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Kongressbericht
16th World Congress on Cancers of the Skin (WCCS), Wien, 31. 8. bis 3. 9. 2016
Erkenntnisse aus Biomarkeranalysen
Richtungsweisende Überlegungen zum malignen Melanom
Hautkrebs gehört zu den Tumorentitäten, die eine steigende Inzidenz aufweisen – verursacht vor allem durch ausgeprägte UV-Exposition. Prof. Claus Garbe, Präsident der European Association of Dermato Oncology (EADO), zog beim 16. World Congress on Cancers of the Skin (WCCS) daher das Fazit, dass in Zukunft ein Fokus auf die Prävention von Hautkrebserkrankungen gelegt werden sollte. Der Kongress widmete sich allerdings vorrangig der Einordnung der verfügbaren Therapien für die metastasierte Erkrankung und den Erkenntnissen aus Biomarkeranalysen.
Die Checkpoint-Blockade stellt eine Revolution in der Behandlung des Melanoms dar, wie Jeffrey S. Weber, NYU Langone Medical Center, New York (USA), in seiner Gastrede darlegte. Nun befänden wir uns in der evolutionären Phase, in der sich das Verständnis um das einzigartige Ansprechen unter Immuntherapien entwickeln muss. Zum ersten Mal sähen wir die Möglichkeit einer Heilung bei einem Teil der Melanompatienten. Man erkenne auch, dass das Auftreten immunbezogener Nebenwirkungen wahrscheinlich mit einem Therapieerfolg assoziiert sei und dass es die Kombinationen seien, mit denen sich die Chance auf eine Heilung für die Patienten erhöhen lasse. Es seien allein in den USA mehr als 100 klinische Studien gelistet, die Kombinationen mit einem PD1-Inhibitor untersuchten, so Weber.
Patientenselektion für weniger intensive Therapie
Um die Therapieerfolge zu verbessern, müssten Patienten identifiziert werden, die von bestimmten Regimen profitierten, sagte Christian Blank, The Netherlands Cancer Institute, Amsterdam (Niederlande). Und: Die kombinierte Immuntherapie mit PD1- und CTLA4-Inhibition erreicht häufiger eine Remission als die Einzeltherapien (1). Es sei aber am Ende nicht von Bedeutung, mit welcher Immuntherapie ein Ansprechen erreicht werde, sondern nur, dass eine Remission eintrete, so Blank. Zeigten Patienten ein Ansprechen auf eine Immuntherapie, so war die Dauer der Remission unter ver-
schiedenen Substanzen in unterschiedlichen Dosierungen vergleichbar (2). Somit sei das Immunsystem entscheidend und nicht der Inhalt der Infusion, erklärte Blank. Primäre Resistenzen gegenüber Immuntherapien seien nicht sehr häufig, so Blank weiter. Er verwies auf den Teil der Patienten, der innerhalb der ersten 3 Monate nach Therapiebeginn mit einer Immuntherapie verstirbt. Erworbene Resistenzen seien der wesentliche Grund für den Verlust des Ansprechens. Dieser Verlust erfolge zwischen 3 Monaten und dem Beginn der PFS-Plateaubildung nach etwa 2 Jahren (3). Ein Hinweis auf eine erworbene Resistenz gebe vielleicht das LDH, das sich als stärkster prognostischer Faktor bei Immuntherapien erweise. Ein Teil der Patienten profitiert zudem langfristig von einer Immuntherapie, sei es mit CTLA4- oder PD1-Hemmung oder mit einer Kombination der Antikörper. Liegen optimale Voraussetzungen vor, so sei eine Therapie mit Ipilimumab ausreichend, um eine lang anhaltende Remission zu induzieren, konstatierte Blank. Sind LDH und die Inflammationsmarker ESR/CRP hingegen hoch und die absolute Lymphozytenzahl (ALC) und das intratumorale CD8 niedrig, so sei mit CTLA4Hemmung kein Therapieerfolg zu erwarten. PD-L1 ist ebenfalls ein aussagekräftiger Marker für das Ansprechen oder für eine primäre Resistenz gegenüber einer Anti-PD1-haltigen Therapie. Der LDH-Spiegel hat sich auch bei zielgerichteten Therapien als starker Marker für den Therapieerfolg von BRAF- und
MEK-Inhibitoren gezeigt (4). Weitere wichtige prognostische Parameter sind die Anzahl der Läsionen und der Allgemeinzustand des Patienten. Verschiedene frühe Resistenzmechanismen bei zielgerichteter und Immuntherapie könnten möglicherweise auf verschiedene Weise angegangen werden, erklärte Blank mit Hinweis auf das von ihm entwickelte «Cancer Immunogram» (5). Dieses soll helfen, die vorhandenen und fehlenden Charakteristiken eines Tumors zu visualisieren und eine Therapiestrategie daran festzumachen.
