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Im Fokus: Geriatrische Onkologie
Radiotherapie bei Basaliom des älteren Patienten
Stark hypofraktionierte Radiotherapie als Option
Das Basaliom zählt zu den häufigsten Formen des hellen Hautkrebses und tritt bevorzugt im höheren Lebensalter auf. Das therapeutische Vorgehen spielt vor allem für ältere Patienten eine wichtige Rolle, denn es bestehen häufig operative Kontraindikationen bei Läsionen im Gesichts-(Kopf-)bereich. Hier kann eine hypofraktionierte Radiotherapie eine geeigente Therapie darstellen.
TIMOTHY COLLEN
SZO 2016; 5: 18–19.
Timothy Collen
Der helle oder weisse Hautkrebs, das Basaliom (Basalzellkarzinom), entsteht aus den Keratinozyten und den Adnexstrukturen der Haut. Das Basaliom umfasst 80% aller Hautmalignome, die nicht als maligne Melanome diagnostiziert werden (1), wächst aber lokal destruierend und metastasiert nur in sehr seltenen Fällen. Aufgrund des demografischen Wandels und der Zunahme der Hochbetagten ist auch inskünftig mit einer Zunahme von neu diagnostizierten Basaliomen zu rechnen.
Ätiologische Faktoren
Beim Spinaliom und bei den Vorstufen besteht klare Evidenz bezüglich des Zusammenhangs von UVStrahlung und Tumorentwicklung. Die vorhandene Datenlage zeigt, dass bei «Outdoor-Workern» das Risiko für Spinaliome nach langjähriger Sonnenexposition signifikant erhöht ist. Die Entwicklung ist mit der kumulativen Lebenszeitexposition assoziiert und führt zum Teil zu einer Verdopplung der Inzidenz gegenüber Kontrollpersonen (2, 3). Anders als bei Plattenepithelkarzinomen der Haut ist der Kausalzusammenhang zwischen der Einwirkung von UV-Strahlung und der Inzidenz von Basaliomen komplexer. Neben den hereditären Formen, welche
eher selten sind, treten Basaliome in Zusammenhang mit Arsenexposition auf, und zwar an besonnten Hautstellen. Das Arbeiten im Freien scheint jedoch eine Verdopplung des Risikos für die Entstehung eines Basalioms zu verursachen (4).
Therapie
Für lokale, nicht melanomatöse Tumorgeschehen wie das Basaliom ist die chirurgische Exzision grundsätzlich der Goldstandard (5, 6). Die Arbeitsgemeinschaft für Dermatologische Onkologie (ADO) der Deutschen Krebsgesellschaft hat hinsichtlich der interdisziplinären Therapieoptionen vor einigen Jahren ein Stufendiagramm entwickelt. Dabei gilt, dass der operativen Entfernung des Basalioms therapeutisch der Vortritt gegeben wird, sofern die entsprechenden Sicherheitssäume erzielt werden können. Spezielle mikrochirurgische Verfahren nach Moh haben sich etabliert. Bei ungünstigen Lokalisationen wie im Gesicht oder im Bereich des Kapillitiums, wenn eine Exzision mutilierend wäre, wird als Alternative in vielen Fällen die Bestrahlung gewählt. Als systemische Behandlung hat sich seit einigen Jahren, vor allem bei lokal fortgeschrittenen Basaliomen, der Hedgehog-Inhibitor Vismodegib etabliert.
Merkpunkte
L Basaliome sind häufige, nicht melanomatöse Hauttumoren und treten
gehäuft im Senium auf.
L Die hypofraktionierte Radiotherapie stellt beim älteren Menschen eine
gute Alternative zur Resektion mit ähnlichen Kontrollraten und guten kosmetischen Ergebnissen dar.
L Besonders bei starker Hypofraktionierung sind die Dosierungstiefe und
die Wahl der Energie (Röhrenspannung) wegen der hohen Knochenabsorption von grosser Bedeutung.
