®, Renflexis®), Adali- mumab (Amgevita®, Amjevita®, Cylcezo®, Hulio®, Hyri- moz®, Idacio® Imraldi®, Hadlima®) Etanercept (Benepali®, Brenzys®, Erelzi®) und Rituximab (Truxima®, Riximyo®, Ri- xathon®). In einem unlängst erschienenen Review wird noch einmal die signifikante Kosteneinsparung durch den Biosimi- lareinsatz und damit der bessere Zugang für mehr Menschen zu diesen Medikamenten hervorgehoben (11). Dabei haben randomisierte Untersuchungen ebenso wie Beobachtungsstu- dien gezeigt, dass die Sicherheit und Wirksamkeit eines Wechsels vom Originalprodukt auf ein Biosimilar gewähr- leistet ist. Aus diesem Grund unterstützen viele Fachgesellschaften den Wechsel zu den Biosimilars. Im Mai 2019 lies die Regierung der kanadischen Provinz British Colombia verlauten, man plane, so viele wie möglich der rund 20 000 Rheuma- und Diabetespatienten, die derzeit mit Originalpräparaten (Re- micade®, Enbrel® und das Insulin Lantus®) behandelt wer- den, auf billigere Nachahmerprodukte umzustellen. Dies würde in drei Jahren rund 97 Millionen kanadische Dollar (72 Mio. US-$) einsparen. Das alles sei eine sehr spannende Entwicklung, so Burmester. In Europa ist der Einsatz von Biosimilars, für den insgesamt Milliardeneinsparungen ge- schätzt werden, sehr unterschiedlich. Während gemäss einer 2018 publizierten Analyse skandinavische Länder wie Däne- mark, Norwegen oder Finnland die Anti-TNF-Originalpro- dukte bereits zu 60 bis 90 Prozent ersetzt haben (gemessen in «biosimilar treatment days»), liegen Länder wie Italien, Spa- nien, Deutschland oder Frankreich bei rund 20 Prozent. Schlusslicht ist die Schweiz mit unter 2 Prozent (12). L Klaus Duffner Quelle: WIN-Session «The wind of change in RA» beim Jahreskongress der European League against Rheumatism (EULAR) 2019, am 14. Juni 2019 in Madrid. CongressSelection Rheumatologie | September 2019 9 EULAR Referenzen: 1. Burmester GR et al.: Novel treatment strategies in rheumatoid arthritis. Lancet 2017; 389: 2328–2348. 2. Mavers M et al.: Intracellular signal pathways: potential for the- rapies. Curr Rheumatol 2009; 11(5): 378–385. 3. Chay EH et al.: Clinical significance of Janus Kinase inhibitor sel- ectivity. Rheumatology 2019; 58(6): 953–962. 4. Wollenhaupt J et al.: Safety and efficacy of tofacitinib for up to 9.5 years in the treatment of rheumatoid arthritis: final results of a global, open-label, long-term extension study. Arthritis Res Ther 2019; 21(1): 89. 5. Taylor PC et al.: Baricitinib versus Placebo or Adalimumab in Rheumatoid Arthritis. N Engl J Med 2017; 376: 652–662. 6. Fleischmann R et al.: A Phase 3, Randomized, Double-Blind Study Comparing Upadacitinib to Placebo and to Adalimumab, in Patients with Active Rheumatoid Arthritis with Inadequate Response to Methotrexate. Arthritis Rheumatol 2018; 70(10); pres. at ACR 2018. 7. Fleischmann R et al.: Efficacy and safety of tofacitinib monotherapy, tofacitinib with methotrexate, and adalimumab with methotrexate in patients with rheumatoid arthritis (ORAL Strategy): a phase 3b/4, double-blind, head-to-head, randomised controlled trial. Lancet 2017; 390(10093): 457–468. 8. Genovese M et al.: Safety and Efficacy of Filgotinib in a Phase 3 Trial of Patients with Active Rheumatoid Arthritis and Inadequate Response or Intolerance to Biologic Dmards Arthritis Rheumatol 2018; 70 (Abstract: L06). 9. Wollenhaupt J et al.: Safety and efficacy of tofacitinib for up to 9.5 years in the treatment of rheumatoid arthritis: final results of a global, open-label, long-term extension study Arthritis Research & Therapy 2019; 21: 89. 10. Smolen JS et al.: Safety Profile of Baricitinib in Patients with Active Rheumatoid Arthritis with over 2 Years Median Time in Treatment. J Rheumatol 2019; 46: 7–18. 11. Edwards C et al.: Switching to biosimilars: current perspectives in immune-mediated inflammatory diseases. Expert Opinion on Biological Therapy 2019; 6: 1–14. 12. health_glance_eur-2018-en.pdf. 10 CongressSelection Rheumatologie | September 2019