Die Immuntherapie als Erstlinienstandard
Ein charakteristischer Vorteil der Immuntherapien ist die Plateaubildung der Überlebenskurven, die zum ersten Mal beim metastasierten Melanom auf ein Langzeitüberleben hindeutete. Es stellt sich daher die Frage, ob jeder Patient in der Erstlinie eine Immuntherapie als Standardbehandlung erhalten sollte. In einer akademischen Debatte plädierte James Larkin, The Royal Marsden, London (UK), wegen der guten Verträglichkeit der Anti-PD1-Monotherapien, des schnellen Ansprechens sowie der Aktivität bei Hirnmetastasen und anderen aggressiven Verlaufsformen für eine Immuntherapie (siehe Kasten) bei jedem Patienten mit kutanem Melanom. Ein wichtiger Vorteil sei auch, dass die Therapie – mit Aussicht auf Langzeitüberleben – wahrscheinlich irgendwann abgesetzt werden könne, während die zielgerichteten Therapien mit einer chronischen Behandlung einhergehen. Auf der Kontraseite sprach sich Olivier Michielin, Centre hospitalier universitaire vaudois, Lausanne (Schweiz), mit Hinweis auf eine schnelle Besserung der Symptome unter zielgerichteten Therapien gegen eine primäre Immuntherapie bei allen Melanompatienten aus. Gegen die Immuntherapien spräche das Risiko von Ödemen und einer zerebralen Beeinträchtigung. Zudem seien für die Symptomkontrolle häufig Steroide nötig, die
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eigentlich nicht gemeinsam mit einer Immuntherapie angewendet werden sollten. Die Selektionskriterien, die aufgrund der ersten Erfolge mit zielgerichteten und Immuntherapien angewendet wurden, gälten jedenfalls nicht mehr in der Ära der PD1-Inhibitoren und der Kombinationstherapien, gab Michielin zu bedenken. Zeichnete sich die BRAF-Inhibition durch ein schnelles Ansprechen aus, so begründet sich der Erfolg der CTLA4Blockade vor allem im Langzeitüberleben. Mit den Kombinationstherapien und den PD1-Inhibitoren kam es zu einer Annäherung der Überlebenskurven und des charakteristischen Ansprechens. Einig waren sich Larkin und Michielin, dass die Immuntherapie bei jedem Patienten zum Einsatz kommen sollte – in welcher Therapielinie auch immer. Patienten mit BRAF-Wildtyp-Tumoren sollten in jedem Fall in der Erstlinie mit einer Immuntherapie behandelt werden. Die wichtige Frage nach der Therapiesequenz bei Patienten mit BRAF- oder NRAS-mutierten Tumoren wird derzeit in verschiedenen Studien untersucht. Attraktiv wäre auch eine Kombination der Therapiestrategien, um die Vorteile beider Therapien zu nutzen und den Tumor so hart wie möglich zu treffen.