Option Radiotherapie
Die Radiotherapie hat seit vielen Jahren ihren festen Stellenwert bei Basaliomen und anderen nicht melanomatösen Hauttumoren. Vergleicht man in der Literatur die klinischen Ergebnisse von operativer Therapie und Bestrahlung, kommt man auf fast identische Tumorkontrollraten. Diese bewegen sich zwischen 85% und weit über 90% für die Radiotherapie (7). Für die strahlentherapeutische Behandlung von Ba-
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saliomen kommen verschiedene Strahlenqualitäten und Dosisverschreibungen zur Anwendung. Vor allem die Orthovoltgeräte waren bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts mit Röhrenspannungen von 30 bis 200 kV in der Behandlung von Hauttumoren sehr beliebt. Die Entwicklungen der modernen Strahlentherapie führte mit dem Aufkommen von Linearbeschleunigern und der Verwendung von Photonen und Elektronen, aber auch der Brachytherapie zu einem Rückgang der Orthovoltgeräte, welche sich durch Langlebigkeit und vergleichsweise geringe Anschaffungskosten auszeichnen. In den verschiedenen strahlentherapeutischen Einrichtungen der Schweiz kommen unterschiedliche Fraktionierungsschemata zur Anwendung. Hier wird unter anderem ein Unterschied bezüglich der Einzelund der Gesamtdosis bei der Grössenausdehnung der nicht melanomatösen Hauttumoren wie dem Basaliom gemacht. Bei kleineren Basaliomen und nicht melanomatösen Hauttumoren kommen oft hohe Einzeldosen einmal pro Woche zur Anwendung. Mit zunehmender Tumorgrösse werden dann kleinere Einzeldosen dreimal pro Woche verabreicht (8).
Veränderte Fraktionierungsschemata für ältere Basaliompatienten Das therapeutische Vorgehen beim Basaliom ist für alte Patienten besonders wesentlich, denn im fortgeschrittenen Lebensalter bestehen sehr häufig operative Kontraindikationen, zumal es bei im Gesicht auftretenden Basaliomen zu funktionalen und kosmetischen Beeinträchtigungen kommen kann. Unter der Annahme, dass eine Therapie hier mit gutem Ergebnis bezüglich Tumorkontrolle, Kosmetik und geringstmöglicher Funktionseinschränkung angeboten werden sollte, kann eine hypofraktionierte Radiotherapie eine geeignete Therapieempfehlung darstellen. Dabei werden hohe Einzeldosen nur einmal wöchentlich verabreicht. Erst kürzlich zeigte eine retrospektive Kohortenstudie, dass im Vergleich zwischen starker Hypofraktionierung (1 x pro Woche 5,25 Gy) über 7 Wochen (36,75 Gy Gesamtdosis) und 15 täglich applizierten Sitzungen über 3 Wochen (15 x 3 Gy, 5 x pro Woche, 45 Gy Gesamtdosis) die lokalen Kontrollraten und kosmetischen Ergebnisse vergleichbar waren (9). Bei den höheren Einzeldosen gilt es allerdings zu beachten, dass die Strahlenfrühnebenwirkungen mit einer leicht erhöhten Strahlenfrühtoxizität im Vergleich zur normalen Fraktionierung (5 x Woche) einhergehen. Zudem sind die bleibenden (aber nur leicht kosmetisch einschränkenden) kutanen Nebenwirkungen leicht erhöht: Hier handelt es sich um Hypopigmentierung und Teleangiektasien. Bei der Mehrzahl der befragten Patienten in oben erwähnter Studie zeigte sich ein gutes bis sehr gutes kosmetisches Ergebnis in beiden Fraktionierungsarmen.
