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STUDIE REFERIERT
LDL-Cholesterin-Senkung – aktueller Stand Anfang 2017
Statine senken das LDL-Cholesterin effektiv und reduzieren das kardiovaskuläre Risiko deutlich. Aber wie steht es um den klinischen Nutzen von Nichtstatinen? Eine umfangreiche Metaanalyse liefert interessante Erkenntnisse über die kardioprotektiven Eigenschaften verschiedener Lipidsenker.
JAMA
LDL-(low-density lipoprotein-)Cholesterin (LDL-C) ist ein etablierter Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen. Obwohl man sich über den Nutzen einer LDL-CSenkung einig ist, haben sich die Empfehlungen, wie dies zu erreichen ist, im Lauf der Zeit verändert. Der klinische Vorteil einer LDL-C-Senkung mit Statinen ist weithin akzeptiert, ebenso das Konzept, dass der klinische Nutzen der Statine proportional zur absoluten LDL-C-Senkung ist. Weniger klar ist, welchen klinischen Vorteil die LDL-C-Senkung mit Nichtstatinen bringt. Dieser Frage nahm sich kürzlich eine Arbeitsgruppe der Harvard Medical School, Boston, in einer systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse an. Die Autoren untersuchten den Zusammenhang zwischen der LDL-C-Senkung und der relativen kardiovaskulären Risikoreduktion unter Statinen und Nichtstatinen. In einer umfangreichen Literaturrecherche suchten die Autoren zunächst nach randomisierten klinischen Studien, in denen neun verschiedene Therapieansätze zur LDL-CSenkung zum Einsatz kamen und die Angaben zu klinischen Resultaten bei Myokard-
MERKSÄTZE
O Lipidsenker, die eine Hochregulierung der LDL-Rezeptor-Expression bewirken, sind pro 1-mmol/lSenkung der LDL-C-Spiegel mit einer ähnlichen kardiovaskulären Risikoreduktion assoziiert.
O Dies gilt für Statine und Nichtstatine.
O In klinischen Studien sollte untersucht werden, welchen klinischen Nutzen spezifische Nichtstatininterventionen zusätzlich zu einer Statinbasistherapie bringen.
infarkt enthielten. Als wichtigste Zielkriterien wurden definiert: O Das relative Risiko (RR) schwerwiegen-
der vaskulärer Ereignisse (ein zusammengesetzter Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod, akutem Herzinfarkt oder anderem akutem Koronarsyndrom, koronarer Revaskularisation oder Schlaganfall), assoziiert mit der absoluten Reduktion des LDL-C-Spiegels. O Die Fünfjahresrate schwerer koronarer Ereignisse (Koronartod oder Myokardinfarkt), assoziiert mit dem erreichten LDL-C-Spiegel.
Breites Spektrum an Lipidsenkern
untersucht
In der Metaanalyse wurden die Daten von über 312 000 Teilnehmern aus 49 Studien der Jahre 1966 bis 2016 mit insgesamt fast 40 000 schweren vaskulären Ereignissen ausgewertet. Die Teilnehmer (24% Frauen) waren im Schnitt 62 Jahre alt, der durchschnittliche LDL-C-Wert zu Beginn der Studie betrug 3,16 mmol/l (122,3 mg/dl). Es wurden vier Gruppen von lipidsenkenden Interventionen untersucht: 1. Statine; 2. Nichtstatininterventionen, die den LDL-
C-Spiegel vorwiegend über eine Reduktion des intrahepatischen Cholesterins senken und dadurch zu einer Hochregulierung der LDL-Rezeptor-Expression führen (Diät, Gallensäurebinder, Ileumausschaltung, Ezetimib); 3. Interventionen, welche die LDL-C-Spiegel nicht primär über eine Hochregulierung der LDL-Rezeptor-Expression reduzieren (Fibrate, Niacin, Cholesterinester-Transferprotein-[CETP-]Inhibitoren); 4. PCSK9-(Proproteinkonvertase SubtilisinKexin-Typ-9-)Inhibitoren, welche die LDL-C-Clearance über den LDL-Rezeptor hochregulieren, für die jedoch noch keine abgeschlossenen kardiovaskulären Outcomestudien vorliegen.
Besonders erfolgreich: Lipidsenker,
welche die LDL-Rezeptor-Expression
hochregulieren
Jede Senkung des LDL-C-Spiegels um 1 mmol/l (bzw. 38,7 mg/dl), die mit Statinen erzielt werden konnte, war mit einer Reduktion des RR für schwere vaskuläre Ereignisse um 23 Prozent assoziiert. Eine ähnliche Wirkung erzielten etablierte Nichtstatininterventionen, die primär über eine Hochregulierung der LDL-RezeptorExpression wirken (Diät, Gallensäurebinder, Ileumbypass und Ezetimib): Sie waren mit einer Senkung des RR um 25 Prozent pro 1 mmol/l LDL-C-Reduktion assoziiert. Bei den übrigen untersuchten lipidsenkenden Interventionen fiel die Risikosenkung deutlich geringer aus. Für Niacin betrug das beobachtete RR gegenüber dem erwarteten RR (basierend auf dem Grad der LDL-C-Senkung in den Studien) 0,94 versus 0,91, für Fibrate 0,88 versus 0,94, für CETP-Inhibitoren 1,01 versus 0,90 und für PCSK9-Inhibitoren 0,49 versus 0,61. Der erreichte absolute LDL-C-Wert war signifikant mit der absoluten Rate an schweren Koronarereignissen (11 301 Ereignisse, inkl. Koronartod oder Myokardinfarkt) assoziiert. Dies galt sowohl für Studien zur Primärprävention (Reduktion der Ereignisrate um 1,5% pro 1-mmol/l-Senkung des LDL-C-Wertes) als auch für Studien zur Sekundärprävention (Reduktion der Ereignisrate um 4,6% pro 1-mmol/lSenkung des LDL-C-Spiegels).
Kombinierte Lipidsenkung:
Klinischen Nutzen
in Studien überprüfen
Die Ergebnisse der vorliegenden Metaana-
lyse weisen darauf hin, dass Statine und
Nichtstatine, die über eine Hochregulie-
rung der LDL-Rezeptor-Expression wir-
ken, mit einer ähnlichen kardiovaskulären
Risikoreduktion pro Senkung des LDL-C
um 1 mmol/l assoziiert sind. Der klinische
Nutzen einer spezifischen Nichtstatininter-
vention zusätzlich zu einer Statinbasis-
therapie sollte in ausreichend gepowerten
klinischen Studien bestätigt werden, so das
Fazit der Autoren.
O
Andrea Wülker
Quelle: Silverman MG et al.: Association between lowering LDL-C and cardiovascular risk reduction among different therapeutic interventions: a systematic review and meta-analysis. JAMA 2016; 316(12): 1289–1297.
Interessenlage: Ein Teil der Autoren der Metaanalyse hat Honorare und/oder Forschungsgelder von verschiedenen Pharmaunternehmen erhalten.
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ARS MEDICI 3 I 2017