Immuntherapie bei malignem Melanom
Heute stehen zur Immuntherapie PD1- und CTLA4-Inhibitoren zur Verfügung:
Wirkmechanismus Wirkstoffe
CTLA4-Inhibition Ipilimumab (Yervoy®)
PD1-Inhibition
Nivolumab (Opdivo®),
Pembrolizumab
(Keytruda®)
Früher Einsatz und adjuvantes Setting
Für den langfristigen Therapieerfolg scheinen zumindest teilweise die gleichen Biomarker für die zielgerichtete und die Immuntherapie zu stehen, wie Blank bemerkte. Ein früher Einsatz in der metastasierten Situation scheine den Therapieerfolg beider Therapiestrategien zu verbessern, und die Kombination verhindere möglicherweise die Entwicklung einiger langfristig erworbener Resistenzen. Mit Interferon-alpha (IFN-α) und CTLA4-Blockade konnte auch in der adjuvanten Therapie von Hochrisiko-Melanompatienten ein signifikanter und dauerhafter Therapieerfolg gezeigt werden, so John M. Kirkwood, University of Pittsburgh School of Medicine, Pittsburgh (USA). Allerdings beschränke sich der Erfolg auf etwa ein Drittel der Patienten, sodass mithilfe einer Kombination mit Anti-PD1-Therapien oder zielgerichteten Therapien eine Optimierung der adjuvanten Therapie angestrebt werde. Um zu prüfen, ob die Ergebnisse der adjuvanten Behandlung auch auf die neoadjuvante Situation übertragbar ist, wurden in einer Phase-II-Studie Melanompatienten entweder mit 3 oder 10 mg/kg Ipilimumab, jeweils in Kombination mit Hochdosis-IFN-α2b, behandelt (6). Ein Ansprechen war bei 36% der Patienten zu sehen. Mit der höheren Dosierung wurde häufiger ein präoperatives Ansprechen erreicht, allerdings traten auch Nebenwirkungen Grad 3/4 häufiger auf. Die nächste Aufgabe sei es, so Kirkwood zur (neo-)adjuvanten Therapie, Biomarker für die Patientenselektion zu identifizieren und biologisch sinnvolle Studien aufzulegen. Die PD1-Blockade sei beispielsweise am wirksamsten bei inflammatorischen Tumoren. Daher werde eine neoadjuvante Studie mit Pembrolizumab plus Hochdosisinterferon durchgeführt (7).
Fazit: In der Behandlung des malignen Melanoms haben sich die Kombinationen der Monotherapien sowohl bei den zielgerichteten als auch bei den Immuntherapien bewährt. In welcher Sequenz die Therapien bei Vorliegen von therapierbaren Mutationen gegeben werden sollten, ist noch unklar, wird aber in Head-to-head-Studien untersucht. Verschiedene Biomarker geben Hinweise auf den möglichen Therapieerfolg und die Notwendigkeit einer intensiveren oder weniger intensiven Therapie. Das Auftreten immunbezogener Nebenwirkungen deutet wahrscheinlich auf einen besseren Therapieerfolg hin. L
Ine Schmale
Quelle: 16th World Congress on Cancers of the Skin (WCCS), 12th Congress of the European Association of Dermato-Oncology (EADO), 31. August–3. September 2016, Wien.
Referenzen: 1. Larkin J et al.: Combined nivolumab and ipilimumab
or monotherapy in untreated melanoma. N Engl J Med 2015; 373: 23–34. 2. Schachter J et al.: Pembrolizumab versus ipilimumab for advanced melanoma: Final overall survival analysis of KEYNOTE-006. ASCO 2016, Oral Abstract, Abstr. #9504. 3. Wolchok JD et al.: Updated results from a phase III trial of nivolumab combined with ipilimumab in treatment-naive patients with advanced melanoma (Checkmate 067). ASCO 2016, Oral Abstract, Abstr. #9505. 4. Long GV et al.: Baseline and postbaseline characteristics associated with treatment benefit across dabrafenib and trametinib registration pooled data. SMR 2015, Oral Abstract. 5. Blank CU et al.: Cancer Immunology. The «cancer immunogram». Science 2016; 352: 658–660. 6. Tarhini AA et al.: Neoadjuvant combination immunotherapy with ipilimumab (3 mg/kg or 10 mg/kg) and high dose IFN-α2b in locally/regionally advanced melanoma. ASCO 2016, Poster, Abstr. #9585. 7. Davar D et al.: Phase IB study of pembrolizumab and pegylated interferon alfa-2b in advanced melanoma. ASCO 2016, Poster, Abstr. #9539.
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