Knochenabsorption bei hohen Einzeldosen Allerdings spielen vor allem die genaue Dosierungstiefe und die Wahl der Energie im Bereich des Kapillitiums und der Gesichtshaut wegen der darunter liegenden knöchernen Strukturen eine wichtige Rolle. Bei der Knochenabsorption der eingestrahlten Dosis ist der f-Faktor zu erwähnen. Der f-Faktor beschreibt die Funktion zwischen der Zusammensetzung des durchdrungenen Mediums und der Photonenenergie. Er gibt die Umrechnung von der Ionendosis in Luft in die Energiedosis im Medium an. In Wasser ist der f-Faktor ein relativ konstanter Wert. Bei Knochen hingegen ist er besonders hoch, was auf den in diesem Energiespektrum auftretenden Fotoeffekt zurückzuführen ist. Bei Energien von beispielsweise 30 keV liegt dieser Wert bei rund 4,2. In der Praxis bedeutet das, dass für Röntgenstrahlen mit niedriger Energie, wie sie bei den Orthovoltgeräten erzeugt werden, die absorbierte Dosis im Knochen 2- bis 4-mal so hoch ist wie in den Weichteilstrukturen (10). Das ist vor allem bei der Verabreichung hoher Einzeldosen zu beachten und spielt bei einer erneuten Bestrahlung eine wichtige Rolle (z.B. erhöhtes Risiko für Knochennekrosen). Aus diesem Grund sind die korrekte Verschreibungstiefe und die Wahl des verordneten Dosiskonzeptes bei der Behandlung von Hauttumoren wie dem Basaliom enorm wichtig.
Eigene Praxiserfahrung In unserem Patientenklientel wurde über Jahre mit einem stark hypofraktionierten Regime behandelt. Das bedeutet 1 x pro Woche 7 Gy, 6 Fraktionen, Gesamtdosis 42 Gy, Dauer der Behandlung: 6 Wochen. Das betrifft insbesondere Patienten mit Basaliomen und nicht melanomatösen Hauttumoren, die: L Läsionen von weniger als 4 cm Ausdehnung zeig-
ten L älter als 60 Jahre waren L einen erheblichen Anfahrtsweg hatten L explizit keine mehrwöchige Bestrahlung in An-
spruch nehmen wollten. Die Tumorkontrollraten decken sich mit denjenigen der Literatur; die Spätnebenwirkungen sind akzeptabel. Die meist älteren Patienten sind mit dem Vorgehen und dem Behandlungsergebnis sehr zufrieden.L
Dr. med. Timothy D. Collen Klinik für Radio-Onkologie Luzerner Kantonsspital 6000 Luzern 16 E-Mail: timothy.collen@luks.ch
Interessenkonflikte: keine.
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Quellen: 1. Cancer facts and figures, Atlanta: American Cancer Society, 2003. 2. Diepgen TL, Blome O.: Hautkrebs durch UV-Licht – eine neue Berufskrankheit? Teil 2: Medizinischer und epidemiologischer Erkenntnisstand für die Aufnahme in die BK Liste, Dermatologie in Beruf und Umwelt. 2009; 57: 3–17. 3. Radepsiel-Tröger M et al.: Outdoor work and skin cancer incidence: a registry-based study in bavaria. Int Arch Occup Envirm Health 2009; 82: 357–363. 4. Seidler A et al.: UV-exponierte Berufe und Hauttumoren: berufsbezogene Auswertung von Daten des Krebsregisters Rheinland-Pfalz. Zbl Arbeitsmed 2006; 56: 78–90. 5. Bonerandi JJ et al. (French Dermatology Association; aRED): Guidelines for the diagnosis and treatment of cutaneous squamous cell carcinoma and precursor lesions. J Eur Acad Dermatol Venereol 2011; 25 (Suppl. 5): 1–51. 6. National Health Medical Research Council: Non melanoma skin cancer: guidelines for treatment and management in Australia. Clinical practice guidelines, Canberra, 2002 (URL: http://www. nhmrc.gov.au/guidelines-publications/cp87). 7. Fitzpatrick PJ et al.: Basal and squamous cell carcinoma of the eyelids and their treament by radiotherapy. Int J Radiat Oncol Biol Phys 1984; 10: 449–454. 8. Notter M.: Maligne Hauttumoren. Schweizer Zeitschrift für Onkologie 2012; 4: 20–25. 9. Pampena R et al.: Orthovoltage radiotherapy for nonmelanoma skin cancer (NMSC): Comparison between 2 different schedules. J Am ACAD Dermatol 2016; 2105: 341–347. 10. Khan FM.: The physics of radiation therapy, fourth edition. 2010: chapter 8: 135.
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