Transkript
STUDIE REFERIERT
Reizdarm
Mit Glutaminsupplementen gegen postinfektiöse Beschwerden
Die bis anhin verfügbaren medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten bei diarrhöprädominantem Reizdarmsyndrom sind begrenzt und wenig effektiv. Dies gilt insbesondere für Patienten, bei denen diese Beschwerden durch Darminfektionen verursacht sind. Hier erbrachte eine Nahrungsergänzung mit Glutamin in einer aktuellen Studie vielversprechende Resultate.
Gut
Das mit Diarrhö assoziierte Reizdarmsyndrom (IBS-[irritable bowel syndrome-]D) ist gekennzeichnet durch Unterleibsschmerzen, Stuhldrang, Blähungen und weichen, wässrigen Stuhl ohne Anzeichen einer entzündlichen, strukturellen oder stoffwechselbedingten Anomalität. Pharmakologische Optionen zur Behandlung des IBS-D beschränken sich auf die Gabe von verschiedenen Substanzen wie etwa Rifaximin oder Eluxadolin, welche die Durchfallbeschwerden sowie die Schmerzen lindern sollen, sie sind aber insgesamt nur unbefriedigend wirksam. Für Patienten, welche nach einer Darminfektion ein IBS-D mit intestinaler Hyperpermeabilität entwickeln, existieren bis anhin überhaupt keine zugelassenen medikamentösen Therapien. Es ist bekannt, dass ein Mangel an intestinalem Glutamin bei Patienten mit Darmverletzungen zu einer erhöhten intestinalen Permeabilität führt, welche durch die Zufuhr von oralem Glutamin wieder normalisiert werden kann. Im Rahmen einer randomisierten, doppelblinden, plazebokontrollierten Studie (RCT) wurden nun die Wirksamkeit und die Sicherheit einer oralen Glutamintherapie bei Patienten mit IBS-D und erhöhter intestinaler Permeabilität nach Darminfektion untersucht. Die Studienteilnehmer erhielten über acht Wochen entweder 3-mal täglich 5 g Glutamin (n = 54) oder Plazebo (n = 52). Primärer Endpunkt war eine Verbesserung des Ergebnisses des Scores im
IBS-SS (Irritable Bowel Syndrome Severity Scoring System) um mindestens 50 Punkte. Als sekundäre Endpunkte fungierten neben den IBS-SS-Rohwerten Veränderungen der täglichen Darmbewegungsfrequenz, die Stuhlbeschaffenheit (gemäss Bristol Stool Scale) sowie die intestinale Permeabilität.
Orales Glutamin ist wirksam und sicher
Wie die Ergebnisse der Studie zeigen, verbessert eine Nahrungsergänzung mit oralem Glutamin die gastrointestinale (GI-)Symptomatik bei Patienten mit postinfektiösem IBS-D. Der primäre Endpunkt wurde von 43 Patienten (79,6%) der Verum- und lediglich von 3 Teilnehmern (5,8%) der Plazebogruppe erreicht. Darüber hinaus liess sich durch die Glutaminzufuhr die intestinale Permeabilität auf Normalwerte reduzieren, was sich wiederum in einer Besserung der Diarrhösymptomatik und einer Linderung abdominaler Schmerzen niederschlug. Neben der Darmpermeabilität (0,11 [Plazebo] vs. 0,05 [Glutamin]; p < 0,0001) waren in der glutaminbehandelten Gruppe auch die Parameter sämtlicher weiteren sekundären Endpunkte (IBS-SS-Score nach acht Wochen: 301 vs. 181, p < 0,0001; tägliche Darmbewegungsfrequenz: 5,4 vs. 2,9 ± 1,0, p < 0,0001; Bristol Stool Scale: 6,5 vs. 3,9, p < 0,0001) reduziert gegenüber denjenigen Patienten, welche lediglich Plazebo erhalten hatten, reduziert. Die
Häufigkeit des Auftretens von Nebenwirkungen und des Absetzens des Studienmedikaments war insgesamt gering und in beiden Gruppen vergleichbar. Glutamin könnte somit bei Patienten mit postinfektiösem IBS-D als wirksames therapeutisches Agens dienen und möglicherweise auch zur Behandlung chronischer GI-Beschwerden nach Darminfektionen eingesetzt werden. Zur Validierung dieser Resultate sollten sich nach Ansicht der Studienautoren nun grössere randomisierte, kontrollierte Studien anschliessen, in welchen auch der Nutzen der Glutaminsupplementation für die Lebensqualität der Patienten sowie die pharmakologischen Mechanismen Gegenstand der Untersuchungen sein sollten. Die Frage, ob Glutamin, während akuter Infektionen präventiv eingesetzt, womöglich die Entwicklung chronischer GI-Symptome verhindern kann, wäre ein weiterer Ausgangspunkt für künftige Forschung.
RABE s
Quelle: Zhou Q et al.: Randomised placebo-controlled trial of dietary glutamine supplements for postinfectious irritable bowel syndrome. Gut 2018; doi:10.1136/gutjnl-2017–315136.
Interessenlage: Die Autoren der referierten Originalstudie haben keinerlei Interessenkonflikte deklariert.
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ARS MEDICI 22 | 2018