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Immuntherapien jetzt auch beim Urothelkarzinom
Bei Ansprechen längeres Überleben
In der Therapie des Blasenkarzinoms kommen seit Kurzem auch sogenannte Immuntherapien zum Einsatz oder befinden sich zumindest in fortgeschrittenen klinischen Studien. Die Ansprechraten sind bescheiden, doch bei jenen Patienten, die auf die Therapie ansprechen, werden bemerkenswert lange Überlebenszeiten beobachtet.
Quelle: Thematic Session 06 «Immuno-oncology: Changing treatment paradigms in renal and urothelial cancer», 32. Jahreskongress der European Association of Urology (EAU), 24. bis 28. März 2017 in London.
Die Immuntherapien greifen, so Prof. Dr. Rob Jones von der University of Glasgow, an unterschiedlichen Punkten in die Kommunikation zwischen Tumor und Immunsystem ein. Mögliche Angriffspunkte sind die sogenannten Checkpoints PD-1, PD-L1 oder CTLA-4. Jones: «ImmunCheckpoint-Inhibitoren sind nun in der Zweitlinie der neue Standard of Care.» In den USA besteht Zulassung für den PD-L1-Inhibitor Atezolizumab und den PD1-Inhibitor Nivolumab. Beide Zulassungen erfolgten auf Basis von Phase-II-Studien. Für Nivolumab wurde in CheckMate275 nach platinhaltiger Chemotherapie eine Ansprechrate von annähernd 20 Prozent gezeigt (1), was angesichts der extrem schlechten Prognose der untersuchten Population als Erfolg gewertet werden kann. Mit Atezolizumab wurde in der Gesamtpopulation eine Ansprechrate von 15 Prozent sowie bei Patienten mit PDL1-Expression höhere Ansprechraten erreicht (2). PhaseIII-Daten aus einer randomisierten, kontrollierten Studie liegen in dieser Indikation bis anhin nur für den PD-1-Inhibitor Pembrolizumab vor. Sie zeigen im Vergleich zur Zweitlinienchemotherapie einen – in dieser Patientenpopulation erwartungsgemäss bescheidenen – Überlebensvorteil (3). Die genannten Immuntherapien unterscheiden sich insofern von der Chemotherapie, als sie bei jenen Patienten, die primär darauf ansprechen, zu sehr langen Überlebenszeiten führen, wie Jones unterstreicht. Damit sind diese Therapien auch für die Erstlinientherapie von Interesse. Hier sind die Daten allerdings im Moment noch spärlich. Der PD-L1-Inhibitor Atezolizumab wurde in einer Phase-II-Studie in einem Kollektiv von Patienten untersucht, die keine platinhaltige Chemotherapie bekommen konnten (4). Dabei waren die Ansprechraten niedriger als für Chemotherapie, allerdings zeigten die Responder bemerkenswert stabiles Ansprechen. Jones: «Bei manchen Patienten sehen wir sehr lange Ansprechzeiten – mehr als zwei Jahre und nach wie vor anhaltend. Das haben wir mit Chemotherapie nie erreicht. Allerdings muss man sagen, dass wir bisher insgesamt beim Blasenkarzinom nicht an die teilweise sensationellen Ergebnisse anschliessen konnten, die wir aus der Therapie des Melanoms kennen.» Mehrere Phase-III-Studien für die Erstlinientherapie sind gegenwärtig in Planung oder bereits angelaufen. In diesen Studien werden auch Kombinationstherapien mit Chemo- oder mit anderen Im-
muntherapien untersucht. Jones unterstreicht nicht zuletzt die gute Verträglichkeit der neuen Immuntherapien. Diese sei insofern von besonderer Bedeutung, als man das metastasierte Urothelkarzinom nach wie vor als tödliche Erkrankung betrachten müsse und systemische Therapien daher ausnahmslos palliativen Charakter hätten. Für den verstärkten Einsatz in der Erstlinientherapie benötige man bessere Kriterien der Patientenselektion, um jene Patienten identifizieren zu können, die von den Immuntherapien mehr profitieren als von der Chemotherapie.
Kosten und Nebenwirkungen senken
Auch Prof. Dr. Shahrokh Shariat von der Medizinischen Universität Wien unterstreicht die Bedeutung von Biomarkern in der Therapieplanung beim Urothelkarzinom. Eine bessere Steuerung der Therapie werde in Zukunft nicht nur benötigt, um die Kosten zu begrenzen, sondern vor allem auch, um den Patienten Nebenwirkungen zu ersparen. Shariat: «Es geht darum, die Patienten zu identifizieren, bei denen die Chancen auf ein Ansprechen am grössten sind.» Ein naheliegender Prädiktor für ein Ansprechen auf PD-1- oder PD-L1-Inhibition ist die Expression von PD-L1 durch den Tumor. Tatsächlich hat sich die Expression von PD-L1 als Marker für ein Ansprechen auf Immuntherapien, die an PD1/PD-L1 ansetzen, erwiesen. In Metaanalysen konnte dies sowohl für Nivolumab als auch für Pembrolizumab demonstriert werden (5). Eignet sich PD-L1 also als Marker für die Patientenselektion? Für Shariat nur sehr eingeschränkt, zumal in den Studien auch bei manchen Patienten ohne nachgewiesene PD-L1Expression mit diesen Medikamenten Erfolge erzielt wurden. Dies wird einerseits auf Heterogenität des Tumors, darüber hinaus aber auch auf simple Unschärfen in der Labordiagnostik zurückgeführt. Shariat: «Damit ist der negative Prädiktionswert recht gering, und man darf den PD-L1-negativen Patienten diese Therapien nicht vorenthalten.» Weitere Biomarker würden also benötigt. Infrage kommen unter anderem tumorinfiltrierende Lymphozyten und das genetische Profil des Tumors. Diese Faktoren könnten in Zukunft in einem Immunogramm zusammengefasst werden (6), das auch bei Therapieplanung eine Rolle spielen könnte.
Reno Barth
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Referenzen: 1. Sharma P et al.: Nivolumab in metastatic urothelial carcinoma after platinum therapy (CheckMate 275): a multicentre, single-arm, phase 2 trial. Lancet Oncol 2017; 18: 312–322. 2. Rosenberg JE et al.: Atezolizumab in patients with locally advanced and metastatic urothelial carcinoma who have progressed following treatment with platinum-based chemotherapy: a single-arm, multicentre, phase 2 trial. Lancet 2016; 387: 1909–1920. 3. Bellmunt J et al.: Pembrolizumab as Second-Line Therapy for Advanced Urothelial Carcinoma. N Engl J Med 2017; 376: 1015–1026. 4. Balar AV et al.: Atezolizumab as first-line treatment in cisplatin-ineligible patients with locally advanced and metastatic urothelial carcinoma: a single-arm, multicentre, phase 2 trial. Lancet. 2017; 389: 67–76. 5. Carbognin L et al.: Differential Activity of Nivolumab, Pembrolizumab and MPDL3280A according to the Tumor Expression of Programmed Death-Ligand-1 (PD-L1): Sensitivity Analysis of Trials in Melanoma, Lung and Genitourinary Cancers. PLoS One 2015; 10: e0130142. 6. Blank CU et al.: CANCER IMMUNOLOGY. The «cancer immunogram». Science 2016; 352: 658–660.
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